Handelsstreit:Angst vor dem Stillstand

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Die Geschäfte des deutschen Mittelstands leiden unter den Streitigkeiten. Der Welthandel ist bereits rückläufig. Container am Hafen von Ningbo, in der ostchinesischen Provinz Zhejiang. (Foto: China Stringer Network/Reuters)

Die internationalen Handelskonflikte drücken auf die Stimmung der Unternehmen. Der Mittelstand investiert vorsichtiger und überdenkt auch seine Finanzierung.

Von Norbert Hofmann

Was Donald Trump wirklich will, ist nie so ganz gewiss. Der Handelszwist mit China ist trotz zwischenzeitlich sanfterer Töne eskaliert. Die angedrohten Schutzzölle auf europäische Fahrzeuge dagegen sind ausgeblieben. Vorerst, denn der US-Präsident will sich dazu im Oktober wieder äußern. Ungeachtet dessen leidet die deutsche Wirtschaft unter den von ihm angezettelten Streitigkeiten. Ist Trump sogar auf dem besten Wege, die Weltkonjunktur abzuwürgen? Björn Schumacher, Geschäftsführer der oberfränkischen Schumacher Packaging Gruppe, sieht beunruhigende Signale. Das Familienunternehmen ist ein Verpackungsspezialist, dessen Lösungen in den unterschiedlichsten Branchen gefragt sind. Schumacher hat deshalb einen guten Einblick in die Stimmungslage der deutschen Wirtschaft. "Allein schon die Drohkulisse richtet immensen Schaden an, weil die Unternehmen verunsichert sind", sagt er. Eigentlich notwendige strategische Investitionen, die sich erst langfristig bezahlt machen, würden vielerorts zurückgestellt. Solche Investitionen haben sich oft erst nach vielleicht einem Jahrzehnt amortisiert und brauchen bis dahin entsprechende Refinanzierungen.

Die jüngste Konjunkturumfrage des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) bestätigt die Verunsicherung. Demnach waren die Exporterwartungen deutscher Firmen im März und April so schwach wie noch nie seit dem Krisenjahr 2009. "Die Exportwirtschaft leidet schon jetzt, auch wenn sich der Handelskonflikt vorläufig auf die USA und China beschränkt", sagt Galina Kolev vom IW. Das Volumen des Welthandels sei zum Jahreswechsel erstmals seit 2009 im Vorjahresvergleich rückläufig gewesen. Dabei läuft das Geschäft des deutschen Mittelstands in weiten Teilen derzeit noch gut. So ist das auch bei vielen Kunden von Schumacher Packaging, obwohl die Zuwachsraten hier und da bereits schwächer werden.

Doch wer will etwa in die Erweiterung der Produktion investieren, wenn der US-Markt in den nächsten Jahren vielleicht wegbricht? Wie schnell deutsche Firmen von den US-Zöllen gegen China betroffen sein können, macht Unternehmer Schumacher am Beispiel der Möbelindustrie deutlich. Auch da gibt es Firmen, die Teile in Deutschland fertigen, sie in China weiterverarbeiten und von dort aus in die Vereinigten Staaten verkaufen. Der von den USA bislang erhobene Zoll in Höhe von zehn Prozent ließ sich noch verkraften. "Deutsche Möbel sind in den USA sehr geschätzt und dafür zahlen die Kunden auch mehr", sagt Schumacher. Doch wenn jetzt 25 Prozent Zoll aufgeschlagen werden - das ist einfach zu viel.

Auch spezialisierte Firmen sind betroffen

Zwar mag in einzelnen Branchen die Hoffnung bestehen, dass chinesische Firmen nun Produkte und Vorleistungen für die Herstellung statt aus den USA verstärkt aus Deutschland beziehen. "Insgesamt aber dürften bei deutschen Unternehmen die negativen Effekte der Unsicherheit über die von Präsident Trump angestrebten Verhandlungsziele überwiegen", sagt Professor Alexander Kritikos vom Deutschen Institut für Wirtschaft (DIW). Er sieht zudem in dem weitgehenden Verbot einer Zusammenarbeit von in den USA ansässigen Firmen mit dem chinesischen Netzwerkanbieter Huawei Konsequenzen für deutsche Firmen. Der Chiphersteller Infineon etwa hat bereits die Exporte der von ihm in den USA hergestellten Produkte nach China eingestellt. Die Blockade von Huawei - sollte sie Trump wie beim G-20-Gipfel in Osaka angekündigt nicht doch wieder zumindest teilweise aufheben - führt auch dazu, dass chinesische Firmen künftig so viel wie möglich selbst produzieren, um weniger auf ausländische Spezialisten angewiesen zu sein. "Für den deutschen Mittelstand und allen voran seine international erfolgreichen Hidden Champions ist die Spezialisierung ein zentraler Erfolgsfaktor und eine wichtige Voraussetzung für das Exportgeschäft", betont Kritikos.

Auch die US-Kunden von Schumacher Packaging schätzen die Leistungsfähigkeit und Flexibilität des deutschen Mittelstands, dem sie oft noch länger die Treue halten als einem Konzern. Doch Zölle und eine konjunkturelle Abkühlung könnten auch diesen Geschäftsbeziehungen schaden. "Familienunternehmer tragen wegen des Geldes, das sie in ihre Firma investiert haben, dann ein viel größeres persönliches Risiko als die Manager von Konzernen", sagt Schumacher. Hinzu komme, dass dem Mittelstand nicht so viele Finanzierungsmöglichkeiten offenstehen wie Konzernen und die Bankfinanzierung durch die Basel-III-Regulierung deutlich schwieriger geworden ist. Zwar bieten die Banken aufgrund der lockeren Geldpolitik der EZB nach wie vor günstige Zinskonditionen für Fremdfinanzierungen. "Die anhaltende Unsicherheit infolge des Handelsstreits könnte für manche Unternehmen aber den Zugang zu Krediten ganz grundsätzlich erschweren", sagt Wissenschaftler Kritikos.

Der von US-Professoren entwickelte Global Economic Policy Uncertainty Index bestätigt den hohen Grad der Verunsicherung. Der Index misst die Häufigkeit, mit der in der Presse das Wort Unsicherheit in Zusammenhang mit Wirtschaft und Politik auftaucht. Er hat zum Jahresbeginn einen Rekordstand erreicht und bewegte sich auch danach auf überdurchschnittlich hohem Niveau. Gemäß dem Indikator war die Unsicherheit nicht einmal zu Zeiten der Finanzmarktkrise 2008/2009 höher. "Es zeichnet sich ab, dass die Unternehmen weltweit zurückhaltender investieren und das trifft die in großen Teilen auf die Ausfuhr von Investitionsgütern ausgerichtete deutsche Exportwirtschaft besonders hart", sagt Wissenschaftlerin Kolev vom IW. Betroffen ist nicht nur der Mittelstand, der selbst Kunden im Ausland beliefert. "Viele mittelständische Firmen spüren die Auswirkungen des Handelskonflikts auch indirekt, weil sie Zulieferer deutscher Exporteure sind", betont die IW-Expertin.

Familienunternehmer Schumacher ist trotzdem noch vorsichtig optimistisch. Die Firmengruppe investiert - wenn auch zurückhaltender - weiter in die Zukunft, baut jetzt aber etwas mehr Reserven für Krisenzeiten auf. "Weil sich das Umfeld verändert hat, denken wir zudem über neue Wege der Finanzierung nach", sagt Schumacher. So nutzt das Unternehmen über den Kapitalmarkt sogenannte Asset-backed commercial papers, die den Verkauf von Forderungen ermöglichen und so zur Absicherung dienen. "Zudem versuchen wir, uns über Kredite und Kreditzusagen längerfristig zu finanzieren und sind bereit, dafür auch etwas mehr Geld zu bezahlen", so der Firmenchef.

Der Handelszwist der USA mit Europa war etwas in den Hintergrund getreten. Nach dem Gipfel in Osaka hat die US-Regierung aber bereits wieder neue Drohungen in den Raum gestellt. Sie veröffentlichte eine erweiterte Liste mit EU-Produkten, die sie als Reaktion auf aus ihrer Sicht illegale Subventionen des Flugzeugherstellers Airbus mit Einfuhrzöllen belegen könnte.

© SZ vom 05.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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