Hilfe für Opel:Rüsselsheimer Legenden

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Die Opel-Mitarbeiter sollten sich nicht auf die Politiker verlassen, denn die reden viel, wenn Wahlen vor der Tür stehen. Und sie sollten ihre Chefs statt zur Kanzlerin lieber nach Asien schicken - um dort solvente Investoren aufzutreiben.

Karl-Heinz Büschemann

Manchmal fragt man sich, was schlimmer ist, die Krise des Autoherstellers Opel oder das, was über dieses Unternehmen in der Öffentlichkeit erzählt wird. Viele fühlen sich aufgerufen, das Schicksal der deutschen Tochter des amerikanischen Autokonzerns General Motors (GM) mit ihren 25.000 Mitarbeitern zu kommentieren. Vor allem was die Politiker von sich geben, dient aber mehr der Bildung einer Legende als der Hilfe für ein strauchelndes Unternehmen.

Opel auf Halde: In Rüsselsheim warten Neufahrzeuge auf Käufer. (Foto: Foto: ddp)

Die erste Legende ist, bei Opel handele es sich um ein im Grunde gesundes Unternehmen, das bedauerlicherweise von einer unfähigen Muttergesellschaft in Gefahr gebracht wird. Neben Kanzlerin Merkel strickt auch Wirtschaftsminister Michael Glos, der noch am Wochenende der Meinung war, Staatsgeld für Opel wäre falsch und würde nur weitere Begehrlichkeiten wecken, an diesem Mythos mit. Ohne GM gäbe es bei Opel kein Problem, sagen sie.

Ebenso unsinnig ist die Behauptung, man könne Opel mit Staatsgeld helfen, ohne dass Mittel an die Muttergesellschaft abflössen. Wer so etwas behauptet lügt sich selbst in die Tasche. Opel ist zu 100 Prozent im Besitz von GM. Die Grenzen zwischen den Organismen sind fließend. Wenn, wie behauptet, die Mutter die deutsche Tochter in Schwierigkeiten brachte, weil sie die Rechnungen von Opel nicht bezahlte, wird sie auch keine Hemmungen haben, weiter in die Rüsselsheimer Kasse zu greifen.

Die dritte Legende ist, man müsse Opel nur aus dem GM-Konzern herauslösen, schon wäre die Hilfe leicht und Opel gesichert. Leider ist auch das leichter gesagt als getan. Opel gehört seit 1929 zu GM. Gerade in den zurückliegenden Jahren wurde klar, dass die Tochter nur ein Rad in einem weltweiten Getriebe ist. Opel entwickelt Autos für den Konzern. Andere nationale GM-Töchter tragen zu den Autos bei, die in Deutschland vom Band rollen. Opel kauft Stahl und andere Teile im GM-Verbund ein und kann Kostenvorteile nutzen, die das Unternehmen allein nicht hätte.

Es ist zwar richtig, dass GM der Konzern ist, der das Missmanagement erfunden zu haben scheint und damit auch zu den Problemen von Opel beitrug. Aber ohne GM kann Opel nicht leben. GM würde die europäische Gesellschaft auch sicher nicht ziehen lassen. Das wäre nur denkbar, wenn ein Investor, der die Marke weiter nutzen möchte, sehr viel Geld dafür auf den Tisch legen würde. Die Übernahme durch einen Investor wäre schwierig, aber nicht unmöglich.

Denn der Name Opel hat stark gelitten. Die Kunden reißen den Opel-Händlern ihre Astras oder Corsas nicht eben aus den Händen. Es ist besonders tragisch, dass Experten den Rüsselsheimer Autos gute Noten erteilen, gleichzeitig aber die Käufer anderen Fabrikaten den Vorzug geben. Die Zahlen vom Markt belegen diese Abwendung der Kunden gnadenlos. Opel hatte in Deutschland Anfang der siebziger Jahre noch einen Marktanteil von mehr als 20 Prozent. Heute sind es noch gut acht Prozent.

Opel hat ein großes Problem. Die Politiker werden sich daher im Wettlauf um die Rettung ein blaues Auge holen, ohne den Mitarbeitern zu helfen. Heute redet die Kanzlerin genauso wie ihr Vorgänger Gerhard Schröder, der 1999 den Baukonzern Holzmann mit der Begründung retten wollte, man könne das Unternehmen sanieren. "Wir haben die Chance, das Unternehmen am Leben zu erhalten", sagte er damals. Die Sache ging bekanntlich schief und löste viel Verdruss aus.

Die bedauernswerten Mitarbeiter von Opel, die vor allem seit den 90er Jahren von der Muttergesellschaft eher schlecht als recht behandelt wurden und die sich um ihre Arbeitsplätze sorgen, sollten sich nicht auf die Politiker verlassen. Die reden viel, wenn Wahlen vor der Tür stehen. Sie sollten ihre Chefs und den Betriebsratsvorsitzenden statt zur Kanzlerin lieber nach Asien schicken, um dort solvente Investoren aufzutreiben. Die könnten im Zweifelsfall zwar auch nicht die ganze Belegschaft retten, aber vielleicht wenigstens Teile davon. Ansonsten können sie nur noch darauf hoffen, dass die Mutter doch noch rechtzeitig die Kurve kriegt.

© SZ vom 19.11.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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