Großbritannien:Brexit? Egal

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Toyota will weiter in England Autos bauen, ähnlich haben sich auch schon Nissan und BMW geäußert. Nun wartet man in London gespannt auf die Entscheidung des französischen PSA-Konzerns, dem Opel und Vauxhall gehören.

Von Björn Finke, London

Solch eine Erfolgsmeldung kann die britische Regierung in diesen schwierigen Zeiten prima gebrauchen: Bei den Brexit-Verhandlungen mit Brüssel, die an diesem Montag weitergehen, gibt es kaum Fortschritte. Wirtschaftsverbände kritisieren die Uneinigkeit des Kabinetts über den Austrittskurs. Und Premierministerin Theresa May muss sich mit Rücktrittsforderungen herumschlagen. Doch einer der größten Autokonzerne der Welt vertraut nach wie vor auf ein gutes Ende der Brexit-Saga. Toyota will offenbar trotz des geplanten Austritts aus der EU auch die neue Version seines Modells Auris im englischen Werk Burnaston bauen lassen. Die Fabrik in der Industrieregion East Midlands beschäftigt 2500 Menschen.

Die Fertigung der aktuellen Version endet erst 2021, aber die Unternehmen müssen Standortentscheidungen mit mehreren Jahren Vorlauf treffen. Dass Burnaston den Nachfolger produziert, ist nicht selbstverständlich. Bei internationalen Autokonzernen konkurrieren Werke aus verschiedenen Ländern darum, Modelle bauen zu dürfen. Und britischen Fabriken schadet hier die Ungewissheit wegen des Brexit.

Diese Unsicherheit belastet eine wichtige Branche: Großbritannien ist der drittgrößte Autoproduzent Europas, bei den Herstellern arbeiten fast 170 000 Beschäftigte. Doch sollten sich London und Brüssel nicht auf einen Handelsvertrag einigen, fallen nach dem Austritt im März 2019 Zölle auf Fahrzeuge und Zulieferteile an. Dabei sind die Länder der Europäischen Union der bedeutendste Exportmarkt für die britischen Fabriken. Zudem beziehen die britischen Werke viele Zulieferungen vom Festland.

Toyota will bis Jahresende über die Zukunft des Auris - und damit des Standorts Burnaston - entscheiden. Das Management tendiert aber stark dazu, die Produktion in diesem Werk zu belassen, wie die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf ungenannte Insider berichtet. Die Japaner gehen demnach davon aus, dass sich Großbritannien und die EU auf eine Übergangsphase für die Jahre nach dem Brexit einigen werden. Während dieser Zeit soll sich an den Handelsbedingungen nicht viel ändern.

Bereits im März hatte Toyota verkündet, fast eine Viertelmilliarde Pfund in die Modernisierung des englischen Werks zu stecken. Die Regierung unterstützt dieses Vorhaben mit einem Zuschuss von gut 20 Millionen Pfund. Zudem versicherte sie dem japanischen Konzern in einem Schreien, dass die Fertigung in Burnaston durch den Austritt aus der EU keine Nachteile erleiden werde.

Toyota wäre schon der dritte Autokonzern, der trotz des Brexit seinem britischen Standort weitere Aufgaben anvertraut. Vor einem Jahr gab Nissan bekannt, dass die Fabrik in Sunderland - die größte im Königreich - auch die nächste Generation des Erfolgsmodells Qashqai bauen darf. Nissan erhielt ebenfalls einen Brief der Regierung mit Zusicherungen. Vor zweieinhalb Monaten entschied BMW, dass das Mini-Stammwerk in Oxford von 2019 an die Elektrovariante des Flitzers herstellen soll.

Die Investitionen der Branche sind allerdings deutlich geschrumpft

Diese Meldungen täuschen jedoch nicht darüber hinweg, dass die Investitionen der Branche eingebrochen sind. Zahlen für das erste Halbjahr 2017 deuten darauf hin, dass Autofirmen im Vergleich zu 2015 drei Viertel weniger im Königreich investieren. Die Manager fürchten dabei nicht nur Zölle, sondern auch bürokratische Hürden nach einer Loslösung vom europäischen Markt.

So will die Regierung die Zollunion der EU verlassen, um selbst Handelsverträge mit Wirtschaftsmächten abschließen zu können. Das bedeutet aber, dass in Zukunft wieder in Calais und Dover Lastwagen kontrolliert werden - und zwar selbst dann, wenn Exporte in die EU zollfrei bleiben. Die Autofabriken halten nur Teile für wenige Produktionsstunden auf Lager; sie sind auf zuverlässige und stete Lieferungen angewiesen. Zollkontrollen würden das unmöglich machen.

Schon bald steht die nächste wichtige Entscheidung für die Autobranche im Königreich an. Der französische PSA-Konzern, der Opel und die britische Schwestermarke Vauxhall gekauft hat, will bis Jahresende darüber befinden, ob das englische Werk Ellesmere Port auch das neue Astra-Modell bauen darf. Die britische Regierung muss auch in diesem Fall erst einmal wieder bangen.

© SZ vom 09.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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