Großbritannien:Warten auf den echten Brexit

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Die britische Notenbank senkt den Leitzins erst einmal nicht. Sie verweist darauf, dass die Konjunktur seit den Parlamentswahlen im Dezember anzieht.

Von Alexander Mühlauer, London

Es war die letzte Sitzung des britischen Notenbankchefs Mark Carney. Er gibt sein Amt im März ab und wird Sonderbeauftrager der Vereinten Nationen für Klimaschutz und Finanzen. (Foto: Bloomberg)

Am Tag vor dem Brexit leitete Mark Carney ein letztes Mal die Zinssitzung der Bank of England. Der Notenbank-Chef gibt sein Amt im März ab und wird dann Sonderbeauftragter der Vereinten Nationen für Klimaschutz und Finanzen. In London wurde in den vergangenen Wochen viel darüber spekuliert, ob Carney zu seinem Abschied den Leitzins noch einmal senken würde. Doch daraus wurde nichts. Von den neun Mitgliedern des dafür zuständigen Gremiums stimmten am Donnerstag nur zwei für eine Kappung. Der Leitzins bleibt damit bei 0,75 Prozent. Aus Sicht der Notenbank gibt es bislang keinen Grund, die Geldpolitik zu lockern. Das kann sich allerdings relativ schnell ändern - je nachdem wie die Verhandlungen zwischen London und Brüssel über ein Handelsabkommen laufen.

Das Vereinigte Königreich wird die EU zwar an diesem Freitag verlassen, bleibt aber bis Ende des Jahres im Binnenmarkt. Für Bürger und Unternehmen ändert sich während dieser Übergangsphase praktisch nichts. Bislang ist allerdings völlig offen, wie das wirtschaftliche Verhältnis nach dem Brexit aussehen wird. Die Gespräche zwischen London und Brüssel sollen Ende Februar beginnen. Weil der britische Premierminister Boris Johnson eine Verlängerung der Übergangsphase über den 31. Dezember hinaus ausgeschlossen hat, droht Ende des Jahres ein No-Deal-Szenario, das der Wirtschaft massiv schaden würde.

Spätestens dann müsste wohl auch die Bank of England eingreifen. Doch bislang ist das nach Auffassung der Währungshüter nicht nötig. Die Notenbank verwies am Donnerstag auf ein Anziehen der Konjunktur seit den Parlamentswahlen im Dezember, die eine stabile Mehrheit für Johnson gebracht hatte. Zugleich ließ die Notenbank allerdings die Tür für eine etwaige Zinssenkung offen: Sollte sich die Erholung der Wirtschaft nicht als nachhaltig erweisen, könne ein Anschub durch die Geldpolitik nötig werden, hieß es.

Die Bank of England hatte immer wieder vor einem ungeregelten EU-Austritt gewarnt, der aus ihrer Sicht der Wirtschaft schweren Schaden zufügen würde. Es wird nun die Aufgabe von Carneys bisherigem Stellvertreter Andrew Bailey sein, sich dafür zu wappnen. Ende März wird er seine erste Zinssitzung als britischer Notenbank-Chef leiten.

© SZ vom 31.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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