Heiße Geschäfte mit Kaminöfen:Kalt und warm

Lesezeit: 6 min

Wer einen Kaminofen kaufen will, kann einige böse Überraschungen erleben - auch wenn der Lieferant so bekannt ist wie die Firma Kago.

Uwe Ritzer

Selbst als der Verkäufer ihnen bis in die Kinderklinik nachrannte, wurde Markus Steiner nicht misstrauisch. "Ich dachte, der meint es gut mit uns", sagt er. Es war ein harter Tag gewesen. Am Vormittag war sein fünfmonatiger Sohn Jonathan stundenlang operiert worden. Die Ärzte hatten die nervösen Eltern weggeschickt. Astrid und Markus Steiner gingen spazieren und kamen an einem Kachel- und Kaminofengeschäft der Firma Kago vorbei. Warum nicht reingehen, sich umschauen und unverbindlich informieren?

Die Geschäftspraktiken von Kaminofen-Herstellern sind umstritten. (Foto: Foto: ddp)

Zu Hause stand das künftige Eigenheim im Rohbau. "Kaum waren wir im Laden, hat uns der Verkäufer pausenlos zugelabert", schildert Markus Steiner. "Trotzdem wirkte der Typ irgendwie sympathisch." Erst recht, als er erfuhr, warum das Lehrerehepaar eigentlich in Augsburg war. "Da hat er sich als mitfühlender Familienvater gegeben", sagt Markus Steiner. Gut drei Jahre später ärgern er und seine Frau sich noch immer darüber, "wie wir damals über den Tisch gezogen wurden."

Drei Jahre später hat die junge Familie ihr kleines, hübsches Häuschen am Rande eines fränkischen Dorfes bezogen. Im hellen Wohnzimmer lodern Flammen hinter der Frontglasscheibe des Kaminofens, den sie damals erstanden haben. Kuschelromantik kommt trotzdem nicht auf. Der Ofen wärmt nur mäßig, und die Gemütslage der Hausherren wird ohnehin frostig, sobald das Gespräch auf Kago kommt, einen der größten Hersteller von Kamin- und Kachelöfen in Europa.

Phantastische Rabatte

Mit immer phantastischeren Rabatten habe der Augsburger Kago-Verkäufer sie gelockt, erzählen die Steiners. "Aber immer nur mit dem strikten Vorbehalt, dass wir den Kaufvertrag sofort unterschreiben müssten." Mehr als tausend Euro Preisnachlass für eine schnelle Entscheidung. "Man fühlt sich in dieser Situation psychologisch gewaltig unter Druck", sagt Markus Steiner. Bauherren schauen schließlich auf jeden Cent.

Daraus schlägt Kago geschickt Kapital. Die Ofenfirma aus Postbauer-Heng bei Nürnberg, die bevorzugt in den Toiletten von Autobahnraststätten und an Gartenzäunen wirbt, steht seit Jahren wegen umstrittener Verkaufspraktiken in der Kritik. Von üblen Drückermethoden ist die Rede. Davon, dass Kunden mit hohen Scheinrabatten zur sofortigen Unterschrift verführt würden. Später kämen sie aus den juristisch wasserdichten Verträgen nur gegen hohe Abstandssummen heraus.

"Die Methoden sind nicht besonders verbraucherfreundlich, aber im Rahmen des gesetzlich Zulässigen", sagt der Göttinger Rechtsanwalt Walter Schmidt, der nach eigenen Angaben in "bestimmt 50 bis 60 Fällen pro Jahr" Mandanten gegen Kago vertritt. "Die Firma ist bei uns unter ständiger Beobachtung", sagt Markus Saller, Rechtsexperte der Verbraucherzentrale Bayern. Die Kritik ist allerdings weniger geworden.

Interessante Methoden

Vielleicht auch deshalb, weil Firmenanwälte auf Betreiber von Internetforen für verärgerte Kunden sowie allzu kritische Schreiber losgingen. Die hässlichen Vorwürfe passen so gar nicht zum Wirtschaftswundermärchen aus der deutschen Provinz. In dem wähnt sich, wer das Reich des von der Zeitschrift Bunte zum "deutschen Kachelofen-König" gekrönten Karl-Heinz Kago besucht. Der 66-Jährige empfängt standesgemäß in einem Wasserschloss, das er 2004 im französischen Loire-Stil erbauen ließ. In der 7500-Einwohner-Gemeinde Postbauer-Heng in der Oberpfalz wirkt es allerdings exotisch.

Auch Kagos Lebenslauf klingt imposant. 1968 als Karl-Heinz Gonschorowski aus der DDR geflohen, machte sich der Fabrikschornsteinmaurer 1972 selbständig. Er nannte seine Firma und später auch sich selbst Kago. Seine Firma zählte zeitweise 2000 Mitarbeiter und unterhält aktuell mehr als 80 Verkaufsstellen in ganz Deutschland sowie weitere im benachbarten Ausland. Von 25.000 Neukunden pro Jahr ist die Rede. Angeblich hat sich der Firmengründer vor anderthalb Jahren aus der Geschäftsführung zurückgezogen und diese seinem Adoptivsohn Pierre übertragen. Im Internet tritt "Senator h.c. Dr. h.c. UMB Karl-Heinz Kago", wie er sich nennt, allerdings noch immer als Konzernvorstand und geschäftsführender Gesellschafter auf.

Die Erfolgsgeschichte des schillernden Unternehmers hat inzwischen auch dunkle Flecken. Mehrere Vorstrafen schlagen zu Buche. Vor einem Jahr wurde Kago wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. In seinem Schloss hatte man ein stattliches Arsenal illegaler, großkalibriger Schießeisen gefunden. Derzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn, weil er litauische Schwarzarbeiter beschäftigt haben soll. Und auch von ehemaligen Mitarbeitern gibt es hässliche Vorwürfe.

Keine guten Erinnerungen

So heizt zwar ein Kachelofen Erwin Schneiders Wohnzimmer, "aber der ist bestimmt nicht von Kago", betont der Hausherr. Schneider, 53, sitzt in der Essecke und spricht über seine "moralischen Bedenken, zu Kunden nicht ehrlich zu sein." Bis 2004 war er Verkäufer in der Kago-Filiale im oberfränkischen Forchheim. Der Mann mit Stirnglatze, buschigen Augenbrauen und einer festen, unaufgeregten Stimme ist im Unfrieden von Kago geschieden. Seither streiten beide Seiten außerhalb und in Gerichtssälen über ausstehende Provisionszahlungen. Kago will zudem durchsetzen, dass Schneider nicht mehr öffentlich über die Firma spricht.

Doch der sagt, er lasse sich "nicht den Mund verbieten, denn ich sage nur die Wahrheit". Vier Jahre lang arbeitete Erwin Schneider ebenso wie viele seiner Kollegen als selbständiger Handelsvertreter für Kago - rein auf Provisionsbasis. Das hieß: Wer nichts verkauft, verdient auch nichts. Kago habe Druck auf die Verkäufer ausgeübt, sagt Schneider. "Wer nicht genügend verkaufte, musste zur Nachschulung." Im Verkauf wurde mit harten Bandagen gearbeitet. "Den Kunden wurden von vornherein falsche Preise vorgegaukelt", sagt Schneider. Auf Druck von oben.

Bei Kago spricht man von einem Einzelfall. Wenn Schneider so gehandelt habe, "verurteile und missbillige" man dies. Er habe seine Freiräume "ganz offensichtlich zu Lasten seines Vertragspartners missbraucht." Schneiders Vertragspartner war streng genommen nicht Kago, sondern die Uni-Vertriebs AG mit Sitz in Oberwangen im Schweizer Kanton Thurgau. Sie arbeitet eng mit Kago zusammen. Manche sagen, die Firmen seien verflochten. Die Uni-Vertriebs AG reagierte auf SZ-Anfragen nicht. Ein Kago-Sprecher teilte mit, die Uni-Vertriebs AG sei "neben zahlreichen Baumärkten und Fachhändlern" nur ein Vertriebspartner von vielen.

Jeder Partner organisiere selbständig den Vertrieb, schule den Außendienst und habe "dafür Sorge zu tragen, dass seriös und lauter verkauft wird". Ex-Verkäufer können sich über so viel angebliche Distanz nur wundern. "Lucie Kago beherrscht die Uni-Vertriebs AG", behauptet Erwin Schneider. Was die Ehefrau von Karl-Heinz Kago über einen Sprecher prompt dementieren lässt. Ansonsten bleibt ihre Rolle im Dunkeln. Zu konkreten Hinweisen, wonach sie persönlich Verkäufer der Uni-Vertriebs AG schult, blieb Kago auf SZ-Anfrage die Antwort schuldig.

Man ist sich generell keiner Schuld bewusst. Scheinrabatte als Köder für sofortige Unterschriften? Im Einzelfall würden Preisnachlässe eingeräumt, "aber ausschließlich im Rahmen des gesetzlich Zulässigen", heißt es. Unlauterer Druck? "Kundenzufriedenheit hat für uns absolute und uneingeschränkte Priorität." Keine Auskunft gibt es zum vierseitigen "Leitfaden" für Verkäufer, den Erwin Schneider aus einer schwarzen Uni-Vertriebs-Mappe zieht.

Teilweise im Wortlaut gibt das Papier den Verkäufern vor, wie sie Kunden bearbeiten sollen. Wie man ihnen zuerst die Kosten für die vermeintlich einfachste und anschließend für die angeblich höchstwertige Ofenausstattung vorrechnet. Um dann großzügig die beste Variante zum Preis der günstigsten anzubieten, gegen sofortige Unterschrift. Wer obendrein die Adressen zweier Bekannter liefert, erhält einen Rabatt. Ebenso, wer ein Kago-Werbeschild an seinen Gartenzaun schraubt.

Genaueste Vorgaben

"Bei negativer Reaktion", so steht im Leitfaden, solle man dem Kunden sagen: "Natürlich müssen Sie verstehen, dass für diese Werbeaktion nur ein gewisses Werbebudget zur Verfügung steht." Das, sagt Erwin Schneider, sei "völliger Blödsinn." Der Ex-Vertreter kann viele Schmonzetten aus dem Alltag erzählen. Zum Beispiel über heimlich eingeschaltete Telefone am Verkaufstisch, damit der Kollege nebenan mithören und bei Bedarf zur gemeinsamen Bearbeitung des unschlüssigen Kunden anrücken kann. Oder von Scheinanrufen bei angeblichen Vorgesetzten, die immer damit endeten, dass dem Kunden ausnahmsweise doch noch ein Rabatt gewährt wird. "Der Markt ist so dreckig geworden, da versinken Sie tief im Schlamm", sagt Erwin Schneider. Er meint keineswegs nur Kago.

Denn in ihren Verkaufsmethoden steht die Firma nicht allein. Je teurer Strom, Öl und Gas werden, desto mehr Hausbesitzer wollen Energie sparen. Die Nachfrage nach sparsamen Heizsystemen oder Photovoltaikanlagen ist dementsprechend gestiegen, zumal es staatliche Zuschüsse gibt. Immer mehr Anbieter wollen mitverdienen, und im Kampf um die Kunden geht es nicht zimperlich zu. "Der Markt ist lukrativ und extrem hart umkämpft", sagt Eva-Maria Wendeler. Die Hessin hatte selbst Probleme mit einem Kaminhersteller. Über das Internet hat sie andere verärgerte Käufer gefunden und vernetzt - und dabei festgestellt, dass Kago vielleicht das bekannteste, "aber ganz sicher nicht das einzige schwarze Schaf ist."

Allerdings scheinen die ständigen Klagen in Postbauer-Heng inzwischen Wirkung zu zeigen. "In letzter Zeit musste ich keinen einzigen Prozess mehr gegen Kago führen", sagt Verbraucheranwalt Walter Schmidt. "Die Firma war selbst in den Fällen zu kulanten Lösungen bereit, wo wir rechtlich keine Chance hatten." Die neue Großzügigkeit schreibt er Pierre Kago zu. Mit dem Adoptivsohn könne man reden. Er habe offensichtlich "erkannt, dass er den Ruf von Kago verbessern muss."

Der Familie Steiner hat das nichts genutzt - ihr zeigte man die kalte Schulter. Die Steiners hätten ihren Ofen erhalten, bezahlt und damit sei der Fall erledigt, blockt Kago ab. Markus und Astrid Steiner sehen das anders: Nach hartnäckigem Werben des Verkäufers, der sie bis in die Kinderklinik verfolgt habe, um sein letztes, sein allerletztes Rabattangebot loszuwerden, hätten sie unterschrieben. Als sie später das Geschäft rückgängig machen wollten, forderte Kago eine Abstandszahlung von 1300 Euro. Der Vertrag war wasserdicht. Statt für gar nichts zu zahlen, nahmen die Steiners doch lieber den Ofen. Das Kago-Werbeschild hat Markus Steiner allerdings nicht am Zaun aufgehängt, "sondern mit der Axt zerhackt."

© SZ vom 3.1.2009/vw/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: