HNA, Fosum, Anbang:Investoren mit Parteibuch

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Es geht nicht nur um die Deutsche Bank: Konzerne aus China stecken viel Geld in den Finanzsektor. Damit wollen sie sich Wissen und Einfluss sichern.

Von Stephan Radomsky, Andrea Rexer und Meike Schreiber, Frankfurt/München

Das Tempo ist beeindruckend, selbst nach den Maßstäben des Finanzmarkts: Von null auf größter Einzelaktionär der Deutschen Bank in nicht einmal drei Monaten. Genau das hat der chinesische Mischkonzern HNA geschafft. Seit ein paar Tagen gehören ihm fast zehn Prozent an einem der größten und wichtigsten Kreditinstitute in Europa. Spätestens damit ist China endgültig angekommen im Zentrum des globalen Finanzkapitalismus. Und genau da wollen sie hin.

Auf den ersten Blick mögen die Zukäufe chinesischer Konzerne wie HNA, Fosun oder Anbang in Europa rätselhaft wirken: eine Minderheitsbeteiligung hier, eine Übernahme in der zweiten oder dritten Reihe dort. Auf diese Art aber kaufen sich die Investoren den Zugang und das Know-how, das sie für ihre globale Expansion dringend benötigen, die sie in ihrer durch strenge Kapitalausfuhrkontrollen weitgehend von den globalen Börsen abgeschirmten Heimat womöglich nicht selbst aufbauen können. China verschafft sich so eine Basis auf den westlichen Finanzmärkten, ohne dass die chinesische Regierung ihre Politik ändern müsste.

John Cryan, Chef der Deutschen Bank, hat es jetzt mit einem neuen Großaktionär aus China zu tun - eine Bedrohung? (Foto: Krisztian Bocsi/Bloomberg)

Zugleich machen sich die Konzerne durch ihre Zukäufe unabhängiger von Peking. Um die massive Kapitalflucht und die Ausfuhr von Devisen aus dem Land einzudämmen, hatte die Regierung dort Ende November die Regeln für Übernahmen verschärft. Grundsätzlich darf kein Zukauf chinesischer Firmen im Ausland derzeit teurer als zehn Milliarden Dollar sein. Chinesische Investoren suchen womöglich auch deshalb hiesige Banken. Zwar kämen sie auch ohne eigenes Kreditinstitut an die nötigen Darlehen für Projekte in Europa und Amerika - müssten dafür aber wohl hohe Sicherheiten bieten.

Es geht also um Einfluss, ums Geschäft und ums Lernen. All das dürfte HNA mit dem Engagement bei der Deutschen Bank mit Leben füllen können. So durfte der neue Großaktionär bereits einen Vertreter in den Aufsichtsrat entsenden. Ein solches Mandat bietet nicht nur den direkten Kontakt zu den Vorständen, sondern exklusiven Einblick in zahlreiche Geschäftsgeheimnisse der Bank.

Das Engagement in Frankfurt sei langfristig, so hat HNA es immer wieder verlauten lassen, zugleich solle der Anteil an der Bank dauerhaft unter zehn Prozent bleiben. Mehr würde HNA wohl auch eine genauere Prüfung durch die Aufsicht einbringen - sowohl in Deutschland und Europa als auch in den USA, wie es von Branchenbeobachtern heißt. Streng genommen prüft die Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank Großaktionäre von Banken erst ab einer Beteiligung von zehn Prozent. Dann kann sie den Einstieg sogar verbieten. Es gehe bei der Beurteilung neuer Investoren vor allem um deren Zuverlässigkeit, sagte zuletzt Felix Hufeld, der Chef der Finanzaufsicht Bafin, in einem SZ-Interview. "Das ist ein breiter Begriff, da geht es nicht nur um deren Kontostand."

"Unser Investor lässt uns freie Hand bei der Strategie."

Die Zehn-Prozent-Schwelle und damit die Prüfung will HNA vermutlich vorerst vermeiden. Im Kleingedruckten der EZB-Regeln heißt es zwar, dass die Aufsicht auch bei kleineren Beteiligungen ein Prüfverfahren eröffnen kann, etwa wenn ein Aktionär einen "besonderen Einfluss" ausübt. HNA scheint jedoch um eine solche Prüfung herumzukommen. Weder die EZB noch HNA wollen sich dazu äußern. Da HNA derzeit aber auch an einer Übernahme der HSH Nordbank interessiert ist, müssten die Chinesen ein solches Verfahren spätestens dann durchlaufen, wenn sie den Zuschlag für die zum Verkauf stehende Landesbank mit Sitz in Hamburg bekämen. Immerhin: Es wäre nicht das erste Beispiel für die Komplettübernahme eines Instituts durch Investoren aus Fernost. In Deutschland machte vergangenes Jahr Fosun mit dem Kauf der traditionsreichen Münchner Privatbank Hauck und Aufhäuser den Anfang. Die Finanzaufseher hatten die Übernahme längere Zeit geprüft, aber schließlich doch genehmigt.

"Unser Investor lässt uns freie Hand bei der Strategie. Fosun mischt sich nicht ein, sondern will vor allem von uns lernen", sagt der Vorstandssprecher von Hauck und Aufhäuser, Michael Bentlage, über die neuen Eigentümer. Anstatt eigene Pläne vorzulegen, fragten die Chinesen die deutschen Banker zunächst, welche Strategie sie einschlagen wollten. Ein krasser Kontrast für viele, die wissen, wie stark Franzosen, Amerikaner oder Italiener bei Töchtern im Ausland durchgreifen. Auch personell setzte Fosun auf Kontinuität: Die Führungsriege wurde im Amt belassen, erst im Februar 2017 wurde Bentlage aus dem bis dahin gleichberechtigen Führungstrio zum Vorstandssprecher bestimmt.

Nur zusehen wollen die chinesischen Investoren aber nicht. So musste dem Vernehmen nach im Aufsichtsrat der Deutschen Bank in aller Eile Platz für den HNA-Vertreter geschaffen werden und deshalb ein anderer Aufsichtsrat überredet werden, sein Mandat nicht zu verlängern - und das Wochen, bevor HNA den Anteil von 4,8 auf 9,9 Prozent aufstockte. Üblicherweise können Aktionäre in Deutschland erst ab zehn Prozent einen eigenen Sitz im Aufsichtsrat beanspruchen.

Und auch Fosun verfolgt ein strategisches Ziel, selbst wenn sich der Investor nicht zu sehr in die Details der Strategie einmischt: Konzernlenker Guo will in Europa ein Finanzökosystem schaffen, die Beteiligungen sollen voneinander profitieren - unabhängig vom stark beschränkten Heimatmarkt in China. Es ist deshalb kein Geheimnis, dass Fosun auf der Suche ist nach weiteren geeigneten Investitionszielen in Europas Finanzwelt.

© SZ vom 05.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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