Großbritannien:Investoren fürchten chaotischen Brexit

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Fünf-Pfund-Noten: Seit dem Sieg des Brexit-Lagers im EU-Referendum hat die britische Währung deutlich an Wert verloren. (Foto: Benoit Tessier/Reuters)

Die politischen Wirren in London lassen den Pfund-Kurs abrupt schwanken.

Von Björn Finke, London

Es geht rauf und runter - und wieder rauf: Am Donnerstag verteuerte sich das Pfund Sterling, nachdem die britische Währung am Mittwochabend an Wert verloren hatte. Zuvor, am Nachmittag, hatte das Pfund hingegen aufgewertet. Schuld an der Berg- und Talfahrt ist die Politik. Premierministerin Theresa May musste sich am Mittwochabend einer Vertrauensabstimmung ihrer Fraktion stellen. Als tagsüber immer mehr Politiker May ihre Unterstützung versprachen, verteuerte sich das Pfund, denn das Risiko eines Rücktritts schien kleiner zu werden. Tatsächlich gewann May die Abstimmung aber nur mit einer enttäuschend schmalen Mehrheit. Deswegen sank der Pfund-Kurs. Am Donnerstag kehrte sich der Trend um.

Da die politische Lage unübersichtlich bleibt, wird es beim Pfund-Kurs sicher weiter abrupte Schwankungen geben. Mays Erfolg ändert nichts daran, dass im Parlament keine Mehrheit für das Brexit-Abkommen existiert, auf das sich London und Brüssel im November einigten. Daher besteht die Gefahr, dass die Briten die EU am 29. März 2019 ohne Vertrag verlassen. Dann fiele die vereinbarte Übergangsphase weg. Stattdessen würden sofort Zölle und Zollkontrollen eingeführt. Die Wirtschaft auf beiden Seiten des Ärmelkanals würde leiden, stärker jedoch die britische. Das wiederum würde das Pfund belasten.

Schafft es May hingegen, den Brexit-Vertrag durch das Parlament zu bringen, könnte das Pfund kräftig an Wert gewinnen, schätzen Analysten. Es bliebe aber billiger als vor dem EU-Referendum. Im Sommer 2015 kostete ein Pfund mehr als 1,40 Euro. Kurz vor der Abstimmung im Juni 2016 mussten für ein Pfund immer noch fast 1,30 Euro gezahlt werden. Nach dem Sieg des Austritts-Lagers wertete die Devise ab und kostet im Moment etwa 1,11 Euro.

Deutlich undramatischer ist die Lage an den britischen Aktienmärkten. Der wichtigste Index der Londoner Börse, der FTSE 100, stieg nach dem Referendum rasant. Im laufenden Jahr haben sich die Kurse britischer Aktien mehr oder weniger im Gleichschritt mit denen anderer europäischer Märkte bewegt.

Dass der FTSE 100, das Kursbarometer für die hundert größten Firmen, nach der Volksabstimmung zulegte, hängt mit Besonderheiten dieses Index zusammen. Viele Unternehmen im FTSE 100 machen den Großteil ihrer Geschäfte außerhalb des Königreichs, manche haben nicht einmal ihren Sitz in dem Land. Dass der Sieg des Brexit-Lagers die britische Konjunktur belastet, ist für die Gewinne dieser Firmen eher egal. Der Wertverlust des Pfund nach dem EU-Referendum lässt die Gewinne sogar steigen: Für die Dollar und Euro, die im Ausland als Profit anfallen, gibt es beim Umtausch mehr Pfund. Schön für die Konzerne und ihre Aktionäre.

© SZ vom 14.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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