Sanierung von Unternehmen:Antragspflicht für Insolvenzen bis Januar ausgesetzt

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Leere Münchner Innenstadt: Bundesweit ist die Zahl der zahlungsunfähigen Betriebe bislang geringer als im Vorjahr - aber nur, weil die Antragspflicht für Insolvenzen ausgesetzt ist. (Foto: Sachelle Babbar /imago images/ZUMA Wire)

Der Bundestag hat am Donnerstag ein Gesetzespaket beschlossen, das Unternehmen in finanzieller Notlage helfen soll.

Von Katharina Kutsche, Hannover

Mit dem zweiten Lockdown müssen viele Händlerinnen und Händler auf das umsatzstarke Weihnachtsgeschäft verzichten. Die Gefahr von Insolvenzen steigt. Nach mehr als neun Monaten des Wirtschaftens unter Pandemie-Bedingungen werden die Ängste also nochmal größer: Welche Betriebe können über die aktuelle Situation hinaus noch bestehen? Der Gesetzgeber will betroffenen Unternehmen einen besseren Rahmen bieten und hat am Donnerstag Änderungen beim Insolvenzrecht beschlossen. Diese sollen zum 1. Januar 2021 in Kraft treten.

Worum geht es in dem neuen Gesetz?

Änderungen beim Sanierungs- und Insolvenzrecht sind schon länger geplant. Damit soll unter anderem auch eine EU-Richtlinie aus dem vergangenen Jahr in nationales Recht umgesetzt werden. Das Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFo) ist daher genauso sperrig wie sein Name: Es beinhaltet Änderungen in 23 bestehenden Gesetzen und die Einführung eines neuen Gesetzes über Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG). Teile des Gesetzes beziehen sich aber auch auf die aktuelle Lage.

Was ändert sich?

Seit Beginn der Pandemie sind viele Firmen an ihre finanziellen Grenzen gekommen - ohne eigene Schuld. Zudem ist derzeit nicht klar, wie lange die Einschränkungen noch gelten. Bisher galt: Wenn ein Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet ist, müssen die Verantwortlichen innerhalb von drei Wochen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragen. Der Bundestag hatte aber bereits Ende März das Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) beschlossen: Die Drei-Wochen-Frist wurde bis zum 30. September ausgesetzt. Die Firmen sollten die Gelegenheit bekommen, sich mit staatlichen Hilfen zu sanieren.

Mit dem neuen Gesetz soll diese Regelung nochmal bis zum 31. Januar 2021 verlängert werden, allerdings nur für überschuldete Firmen: Wer bereits zahlungsunfähig ist, muss bereits seit dem 1. Oktober wieder Insolvenz beantragen.

Hinter der Verlängerung steht der Gedanke, dass in vielen Fällen die Überbrückungshilfen für November und Dezember noch nicht ausbezahlt sind. Würde sich ein Unternehmen allein deswegen überschulden und einen Insolvenzantrag stellen müssen, würden die staatlichen Hilfen ad absurdum geführt. Wichtig ist aber: Die drohende Überschuldung darf nur aufgrund der Maßnahmen wegen der Corona-Pandemie entstanden sein.

Wie ist die aktuelle Situation?

Schaut man auf die gemeldeten Insolvenzen in diesem Jahr, spiegeln sich die Folgen der Corona-Pandemie noch nicht wieder: Derzeit liegen die Zahlen deutlich unter jenen aus den Vergleichszeiträumen im Vorjahr. Das Statistische Bundesamt erfasste im Juli 1369 Insolvenzanträge - das ist ein Rückgang von 16,7 Prozent gegenüber 2019. Auf die ersten sieben Monate des Jahres gerechnet, gab es ein Minus von 7,8 Prozent.

Experten fürchten, dass mit der ausgesetzten Pflicht Firmen künstlich am Leben gehalten werden, die ohnehin unwirtschaftlich sind, etwa weil ihr Geschäftsmodell veraltet ist. Sie sprechen von Zombie-Firmen, die zwar noch staatliche Hilfen kassieren, um dann doch das Zeitliche zu segnen, nur eben mit Verspätung.

Wer profitiert von dem neuen Gesetz?

Inhalt ist etwa ein Restrukturierungsplan, der es Unternehmen ermöglicht, eigene Maßnahmen für eine Sanierung zu entwickeln und mit den Gläubigern abzustimmen, falls Zahlungsunfähigkeit droht. Bisher war das meist nur unter dem Schirm eines Insolvenzverfahrens möglich, das alle wesentlichen Entscheidungen in die Hände eines Insolvenzverwalters legt. Vor allem reicht es zukünftig aus, wenn nur eine Mehrheit der Gläubiger dem Plan zustimmt. Mit Schritten werde die Sanierungsfunktion des Insolvenzrechts "gestärkt und ein wichtiger Impuls für eine echte Sanierungskultur gesetzt", so der Vorsitzende des Verbands der Insolvenzverwalter VID, Christoph Niering.

Wem hilft es eher nicht?

Der Insolvenzrechtler Stephan Madaus, der an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg lehrt, sieht aber vor allem Probleme für kleine und mittlere Unternehmen, all jenen also, bei denen die Liquiditätshilfen unter Umständen nicht reichen. "Wir haben ein Corona-Dilemma: Firmen sind formal insolvent, weil ihr Geschäftsmodell zumindest zurzeit nicht funktioniert." Es könne aber niemand sicher einschätzen, ob dieses Geschäftsmodell nach Ende der Pandemie nicht doch wieder wirtschaftlich ist. Hofft ein überschuldetes oder zahlungsunfähiges Unternehmen auf eine Sanierung, muss im Schutzschirmverfahren ein Insolvenzplan binnen dreier Monate erstellt werden, der genau solch eine Prognose enthält - was Madaus im Winter 2020/21 als unrealistisch kritisiert.

Der Jurist, der im November auch als Sachverständiger im Justizausschuss auftrat, hätte sich ein Corona-Moratorium gewünscht. Ein Modell also, das kleineren Firmen ermöglicht, sich in eine Art finanziellen Winterschlaf zu begeben, und das die Entscheidung über eine mögliche Insolvenz rechtssicher verschiebt. Mit dem neuen Gesetzespaket gebe es nun zwar weiter die Möglichkeit, ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung zu beantragen, aber mit denselben Fristen, die auch unter Normalbedingungen gelten. Drängen Gläubiger auf eine Entscheidung, könne gerade kleinen Betriebe mit wenig Gestaltungsspielraum die Zerschlagung drohen.

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