Guttenberg: Erste Bilanz:Ein Mann redet sich frei

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Wirtschaftsminister Guttenberg macht bislang eine gute Figur. Doch die Bewährungsprobe kommt erst, wenn in der Koalition über konkrete Wirtschaftspolitik entschieden wird.

Marc Beise

Wenn ein Jurist mit mäßigen Wirtschaftskenntnissen inmitten der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten und wenige Monate vor der Bundestagswahl ausgerechnet das Amt des Bundeswirtschaftsministers vor die Füße gepfeffert bekommt, weil er zufällig aus der richtigen Partei (CSU) und der richtigen Region Bayerns (Franken) kommt - dann sollte dieser Mann am besten ganz schnell weglaufen; das kann eigentlich nur schiefgehen. Zumal das Amt des großen Ludwig Erhard seit Jahrzehnten von fast allen Folgeministern misshandelt, geschändet und bedeutungslos gemacht worden ist. Der Wirtschaftsminister als das ordnungspolitische Gewissen der Regierung - lang ist das her.

Unverhofft ins Bundeswirtschaftsministerium gewechselt: Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg. (Foto: Foto: AP)

Der CSU-Generalsekretär Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg hat dennoch zugegriffen. Wohl wissend, dass nicht einmal Zeit für die üblichen 100 Tage Schonfrist sein würde. Belassen wir es also bei 20 Tagen und ziehen eine erste Bilanz: Der jüngste Minister des Kabinetts Merkel macht bisher eine gute Figur. Schon rein äußerlich: die gepflegte Erscheinung, adrette Kleidung, kultivierte Sprache, das jugendlich-sportive Auftreten. Mit federndem Schritt, an den Füßen modische Wildlederschuhe, die Haare gegelt - so hat man schon lange keinen Wirtschaftsminister aus der Tür kommen sehen; wir sind ja schon dankbar für ein wenig Abwechslung in der großkoalitionären Berliner Graugesichtigkeit.

Gute Figur macht der Minister auch im übertragenen Sinne. Vom ersten Tag an hat er die Erinnerung an seinen Vorgänger Michael Glos getilgt, der schon als Amtsinhaber alles dafür getan hat, der Vergessenheit anheimzufallen. Guttenberg dagegen drängt in die öffentliche Wahrnehmung, ist heute schon (nach drei Wochen!) in der Bundespolitik zu Hause. Der Mann ist, wie es heißt, sprachmächtig. Fast jeder Satz sitzt, gelegentliche Ausschweifungen à la "Ich bin, obwohl Ostern näher rückt, weit davon entfernt, ungelegte Eier bereits so bunt anzumalen, dass man darüber sprechen könnte" mal gnädig überhört.

Seit dem 10. Februar, dem Tag der Ernennung, kurvt der Bayer mit beinahe schlafwandlerischer Sicherheit durch Berlin. Schon die abendliche Vorstellungsrunde mit den hartgesottenen Berliner Journalisten, bei denen der Ministerkandidat Edmund Stoiber vor bald vier Jahren in Minutenschnelle durchgefallen war, gelang Guttenberg erstaunlich gut. Den endlosen Wortfluss des großen Vorsitzenden Horst Seehofer parierte er klug mit einer Mischung aus Schweigen und spöttischer Zustimmung.

Dann drei Tage später die erste Bundestagsrede: ein sehr ordentliches Plädoyer zur Verteidigung der Sozialen Marktwirtschaft mit einigen einprägsamen Formulierungen, selbst ersonnen und frei vorgetragen nach Stichworten. Auch seine abwartenden und kenntnisreichen Äußerungen im Zusammenhang mit den derzeit beinahe pausenlosen Krisentreffen in Sachen Opel, Schaeffler und anderer potentieller Staatshilfen unterscheiden sich wohltuend von einerseits der mittlerweile üblichen Unternehmerbeschimpfung selbst in der Union und andererseits der fast schon besinnungslosen Untergangsmetaphorik der SPD, die nach den Banken nun auch schon Opel und bald womöglich immer mehr Unternehmen zum "Systemrisiko" erhebt und helfen will um jeden Preis. Wenn es stimmt, dass ein Bundeswirtschaftsminister nur wenig zu entscheiden hat und seine Waffe deshalb das Wort und die klare marktwirtschaftliche Überzeugung sind, dann ficht Guttenberg bereits auf hohem Niveau.

Der Minister wird aber nur reüssieren, solange Wort und Tat zusammenpassen. Die wahre Bewährungsprobe kommt erst, wenn in der Koalition über konkrete Wirtschaftspolitik entschieden wird. Kommen weitere Konjunkturprogramme? Werden Staatshilfen für einzelne Unternehmen bewilligt? Wird der Mittelstand weiter geschröpft? Drückt sich die Politik um eine Verbesserung der wirtschaftlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen, die die Unternehmen gerade in der Krise so dringend brauchen? Das sind die Fragen, an denen sich die wahre Qualität des neuen Bundeswirtschaftsministers entscheiden wird.

© SZ vom 03.03.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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