Griechischer Banker unter Verdacht des Mordversuchs:Sprengsatz im Blumentopf

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Lavrentis Lavrentiadis ist prominenter Unternehmer. Und nun wegen Anstiftung zum versuchten Mord angeklagt. (Foto: dpa)

Lavrentis Lavrentiadis war einmal "Unternehmer des Jahres" in Griechenland, mit Verbindungen in höchste politische Kreise. Doch jetzt steht der Banker in Verdacht, für einen Mordanschlag verantwortlich zu sein. Er ist nicht der einzige Prominente, der im VIP-Flügel des größten griechischen Gefängnisses sitzt.

Von Klaus Ott und Tasos Telloglou

Das Paket, das der Athener Hotelier Andriadakis A. am 15. Juni 2012 per Post nach Hause geschickt bekam, enthielt ein vermeintlich schönes Geschenk. In dem Päckchen befand sich ein Blumentopf, an dem ein Zettel hing. "Ich hoffe, das gefällt Dir", hatte der Absender notiert, der sich als "alter Freund" ausgab. Als der Hotelier das Präsent auspacken wollte, explodierte der Blumentopf, in dem eine Handgranate versteckt war. Andriadakis A. wurde schwer verletzt, überlebte aber. Ermittler einer Abteilung für Staatssicherheit übernahmen den Fall.

Inzwischen glaubt die Justiz, den Urheber des Anschlags ausfindig gemacht zu haben. Es soll sich, so die Ermittler, um Lavrentis Lavrentiadis handeln, der mal "Unternehmer des Jahres" in Griechenland war und als Mann mit Verbindungen in höchste politische Kreise galt.

Lavrentiadis sitzt schon seit Ende 2012 in Untersuchungshaft. Er soll quasi seine eigene Bank ausgeraubt haben, das Geldinstitut Proton. Der in der Chemiebranche groß gewordene Manager hatte Proton 2009 übernommen und danach mit Kompagnons angeblich 701 Millionen Euro abgezweigt. Proton wurde später verstaatlicht und mit 900 Millionen Euro aus internationalen Hilfsfonds vor der Pleite bewahrt, weil sonst viele Kleinanleger ihr Geld verloren hätten.

Lavrentiadis ist wegen Betrug, Unterschlagung und Geldwäsche angeklagt. Und mittlerweile auch wegen Anstiftung zum versuchten Mord: als mutmaßlicher Auftraggeber des Anschlags. Der Hotelier soll sich geweigert haben, bestimmte Deals mit Lavrentiadis zu machen, und er soll sich auch noch mit dessen Frau gut verstanden haben. Galt es vielleicht, einen missliebigen Geschäftsmann und möglichen Nebenbuhler aus dem Weg zu räumen? Lavrentiadis bestreitet alle Vorwürfe.

Griechische Promis im Gefängnis

Unabhängig davon, was zutrifft und was nicht, sind die Untersuchungen in diesem Fall bemerkenswert. Bis vor wenigen Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass eine einflussreiche Wirtschaftsgröße angeklagt wird oder gar im Gefängnis landet. Eine neue Generation in der Justiz hat aber keine Angst mehr davor durchzugreifen, wenn schwerwiegende Verdachtsmomente vorliegen.

Aus dem alten Griechenland, das für Nepotismus und Korruption steht, könnte mit Druck und Hilfe der internationalen Gemeinschaft nach und nach ein moderner Staat entstehen, in dem es gerechter und ehrlicher zugeht. Und in dem die Reichen und Mächtigen nicht über dem Gesetz stehen.

Im sogenannten VIP-Flügel des größten Gefängnisses des Landes in einem Vorort von Athen sitzen gleich mehrere Prominente ein, darunter Lavrentiadis und der frühere Minister Akis Tsochatzopoulos, der beinahe mal Regierungschef geworden wäre. Er soll als Verteidigungsminister Schmiergeld in Millionenhöhe beim Kauf deutscher U-Boote und russischer Abwehrraketen kassiert haben. Bestechlichkeit wäre verjährt. Nun wird er der Geldwäsche bezichtigt. Der Ex-Banker und der Ex-Minister betrachten sich beide als unschuldig Verfolgte, als Opfer.

Die Justiz sieht das anders. Anlass für den Vorwurf der Anstiftung zu einem versuchten Mord gegen Lavrentiadis sollen abgehörte Telefonate sein. Angeblich belegen sie, dass der frühere Banker und Chemiefabrikant den Anschlag auf den Hotelier für 50.000 Euro in Auftrag gegeben habe - bei einem Pärchen, das Banken ausgeraubt haben soll.

Insgesamt sieben Leute sollen in den Mordversuch verwickelt sein. Darunter ein Junkie, der ursprünglich den Job bekommen habe. Der Junkie habe einen Vorschuss verlangt, aber nicht bekommen, und sei deshalb wieder ausgestiegen. Anschließend habe ein Vertrauter von Lavrentiadis das Bankräuber-Pärchen angeheuert, besagen die bisherigen Erkenntnisse der Ermittler.

Er äußere sich nicht zu dieser Sache, lässt Lavrentiadis über eine vom ihm beauftragte PR-Agentur wissen. Aus seinem Umfeld ist zu hören, der Ex-Banker betrachte den ganzen Fall als einen "Witz". Die Anschuldigungen gegen ihn seien "abscheuliche Lügen" und der Versuch, Verwirrung im Fall Proton zu stiften. Das hört sich so an, als wolle die Justiz falsche Spuren legen. Im Verlauf der Ermittlungen zur Causa Proton waren die Autos eines Fahnders der Zentralbank und einer Richterin in die Luft geflogen. Die Sprengstoffanschläge geschahen nachts auf Parkplätzen, verletzt wurde niemand. Doch die Schockwellen erfassten auch Politik und Justiz. Die Anschläge galten als Signal, den Mächtigen im Lande nicht zu nahe zu kommen. Dafür, dass Lavrentiadis damit zu tun haben könnte, gibt es keine Hinweise.

Versucht die Justiz, den Unternehmer als Sündenbock zu präsentieren? Als Büßer für die vielen Reichen im Lande, die kaum Steuern zahlen und so das Leben genießen auf Kosten all der anderen, die unter den Sparmaßnahmen leiden? Die Ermittler lassen sich jedenfalls nicht beirren und tun alles, um die 701 Millionen Euro einzutreiben, die von Lavrentiadis und seinen Partnern bei Proton angeblich abgezweigt wurden.

Griechenland hat in der Schweiz mehrere Konten sperren lassen, auf denen 158 Millionen Euro liegen, die dem Ex-Banker zugerechnet werden. Ein Teil der fragwürdigen Transaktionen rund um Proton wurde nach Erkenntnissen der Zentralbank in Athen über eine ausländische Filiale eines deutschen Geldinstituts abgewickelt. Und in Liechtenstein hat der Grieche vor einigen Jahren eine Bank mit aufgebaut, bei der momentan offenbar noch unklar ist, was aus ihr wird.

Lavrentiadis kommt so schnell wohl nicht aus dem Gefängnis. Ein Richterrat in Athen entschied kürzlich, dass er weitere sechs Monate in Untersuchungshaft bleiben müsse. Im August will ihn die Justiz zum Fall Proton vernehmen. Lavrentiadis hat die Schuld stets bestritten. Der Hotelier, der den explosiven Blumentopf geschickt bekam, ist längst aus Athen auf seine Heimatinsel Kreta geflohen und wird dort von der Polizei bewacht. Er fürchtet weiter um sein Leben.

© SZ vom 18.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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