Hollywood:Klappe, die nächste

Lesezeit: 3 min

Ari Emanuel ist eine Legende in der Filmstadt - und trotzdem musste seine Künstleragentur WME jetzt den Börsengang absagen.

Von Jürgen Schmieder

Wer wissen will, was am Donnerstag in den Büros der Künstleragentur Williams Morris Endeavor (WME) los gewesen sein muss, dem sei die Zusammenstellung der tollsten Momente von Ari Gold in der TV-Serie "Entourage" empfohlen. Die Figur ist aufbrausend, herablassend, rücksichtslos, rabiat, böswillig, missmutig, ausfallend, sexistisch - oder wie sie in Hollywood dazu sagen: der perfekte Manager. Er kümmert sich rührend um seine Klienten, vor allem aber macht er sie stinkreich. Und er hat ein reales Vorbild: WME-Chef Ari Emanuel, 58.

Der Mann ist eine Legende in Hollywood, und er ist in den vergangenen Jahren wegen der Verschiebung der Kontinentalplatten der Unterhaltungsbranche noch ein bisschen mächtiger geworden. Er vermittelt kreative Leute an die richtigen Plattformen, die derzeit um Filmautoren und Showrunner buhlen wie selten zuvor. David Benioff und D. B. Weiss (Macher der Serie "Game of Thrones") haben für insgesamt 250 Millionen Dollar bei Netflix unterschrieben, "Modern Family"-Erfinder Steve Levitan für 150 Millionen bei 20th Century Fox TV. Phoebe Waller-Bridge, als Chefin und Hauptdarstellerin von "Fleabag" eine der Gewinnerinnen der Emmy-Verleihung, wird von Amazon Prime für drei Jahre mehr als 50 Millionen Dollar bekommen.

Es hieß zunächst, dass WME beim geplanten Börsengang am Freitag - dem ersten einer Hollywood-Agentur - mehr als 600 Millionen Dollar einnehmen und so mit acht Milliarden Dollar bewertet werden könnte. Einen Tag vor dem geplanten Start wurde der Börsengang nun allerdings abgesagt, man kann sich vorstellen, wie Emanuel nun vielleicht durch den Firmensitz auf dem Rodeo Drive in Beverly Hills läuft und jeden anbrüllt, der es wagt, die gleiche Luft einzuatmen.

"Wir werden beobachten, wie der Markt sich entwickelt, dann werden wir einen Zeitpunkt für den geplanten Börsengang finden", heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens. Noch vor zwei Wochen hatte das Unternehmen mehr als 19 Millionen Anteile zu einem Preis von mehr als 30 Dollar ausgeben wollen, dann hieß es: 15 Millionen Aktien zum Ausgabepreis von 27 Dollar. Die 405 Millionen Dollar wären genug gewesen, um einen am 11. September fälligen Kredit zu bedienen. Nun kam kurz vor dem Start die Absage, die Hollywood in Aufruhr versetzt.

Es geht dabei weniger um die Nervosität an der Wall Street, die dafür gesorgt hat, dass der Börsengang der zuvor arg gehypten Fitnessfirma Peloton am Donnerstag desaströs verlaufen ist; der Aktienkurs ist um mehr als elf Prozent unter den Ausgabepreis von 29 Dollar gefallen. Der Mutterkonzern des Büroflächenvermieters We Work hatte seinen Börsengang vor wenigen Wochen ebenfalls verschoben. Auf diese Nervosität beruft sich WME nun bei seiner Absage, in Hollywood dagegen werten sie das ein bisschen anders, es gibt viele unbeantwortete Fragen zu WME. "Das ist ein heftiger Schlag für Ari, es dürfte seinem Ruf schaden", sagt der Investmentbanker Lloyd Greif: "Ich bin gespannt, was nun passieren wird und wie das Unternehmen an frisches Kapital gelangen will."

Durch kostspielige Zukäufe wie die Mode- und Sportleragentur IMG (2,4 Milliarden Dollar) und den Kampfsport-Verband Ultimate Fighting Championship (vier Milliarden) sind die Schulden auf insgesamt 7,2 Milliarden Dollar gestiegen, dem ein Bargeldbestand von nur 830,9 Millionen Dollar gegenübersteht. Emanuel hat aus WME eine eierlegende Wollmilchsau der Unterhaltungsbranche gemacht, nur: Seit einem halben Jahr gibt es einen Streit zwischen Drehbuchautoren und deren Agenturen, in dessen Zentrum auch WME steht, das sich seit 2017 über die Tochterfirma Endeavor Content an Produktionen beteiligt. Sehr vereinfacht ausgedrückt: WME verhandelt als Agent eines Autors mit dem möglichen Auftraggeber Endeavor Content - also mit sich selbst. "Das kann nicht funktionieren", heißt es in einem Statement der Autorengewerkschaft WGA, mehr als 1400 Autoren haben sich von WME getrennt, und WGA glaubt, dass ein Börsengang vor einem Ende des Streits zu riskant sei: "Der Aufschub zeigt, dass die möglichen Investoren derzeit nicht denken, dass WME beide Geschäftsfelder bedienen sollte."

Bei den Autoren herrscht erst einmal Erleichterung darüber, dass der Börsengang verschoben worden ist. John August ("Big Fish", "Charlie's Angels"), wegen des Streits von der Agentur UTA - die über ein Joint Venture mit Media Rights Capital ebenfalls als Produzent tätig ist - zu Verve gewechselt, das die Bedingungen der Gewerkschaft bereits akzeptiert hat, sagt: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Agentur sowohl Künstler als auch Investoren bedienen kann."

Es gibt in "Entourage" eine Szene, in der Ari Gold durch seine Agentur läuft und jeden mit einer Paintball-Knarre abschießt, den er feuern will. Gut möglich, dass Ari Emanuel am Donnerstag so etwas auch getan hat.

© SZ vom 28.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: