Griechenland:Schicksalstage eines Volkes

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Die Athener Regierung braucht 7,4 Milliarden Euro. (Foto: Alkis Konstantinidis/REUTERS)

Griechenland braucht dringend neue Milliardenhilfen. In dieser Woche entscheidet sich, ob die Kreditgeber die nächste Auszahlung freigeben. Diesmal hat Athen alles dafür getan. Der neue französische Finanzminister will vermitteln.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Bruno Le Maire kam nicht mit leeren Händen. Der neue französische Finanzminister war am Montag nach Athen gereist, um der griechischen Regierung einen Vorschlag zu machen. Und damit auch ein bisschen gute Laune zu bereiten. Das war nicht ganz unwichtig, denn der Schuldenstreit mit den Gläubigern ist mal wieder festgefahren. Und mal wieder geht es um die Frage, ob Griechenland neue Milliardenkredite bekommt. Geld, das es nicht hat, aber dringend braucht, um Schulden zu begleichen. Und zwar schon im Juli. Insgesamt 7,4 Milliarden Euro.

An diesem Donnerstag werden die Euro-Finanzminister über die Freigabe der Kredite entscheiden. Verweigern sie erneut die Auszahlung, wird Griechenland zum Thema der Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel in der kommenden Woche. Genau das soll Le Maire im Auftrag von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verhindern. Und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat offensichtlich kein Interesse daran, dass die griechische Krise in diesem Sommer erneut eskaliert.

Der Druck auf die Finanzminister steigt. Le Maire, der neue Mann aus Paris, scheint seine Rolle im Schuldenstreit gefunden zu haben: Er will vermitteln. Also unterbreitete er am Montag seinen Vorschlag in Athen. Frankreich will die Rückzahlung der griechischen Schulden an die Wirtschaftsleistung des Landes koppeln. Sollte die griechische Wirtschaft in den kommenden Jahren kräftiger wachsen, würde Athen mehr Schulden zurückzahlen. Stagniert die Wirtschaft oder wächst sie nur gering, dann müsste Athen auch weniger zahlen. Nach dem Gespräch mit seinem griechischen Amtskollegen Euklid Tsakalotos sagte Le Maire: "Wir müssen noch intensiv arbeiten." Um dann noch etwas Hoffnung hinzuzufügen: "Eine Einigung ist nicht weit entfernt."

Diese beiden Sätze sind typisch für Le Maire. Schon bei seiner ersten Euro-Gruppe vor gut drei Wochen schlug er einen fordernden, aber stets versöhnlichen Ton an. Als die Ministerrunde am Ende ihres Mai-Treffens feststellen musste, dass sie zu keiner Einigung im Streit um Schuldenerleichterungen kommen konnte, erklärte der Franzose: "Ich verstehe die Position, die Euklid (Tsakalotos) klargemacht hat." Und dann sagte er noch, dass er natürlich auch mit "der Position von Wolfgang (Schäuble)" übereinstimme. Überhaupt versucht Le Maire, der fließend Deutsch spricht, dem Bundesfinanzminister das Gefühl zu geben, dass in Paris wieder ein Partner sitzt, auf den sich Berlin verlassen kann. Bei all den Ideen, die Staatspräsident Macron für die Währungsunion haben mag, ist es allen voran Le Maires Aufgabe, das Vertrauen von Schäuble zu gewinnen.

Im griechischen Schuldenstreit versucht der Franzose jedenfalls, sich zu profilieren. Doch anders als in den vergangenen sieben Jahren der Griechenland-Krise liegt es diesmal nicht am mangelnden Reformwillen in Athen. Die Regierung hat dafür gesorgt, dass die bislang vereinbarten Gesetze auf den Weg gebracht wurden - wenn auch mit starker Verzögerung.

Der Knackpunkt für die Verhandlungen in dieser Woche ist noch immer die Haltung des Internationalen Währungsfonds (IWF). Deutschland will einer Auszahlung an Athen nur zustimmen, wenn klar ist, dass der IWF sich am 86-Milliarden-Euro-Programm beteiligt. Schäuble besteht darauf, dass der Fonds an Bord kommt, sträubt sich aber gegen dessen Bedingungen. Über weitere Schuldenerleichterungen will er erst sprechen, wenn das Programm abgeschlossen ist - also 2018. Der IWF verlangt dagegen schon jetzt ein entsprechendes Bekenntnis.

Nun zeichnet sich eine mögliche Lösung ab. IWF-Chefin Christine Lagarde will am Donnerstag zu den Beratungen der Finanzminister nach Luxemburg kommen. Auf Seite der Europäer wird dies als Zeichen gewertet, dass ein Deal in greifbarer Nähe ist. Lagarde ist bereit, jenem Kompromiss zuzustimmen, der schon bei der letzten Eurogruppe im Mai diskutiert wurde. Demnach würde der IWF dem laufenden Programm zustimmen, aber selbst keine Kredite auszahlen, bevor man sich nicht auf eine gemeinsame Analyse zur Tragfähigkeit der griechischen Schulden geeinigt hat.

Paris will die Rückzahlung der Schulden an die griechische Wirtschaftsleistung koppeln

Weil Athen dadurch aber schlechter gestellt würde als ursprünglich geplant, wehrt sich die Regierung bislang dagegen. Hätte der IWF ein eigenes Kreditprogramm mit sofortiger Auszahlung beschlossen, wären damit die Zusage für Schuldenerleichterungen sowie Hilfen der Europäischen Zentralbank (EZB) verbunden gewesen. Beides hätte die wirtschaftliche Situation in Griechenland verbessert. Die Regierung in Athen braucht also am Donnerstag, neben dem Bekenntnis zur nächsten Auszahlung, vor allem ein Signal an das eigene Volk.

Ob da Le Maires Vorschlag reichen wird? Politisch und ökonomisch sieht man in Brüssel darin keinen wirklichen Hebel; von einem "netten Vorschlag" ist die Rede, ein "Game Changer" sei das aber nicht. Zumal unklar ist, was der IWF davon hält. Auch Deutschland scheint bislang nicht überzeugt. Denn was geschieht, wenn die griechische Regierung mögliche Einnahmen lieber in künftige Wahlkampfgeschenke steckt als in den Abbau von Schulden?

Egal was aus Le Maires Vorschlag am Ende wird, eines hat er schon jetzt erreicht: Aufmerksamkeit. Im politischen Geschäft ist dies keine ganz unwichtige Währung. Schon gar nicht, wenn man bedenkt, dass die Euro-Finanzminister im Herbst über einen Nachfolger für ihren bisherigen Vorsitzenden Jeroen Dijsselbloem nachdenken müssen.

© SZ vom 13.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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