Heckler & Koch:Machtkampf in der Pulverfabrik

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Marinesoldaten mit Sturmgewehren von Heckler & Koch. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Beim Waffenhersteller will der Ex-Chef seine Mehrheitsanteile an eine Holding aus Luxemburg abtreten. Vorher zieht er noch gegen deren Widerstand in den Aufsichtsrat ein.

Von Stefan Mayr, Rottweil

Vor dem Badhaus der ehemaligen Rottweiler Pulverfabrik haben sich Friedensaktivisten aufgestellt, um gegen den Waffenhersteller Heckler & Koch zu demonstrieren. Ein Mann trägt eine Totenkopfmaske und schwarze Kleidung mit Skelettaufdruck. Er sitzt auf einem Thron, dessen Rückenlehne aus mehreren Plastik-Gewehrläufen gebastelt wurde. Im Arm hat er ein goldenes Plastikgewehr. "Waffenhandwerk schafft nur Unheil", steht auf einem Plakat.

Kundgebungen dieser Art sind bereits Routine vor öffentlichen Veranstaltungen der Waffenschmiede aus dem baden-württembergischen Oberndorf. Alles bleibt friedlich. Viel härter zur Sache geht es im Badhaus selbst, bei der außerordentlichen Hauptversammlung. Vor zwei Dutzend Aktionären und Aktionärsvertretern ist ein öffentlicher Machtkampf zu besichtigen, der tiefe und zum Teil auch kuriose Einblicke in das ansonsten überaus verschwiegene Unternehmen gibt.

Die Ausgangslage ist vertrackt: Die luxemburgische Finanzholding CDE will die Mehrheit der Anteilsscheine vom bisherigen Hauptaktionär Andreas Heeschen übernehmen. Dieses Projekt ist brisant, denn Heckler & Koch gilt als bedeutendster Kleinwaffenhersteller Deutschlands. Die Übernahme eines solchen Unternehmens durch ausländische Eigentümer muss die Bundesregierung genehmigen. Das Bundeswirtschaftsministerium prüft den Verkauf seit mehr als einem Jahr. Wann eine Entscheidung fällt, ist derzeit noch offen.

Die Wartezeit nützen Käufer und Verkäufer dazu, sich in aller Öffentlichkeit zu beharken. Heeschen will den Aufsichtsrat um einen Sitz erweitern und sich selbst in das Gremium wählen lassen, nur deshalb wurde dieses Aktionärstreffen am Donnerstag einberufen. Aber CDE lehnt die Aufblähung des Aufsichtsrats ab und will auch Heeschens Einzug in das Gremium verhindern. In ihren Anträgen geht die CDE massiv gegen Heeschen und den amtierenden Aufsichtsrat vor: Sie hat die Abwahl von Aufsichtsrats-Chef Harald Kujat beantragt, der sein Amt erst im Sommer auf Heeschens Wunsch angetreten hatte.

Beim Showdown sitzt Harald Kujat, General a.D. und ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr, lange Zeit stoisch auf dem Podium. Die Sitzungsleitung hat der 77-Jährige seinem Stellvertreter Martin Sorg übertragen, den ersten Fragen der sogenannten kritischen Aktionäre hören die beiden gelassen und regungslos zu. Aber als CDE-Vertreter Sebastian Ens am Rednerpult kritische Fragen zu Darlehen des Unternehmens an Heeschen als Privatmann und an seine Unternehmen stellt, wird Kujat sicht- und hörbar unruhig. Die Darlehen liegen zwar schon mehrere Jahre zurück. Dennoch wendet sich Kujats Kopf hektisch hin und her. Er flüstert seinen Nebensitzern Fragen zu. Dann redet er lauter werdend dazwischen. Ganz offensichtlich gefällt es ihm gar nicht, was der CDE-Mann am Rednerpult da erzählt.

Die Fragen legen nahe, dass Andreas Heeschen als ehemaliger Geschäftsführer das Unternehmen in die Krise gesteuert habe und unbesicherte Darlehen erhielt, die die Firma teilweise abschreiben musste.

Tatsächlich bestätigt der aktuelle Geschäftsführer Jens-Bodo Koch, dass in Heeschens Amtszeit von 2002 bis 2015 der Schuldenstand von 2,5 auf 295 Millionen Euro anwuchs. Er begründet diese Steigerung mit Investitionen, die im Zuge der Finanzkrise 2009 wertberichtigt werden mussten. Von den Darlehen an Heeschen und dessen Unternehmen musste einem Sprecher zufolge ein dreistelliger Millionenbetrag abgeschrieben werden. Ein kritischer Aktionär diagnostizierte deshalb eine "nicht kontrollierte Selbstbedienungsmentalität" und bezeichnete Heeschen als "nicht wählbar". Zudem bestätigt das Management, dass Heeschen bereits im Jahr 2015 mehr als zehn Millionen Aktien an die CDE verpfändet hat.

Andreas Heeschen lebt in London und scheut die Öffentlichkeit. Bei der Hauptversammlung ist der 59-Jährige nicht anwesend, obwohl er sich dort in den Aufsichtsrat wählen lassen will. Er hat einen Anwalt geschickt, der laut Aktionärsliste eine große Mehrheit der Stimmrechte vertritt.

Bei der Abstimmung wird Heeschen folgerichtig mit 90 Prozent der Stimmen in den Aufsichtsrat gewählt. Der CDE-Antrag auf Ablösung von Aufsichtsratschef Kujat wird ebenfalls mit 90 Prozent abgelehnt. Heeschen hat die erste Runde also gewonnen. Wie es aber weitergeht, wenn CDE die Mehrheit übernimmt, wird spannend. Nach der Hauptversammlung weist Heeschen in einer Telefonkonferenz den Vorwurf der Selbstbedienung "absolut" zurück, er habe durch die misslungenen Investitionen selbst Verluste gemacht. Heckler & Koch hat in den vergangenen Jahren tiefrote Zahlen geschrieben. Der Schuldenstand beträgt 236 Millionen Euro, laut Geschäftsbericht besteht ein "bestandsgefährdendes Risiko". Die 900 Mitarbeiter erklärten sich jüngst zu unbezahlter Mehrarbeit bereit, um das Fortbestehen zu sichern. Zuletzt hatte Heckler & Koch die Rückkehr in die schwarzen Zahlen verkündet.

Die Holding CDE hält nach eigenen Angaben 5,1 Prozent des Stammkapitals. Die Firma betont, sie habe einen "langfristigen Anlagehorizont" und wolle den eingeschlagenen Kurs fortsetzen. Hinter der CDE steht der französische Investor Nicolas Walewski, der nach eigenen Angaben ein Nachfahre Napoleons ist. Als Treuhänder des Vermögens ist ein Anwalt mit Sitz auf der Karibikinsel Barbados tätig. Auf Anfrage gibt das Bundeswirtschaftsministerium keine Auskunft über die Prüfung des Verkaufs der Waffenschmiede.

© SZ vom 20.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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