Instagram:Schaut her, hier ist alles in pink

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Süße Fotos, das geht im Supercandy-Pop-up-Museum in Köln-Ehrenfeld. (Foto: oh)

Jeder kann heute Influencer sein. Hippe Kulissen locken Menschen, damit die Fotos auf Instagram auch nach etwas aussehen - zum Beispiel in Pop-up-Museen. Und Sponsoren sind gleich mit dabei.

Von Nikola Noske, Köln

Lässig lehnt sich die junge Frau über die Flugzeugsitzbank. Alles, was sie umgibt, ist pink: die Sitze, die Flugzeugkabine, die Wolken hinter dem Fenster, die Kamera, mit der ihre Freundin sie ablichtet. Was nach einem süßen Teenietraum klingt, wird im Supercandy-Pop-up-Museum in Köln-Ehrenfeld zur Realität. Denn dies ist kein normales Museum: Die 1200 Quadratmeter große Halle ist eine riesige Fotokulisse. Besucher können hier an 20 bunten Stationen Bilder für Social-Media-Plattformen wie Instagram oder Snapchat schießen - im pinken Flugzeug, im Gummibärchen-Raum oder im Lakritz-Bällebad.

In Zeiten, in denen man als Influencer genug zum Leben verdienen kann, wollen auch Amateure ihren Vorbildern nacheifern und das möglichst perfekte, Instagram-taugliche Foto aufnehmen. Ein gutes Bild zu machen, ist allerdings trotz guter Smartphone-Kamera und Farbfiltern leichter gesagt als getan: Mal stimmen das Wetter und die Lichtverhältnisse nicht, mal ist die eigene Wohnung nicht aufgeräumt oder aus anderen Gründen nicht vorzeigbar. Die sogenannten Pop-up-Museen bieten für jeden ideale Lichtverhältnisse und hippe Kulissen.

95 Prozent der Besucher des Supercandy-Pop-up-Museums sind weiblich, sagt Frank Karch. Er ist der Geschäftsführer der Ausstellung. 2016 erfuhr er das erste Mal von den Pop-up-Museen in den USA. Dort gibt es diese Form der Ausstellung bereits seit Jahren: In New York City und San Francisco lädt derzeit die Candytopia zum zuckersüßen Vergnügen ein, in Los Angeles gibt es das Museum of Ice Cream oder ab nächstem Jahr das Egg House. Die Idee faszinierte Karch, weshalb er beschloss, den Trend nach Deutschland zu bringen. Der Eintritt in sein Museum kostet stolze 29 Euro. Um den Besuch perfekt zu machen, gibt es Schminkspiegel und Umkleidekabinen. Viele der Besucherinnen brächten mehrere Outfits für die Bilder mit, einige sogar ganze Koffer, sagt Karch.

Unternehmen sponsern die Veranstalter. Und nutzen die Räume dann für Werbung

Jeder, so scheint es, möchte heute Influencer sein. Im Juni dieses Jahres hat Instagram die Marke von einer Milliarde aktiven Nutzern weltweit geknackt. In Deutschland sind mehr als 15 Millionen Menschen auf Instagram aktiv. "Der Anspruch an Instagram-Bilder hat sich gewandelt", sagt Anne Höweler, Expertin für Influencer-Marketing und CEO der Marketing-Agentur Cover Communications. "Im Namen Instagram steckt ja erst mal das Wort instant, also sofort. Anfangs sollte Instagram eine Plattform sein, auf der man Schnappschüsse hochladen kann." Inzwischen gehe es aber fast ausschließlich darum, sich selbst zu inszenieren - auf Hochglanzbildern.

Insofern sind Selfie-Museen nach Ansicht von Höweler für alle Social-Media-Nutzer interessant. Influencer, die es sich leisten können, mieten sich ohnehin meist lieber individuelle Kulissen. Auch Geschäftsführer Karch betont: "Popularität und Selbstdarstellung wird durch die Digitalisierung ja sozusagen demokratisiert." In den Pop-up-Museen habe nun jeder die Möglichkeit, sich in den Candy-Kulissen von seiner Schokoladenseite zu zeigen.

Oft werden die Museen von verschiedenen Firmen gesponsert, die Bereiche der Museen gestalten dürfen. "Das ist für die Unternehmen eine sehr interessante Form der Werbung, die sich sehr schnell verbreiten kann", erklärt Anne Höweler. Dabei gehe es weniger um das Präsentieren konkreter Produkte als um Markenpräsenz. Durch das Bewegen in der Kulisse und das Fotografieren entstehe eine Beziehung der Besucher zu den Marken. Und durch die Postings auf Instagram erhielten die Unternehmen zusätzliche Aufmerksamkeit. Auch für das Supercandy-Pop-up-Museum hat Karch Sponsoren gewonnen: den Süßwarenkonzern Haribo, den Eisproduzenten Kissyo und die Fotomarke Instax.

Der Trend der Pop-up-Museen hat dieses Jahr Europa erreicht: Von Mai bis September gab es das Sweet-Art-Museum in Lissabon, in London entsteht gerade die Selfie Factory.

In den USA ist die Entwicklung sogar noch einen Schritt weiter: Dort gibt es Immobilien, die ganzjährig geöffnet haben und ausschließlich als Kulisse für Instagrammer dienen. Dabei zahlen nicht nur die Besucher, sondern auch Einrichtungshäuser, um ihre Produkte dort zu positionieren. Die Werbeagentur Village Marketing hat sich auf Influencer-Marketing spezialisiert und ein Apartment für Foto-Shootings hergerichtet. Die Wohnung kann für umgerechnet circa 13 000 Euro monatlich gebucht werden.

Dass es solche Dauer-Kulissen irgendwann auch in Deutschland geben wird, bezweifelt Influencer-Expertin Anne Höweler: "In den USA funktioniert die sogenannte magazinhafte Bildsprache deutlich besser." Dort sei es nicht so schlimm, wenn die präsentierte Wohnung nicht die eigene sei. In Deutschland dagegen sei für Influencer besonders wichtig, glaubwürdig und authentisch zu sein. Influencer, die auf ihre Followerschaft nahbar und echt wirkten, hätten meist eine deutlich höhere Quote an verkauften Produkten pro Bild.

Zeitdruck wirkt: Eine kurze Ausstellungsdauer lockt mehr Besucher an

Die meisten Selfie-Museen sind als temporäre Ausstellungen angelegt. Das zielt auf ein weiteres Phänomen in der jungen Generation ab, sagt Marketing-Expertin Höweler: die "Fear of Missing out", also die Angst, etwas zu verpassen. So könne eine kurze Ausstellungsdauer ein zusätzlicher Anreiz für einen Besuch sein. 10 000 Tickets hat Frank Karch für seine Ausstellung bereits verkauft. Eigentlich war sie bis Ende Dezember angesetzt, nun wird sie wegen des großen Interesses bis Februar verlängert. Köln ist der erste Standort. Im Frühjahr soll die Ausstellung noch durch andere Städte touren, sagt Karch. Welche das sein werden, sei allerdings noch nicht klar. Eines steht aber schon fest: Das Candy-Haus in Ehrenfeld, ehemals eine Druckerei, soll nach Ausstellungsende im Februar abgerissen werden - dagegen hilft auch der neue rosafarbene Anstrich nichts.

© SZ vom 18.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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