Heizöl:Höchstpreise zahlen - oder frieren

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Der Liter Heizöl kostet fast ein Drittel mehr als noch im vergangenen Jahr. Viele Münchner haben auf billigeren Brennstoff gehofft und mit dem Auffüllen ihrer Tanks gewartet - vergeblich.

Von Mike Szymanski

Die Preise für Heizöl sind so hoch wie nie - der Liter kostet fast ein Drittel mehr als noch im vergangenen Jahr. Viele Münchner Haushalte haben auf billigeren Brennstoff gehofft und mit dem Auffüllen ihrer Tanks gewartet - vergeblich. Jetzt, vor dem Winter müssen sie bis zu 57 Cent für den Liter bezahlen. Der Verband der Energieverbraucher rechnet mit weiterhin steigenden Preisen.

Als Jürgen Woltz nachts aufwachte, ahnte er, dass die Wirren der Weltwirtschaft nun auch sein kleines Holzhaus in Lochhausen erreichen würde. Er drehte sich unruhig im Bett, denn ihm war plötzlich sehr kalt. Der 47-Jährige stieg die Treppe hinunter in den Keller und blickte auf seinen Heizkessel, der sich einfach abgeschaltet hatte.

Das Öl war ihm ausgegangen. Ausgerechnet jetzt, da es kalt wird in München und morgens der Atem schon kleine Wölkchen bildet. Ausgerechnet jetzt, da der Preis für Heizöl mal wieder einen neuen Höchststand erreicht hat - weil in Nigeria Ölarbeiter streiken.

Nachrichten wie diese interessieren Woltz für gewöhnlich herzlich wenig. Aber jetzt, als Michael Wäsler seinen großen Tanklaster in der schmalen Straße parkt, muss auch Woltz sich darüber Gedanken machen. Wäsler ist Brennstoffhändler und wird 1015 Liter Heizöl in den Tank füllen und 57 Cent für jeden einzelnen berechnen. Protestieren wird Woltz nicht, obwohl er im März nur 40 Cent hätte bezahlen müssen: "Ich brauche das Öl, sonst friere ich."

Wie dem Münchner Woltz geht es derzeit offenbar vielen der mehr als eine Million Haushalte in Bayern, die ihre Heizkessel mit Öl befeuern. Nach Angaben des Verbandes Bayerischer Brennstoffhändler sind zahlreiche Bürger gezwungen, das Heizöl zu Höchstpreisen abzunehmen.

Die Münchner Preise liegen zeitweise sogar leicht über dem bundesdeutschen Schnitt.

Die Sommermonate über hatten Verbraucher mit Käufen gewartet und auf sinkende Preise gehofft. Stattdessen mussten sie mitansehen, wie die Preise ins Astronomische stiegen. Gerade erst hat der Preis für ein Barrel Rohöl (159 Liter) die Angst-Marke von 50 Dollar überschritten. Nun lässt der nahende Winter Verbrauchern aber keine Wahl mehr. "Die Nachfrage nach Heizöl ist gestiegen", sagt Uwe Klemm, Geschäftsführer des Verbandes. Die 50 Brennstoffhändler in München seien derzeit gut ausgelastet.

Michael Wäsler, 56, hat für diesen Dienstag zwölf Kunden auf seiner Liste stehen. "Mit jedem Tag wird das Geschäft hektischer", sagt er und wuchtet das Ende eines Schlauchs, der so dick wie ein Unterarm ist, auf die Schulter. "Die Kunden werden leer", sagt er. So nennt man das in der Branche, wenn das Heizöl auszugehen droht. Während er den Motor anwirft und den Tank des Kunden befüllt, sitzen seine Frau und sein Sohn im Büro in der Pippinger Straße und koordinieren weitere Aufträge.

In den 22 Jahren, in denen Wäsler den Brennstoffhandel der Familie führt, hat er aber eine Situation wie in diesem Jahr noch nicht erlebt. "Die Kunden sind verunsichert", sagt er. Der Ölpreis reagiere hochsensibel. "Kündigt sich irgendwo ein Hurrikan an, werden Fördertürme abgestellt, und der Preis schnellt in die Höhe", sagt Wäsler. "Früher hat uns das nicht interessiert." Aber das Öl schmiert die Wirtschaft.

Selten wurde das so deutlich wie jetzt. Steigt der Preis, sinken Aktienkurse, sehen Konjunkturforscher einen Aufschwung in weite Ferne rücken, und der Verbraucher darf mehr zahlen: fürs Heizen, fürs Autofahren, fürs Fliegen. China etwa frisst nicht nur Stahl für sein enormes Wachstum, sondern auch Öl und treibt damit die Marktpreise hoch.

Krisen wie etwa im Irak oder eine latente Terrorangst nähren Befürchtungen, einmal nicht an den begehrten Rohstoff rankommen zu können. Uwe Klemm vom Brennstoffhandel-Verband sieht noch einen anderen Grund für die anhaltend hohen Preise: "Der Ölhandel ist zu einem Spekulationsgeschäft geworden." Die Preise würden auch künstlich in die Höhe getrieben.

Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher wird deutlicher : "Mit Erdöl wird gezockt." Er nimmt Verbrauchern jede Hoffnung auf sinkende Preise und rät dazu, Heizöl jetzt einzukaufen. "Die Preise werden weiter steigen", sagt er. Rohöl sei schon jetzt "ein knappes Gut".

Er fürchtet, dass sich der Preis in den kommenden Jahren sogar vervielfachen könnte. Verbrauchern bliebe nichts anderes übrig, als ihre Heizungen zu optimieren. "Die Anlage muss optimal eingestellt werden." Die Leistung könne etwa bei moderneren Kesseln automatisch an die jeweilige Außentemperatur angepasst werden. Auf Dauer rentiere es sich auch, wenig benutzte Räume niedriger zu beheizen und die Außenwände und das Dach besser zu isolieren. "Dafür gibt"s Darlehen", sagt Peters.

Auch Erika Marx, heute die zweite Kundin von Brennstoffhändler Wäsler, wird darüber nachdenken müssen, ihren Energieverbrauch zu senken. Die Fenster lasse sie ohnehin schon nicht allzu lange offen stehen. Die vergangenen Monate hatte auch sie auf sinkende Preise gehofft. Im März noch schlug sie den Liter Heizöl für 34 Cent aus, weil ihr das zu teuer vorkam.

Heute muss sie 54 Cent dafür zahlen. "Man mag ja nicht erfrieren", sagt Erika Marx. 2500 Liter lässt sie in ihren Tank füllen, gerade soviel, dass sie damit über den Winter kommt. Im Frühjahr, hofft sie, fallen die Preise wieder. "Es wird doch nicht noch teurer, oder?" fragt sie Wäsler. Er sagt: "Ich glaube schon."

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