Großbritannien:Millionen für Baby-Kernkraftwerke

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Baustelle von Hinkley Point C: Die Regierung setzt auf Kernkraft. (Foto: Han Yan/imago)

London fördert kleine Atommeiler in Fertigbauweise - lässt aber auch weiterhin große Reaktoren errichten.

Von Björn Finke, London

Britische Zeitungen nennen sie liebevoll "baby nuke power stations", Baby-Kernkraftwerke. Die Regierung spricht lieber von "kleinen, modularen Reaktoren". Die Entwicklung solcher Mini-Atommeiler will London in den kommenden drei Jahren mit 56 Millionen Pfund fördern, etwa 63 Millionen Euro. Das verkündete Energie-Staatssekretär Richard Harrington am Donnerstag. Die kleinen Kraftwerke sollen nur ein Zehntel der Leistung der üblichen Meiler bringen. Doch sie sollen viel schneller und billiger zu bauen sein. Unterstützer der umstrittenen Technik hoffen, dass die kompakten Kraftpakete eines Tages in Fabriken vom Band laufen können. An der Baustelle sollen die Atommeiler wie ein Fertighaus zusammengesetzt werden.

Fachleute erwarten, dass moderne Stromnetze dezentral aufgebaut sein werden. Bisher stützt sich die Versorgung weiterhin stark auf riesige Atom- oder Kohlekraftwerke, deren Strom über weite Strecken transportiert werden muss. In Zukunft soll Energie in erster Linie aus vielen kleinen - und vor allem grünen - Kraftwerken stammen, und eine intelligente Netzsteuerung soll Angebot und Bedarf besser in Einklang bringen. Die Baby-Kernmeiler sollen die Atomtechnik in diese schöne neue Stromwelt hinüberretten.

Konzerne aus mehreren Ländern arbeiten an solchen Konzepten. In Großbritannien will ein Konsortium um den Triebwerksbauer Rolls-Royce Mini-Meiler zur Marktreife entwickeln. Das Unternehmen fertigt die Antriebe der britischen Atom-U-Boote. Rolls-Royce schätzt, dass die weltweite Nachfrage nach kleinen Atomkraftwerken in Fertigbauweise im Jahr 2035 bis zu 450 Milliarden Euro betragen könnte.

Die britische Regierung fördert aber nicht nur die Erforschung von Mini-Kernkraftwerken, sondern will auch einige große Meiler errichten, wie Staatssekretär Harrington bekräftigte: "Atomkraft ist ein überlebenswichtiger Teil unseres Energiemixes", sagte der Konservative. Für die Atomfreunde in London gab es nun gute Nachrichten aus Südkorea. Der Staatskonzern Kepco will einspringen und einen Atommeiler im Nordwesten Englands bauen, in der Nähe des abgeschalteten Kernkraftwerks Sellafield. Ursprünglich sollte der japanische Rivale Toshiba den Meiler hochziehen, doch dessen Nuklearsparte Westinghouse hat Insolvenz angemeldet.

Toshiba und Kepco verhandeln über einen Einstieg der Südkoreaner, das Geschäft soll bis Sommer abgeschlossen sein. Kepco muss das Design des Reaktors noch von der britischen Atomaufsicht billigen lassen. Das dauert mehrere Jahre; Toshiba hatte diese Hürde bereits überwunden. Das Kraftwerk wird daher nicht wie geplant schon 2025 ans Netz gehen können.

In der Grafschaft Somerset, im Südwesten Englands, baut der französische Stromversorger EDF einen 22 Milliarden Euro teuren Atommeiler: Hinkley Point C. Die Arbeiten haben bereits begonnen, 2400 Menschen sind dort tätig. Die Franzosen gestanden aber ein, dass das Kraftwerk ebenfalls verspätet fertig werden könnte, statt im Jahr 2025 erst 2027. Das Vorhaben ist umstritten, weil die Regierung dem Unternehmen und seinem Partner bei dem Projekt, dem chinesischen Staatskonzern CGN, einen sehr happigen Abnahmepreis für den Strom zusagen musste. Die 92,50 Pfund pro Megawattstunde liegen doppelt so hoch wie der Börsenpreis für Strom.

Windparks auf hoher See gewährt die Regierung im Durchschnitt einen Preis von 62,14 Pfund - die Windturbinen kommen also mit einem Drittel weniger an Subventionen aus. Die Liebe der Briten zur Atomkraft wird teuer.

© SZ vom 08.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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