Handelskonflikt:Schaulaufen in Shanghai

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Ein bisschen Amerika mitten in Peking: Zwei Frauen sitzen vor einem Geschäft und lassen sich auf einer Bank im US-Look fotografieren. (Foto: Wang Zhao/AFP)

China hat zur größten Handelsmesse eingeladen, kaum eine Firma traut sich fernzubleiben. Um Geschäfte geht es dabei allerdings weniger.

Von Christoph Giesen und Claus Hulverscheidt

Es ist angeblich das wichtigste politische Ereignis des Jahres, eine Nummer kleiner hat es die chinesische Propaganda nicht. Seit Tagen produzieren die Zeitungen deshalb Sonderseiten, und im Staatsfernsehen geht es nur noch um das eine Thema: die große Messe, die China International Import Expo, kurz CIIE. 3000 Unternehmen aus mehr als 100 Ländern stellen von Montag bis Samstag in Shanghai ihre Produkte aus. Vom Schuhhersteller bis zum Papiermaschinenbauer, ein Potpourri, wie früher auf der Leipziger Herbstmesse. Mit einem Unterschied: Heimische Hersteller und Waren aus China wird man in den Messehallen in den kommenden Tagen vergebens suchen.

Der Grund für diese bemerkenswerte Leistungsschau: China steht unter Druck von US-Präsident Donald Trump und anderen Ländern, den Handelsbilanzüberschuss von 423 Milliarden Dollar mit der Welt zu verringern. Die CIIE soll deshalb zeigen: Seht her, liebe Welt, egal, was dieser Mann im Weißen Haus twittert, egal, was Politiker in Europa behaupten, China ist ein offener Markt, es wird importiert und das nicht zu knapp.

Die Hälfte der Dax-Firmen stellt in Shanghai aus. Viele Unternehmen berichten allerdings, von der chinesischen Regierung gedrängt worden zu sein. Restriktiv sind die Veranstalter auch bei der Vergabe von Tickets. Wer am Montag den Eröffnungsworten von Chinas Präsident XI Jinping lauschen möchte, sollte bis zu 20 000 Yuan ( 2500 Euro) zahlen.

Insgesamt 18 Staats- und Regierungschefs haben sich auf den Weg nach Shanghai gemacht. Miloš Zeman, der tschechische Präsident, ist angereist, genauso wie Ungarns Ministerpräsident Victor Orbán; aus London der britische Handelsminister Liam Fox. Eine deutlich kürzere Anreise hätte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier gehabt. Er war erst in Tokio und dann über das Wochenende bei der Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft in Jakarta. Es sei eine wichtige Veranstaltung, sagte Altmaier in Indonesien diplomatisch, "wir haben ein Interesse daran, dass die Messe ein Erfolg wird. Ich musste aber eine Entscheidung treffen." Er bleibt fern. Deutschland schickt stattdessen den parlamentarischen Staatssekretär Christian Hirte.

Die Vereingten Staaten schicken keinen Abgesandten, dafür aber die Sojabauern

Nicht einen einzigen Emissär entsendet dagegen die Regierung aus Washington. Immerhin: 180 Unternehmen und Verbände aus den USA stellen in Shanghai aus. Darunter auch die Vereinigung der Sojabohnenfarmer. Keine andere Branche in den Vereinigten Staaten ist so abhängig vom chinesischen Markt und leidet stärker unter den Strafzöllen, die sich Peking und Washington gegenseitig aufgebürdet haben. Güter im Wert von mehr als 110 Milliarden Dollar aus den USA sind mit Abgaben belegt, US-Zölle betreffen derweil Waren aus China für mehr als 250 Milliarden.

Vergangene Woche nahm der Zwist zwischen den USA und China eine neuerliche Wendung, als Trump überraschend erklärte, die Verhandlungen mit Peking über eine Beilegung des Konflikts kämen "schön voran". Die Verwunderung in Washington war groß, denn sowohl der Präsident selbst als auch mehrere seiner Kabinettsmitglieder hatten den Ton zuletzt mehrmals verschärft und immer wüstere Drohungen ausgestoßen. Zeitweise hieß es in Medienberichten, es sei nur noch eine Frage von Tagen, bis Trump auch den verbliebenen Rest an chinesischen Warenlieferungen in die USA im Wert von rund 250 Milliarden Dollar mit Strafzöllen belegen werde.

Am Donnerstag telefonierten dann Xi und Trump miteinander. Dabei blieb zunächst offen, ob der chinesische Präsident seinem Amtskollegen tatsächlich Zugeständnisse in der Sache gemacht hatte oder aber ihm einfach nur derart schmeichelte, dass Trump einknickte. Letzteres war schon einmal im Frühjahr passiert, als Trump nach einem Gespräch mit Xi die US-Sanktionen gegen den chinesischen Telekomausrüster ZTE zurücknahm. Das sorgte auch unter republikanischen Parteifreunden für erheblichen Ärger.

Neue Ermittlungsverfahren wegen Spionage gegen chinesische Firmen

Umso genauer wird der gesamte Kongress nun hinschauen, sollte Trump Ende November am Rande des G-20-Gipfels in Buenos Aires tatsächlich irgendeine Absprache mit Xi treffen. Schon der kleinste Hinweis auf ein Zurückrudern könnte sich für den US-Präsidenten nach der Verbaloffensive der vergangenen Monate als Bumerang erweisen. Ob es zu einem Kompromiss kommt, ist aber ohnehin fraglich, denn es wäre keineswegs ungewöhnlich, wenn Trump seine Meinung in den kommenden Wochen erneut ändert. Das gilt umso mehr, als seine Regierung auf allen Ebenen jenseits der Zollfrage weiter scharf gegen China schießt. So leitete das Justizministerium vergangene Woche eine Klage gegen das staatseigene chinesische Unternehmen Fujian Jinhua Integrated Circuit in die Wege, das mit Hilfe von Industriespionage geistiges Eigentum des US-Elektronikkonzerns Micron Technology gestohlen haben soll.

Verschärft werden könnte der Handelskonflikt auch durch den Ausgang der US-Kongresswahl an diesem Dienstag, bei der die oppositionellen Demokraten womöglich die Mehrheit im Repräsentantenhaus gewinnen werden. Nicht nur, dass manche demokratischen Abgeordneten China noch kritischer gegenüberstehen als die regierenden Republikaner. Vielmehr könnte Trump bei einer dramatischen Beschränkung seiner parlamentarischen Gestaltungsmöglichkeiten noch mehr als bislang versuchen, mit viel Theater und plakativen Verordnungen zu regieren, anstatt mit Gesetzesinitiativen.

© SZ vom 05.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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