Griechenland:Private Investoren gesucht

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Helfende Hand: Bemalte Wand in der griechischen Hauptstadt. (Foto: Yorgos Karahalis/AP)

Die Bankenaufsicht der EZB überprüfte die Institute auf ihre Krisenfestigkeit und registrierte eine Kapitallücke von bis zu 14,4 Milliarden.

Von Cerstin Gammelin und Markus Zydra, Frankfurt

Griechenlands Banken brauchen milliardenschwere Finanzhilfen. Sie werden bereits vom Staat gestützt - jetzt brauchen sie wieder mal frisches Kapital. Das ergab eine Untersuchung der Europäischen Zentralbank (EZB).

Die Bankenaufsicht der EZB nahm in den vergangenen Monaten die Bilanzen der vier größten Institute des Landes unter die Lupe: National Bank of Greece, Piraeus, die Alpha Bank und die Eurobank. Bei der Ermittlung des Geldbedarfs überprüfte sie in einem sogenannten Stresstest die Folgen der Entwicklung der griechischen Wirtschaft auf die Bilanzen der Banken. Diese sind vor allem wegen der schlechten Wirtschaftslage und der vielen Kreditausfälle unter Druck. Im schlimmsten Fall, etwa wenn die griechische Wirtschaft kollabieren sollte, bräuchten die vier Institute insgesamt 14,4 Milliarden Euro. Im besten Fall seien es nur 4,4 Milliarden Euro.

Den größten Kapitalbedarf ermittelte die EZB bei der Piraeus Bank: Sie benötigt 4,93 Milliarden Euro. Bei der National Bank of Greece sind es demnach 4,6 Milliarden, bei der Alpha Bank 2,74 Milliarden und bei der Eurobank 2,12 Milliarden Euro. Bei dem Check kam zudem heraus, dass sich die Summe fauler Kredite um sieben Milliarden auf 107 Milliarden Euro erhöht hat. Insgesamt ist fast die Hälfte aller Darlehen in Gefahr.

Jens Spahn, parlamentarischer Finanzstaatssekretär, kommentierte die Prüfungsergebnisse der EZB so: "Es ist gut, dass wir nun den genauen Kapitalbedarf der griechischen Banken kennen. Er liegt deutlich niedriger als befürchtet. Wenn es nun gelingt, private Investoren zu finden, sinkt der Bedarf an ESM-Hilfe (Europäischer Stabilitätsmechanismus) weiter. Funktionsfähige Banken sind jedenfalls ein wichtiger Baustein, um zu mehr wirtschaftlichen Wachstum in Europa zu kommen."

Bis zum 6. November müssen die Banken mitteilen, wie sie das Kapital beibringen wollen. Die Rekapitalisierung soll bis Jahresende abgeschlossen sein. Dabei sollen die Geldhäuser zuerst ihre Aktionäre fragen oder sich um andere Mittel an den Kapitalmärkten bemühen. Die EZB geht davon aus, dass private Investoren eine wichtige Rolle bei den anstehenden Kapitalerhöhungen spielen werden. Experten rechnen damit, dass sich vor allem wieder risikobereite amerikanische Hedgefonds an den Kapitalerhöhungen beteiligen könnten. Diese hatten zuletzt die Kurseinbrüche der Aktien griechischer Banken zum Einstieg genutzt und auch bei neu platzierten Aktien zugegriffen.

Der Restbedarf wird dann aus dem Hilfspaket für Griechenland gedeckt. Das dritte Griechenland-Hilfsprogramm vom Sommer umfasst 86 Milliarden Euro. Davon stehen bis zu 25 Milliarden Euro für die Banken zur Verfügung. Damit das Geld fließen kann, muss Griechenland Reformen umsetzen und in dem konkreten Fall der Banken-Rettung ein Gesetz zur Rekapitalisierung der Institute verabschieden. Das tat das griechische Parlament am Samstagabend mehrheitlich. Außer den Kommunisten und den Rechtsextremisten stimmten alle Parteien dafür, wie das Staatsfernsehen (ERT) berichtete.

Die Details der Bedingungen der Rekapitalisierung wollte die Regierung noch am Sonntag per Ministerialerlass bekannt geben. Wichtigster Punkt ist nach Berichten der griechischen Finanzpresse der Prozentsatz der Beteiligung des Staates und der Privatanleger. Mit dem Gesetz soll vor allem die Unabhängigkeit der Banken und die Effektivität der Vorstände gesichert werden.

Größtes Problem für die Banken ist der hohe Bestand an Immobilienkrediten. Viele Haus- und Wohnungseigentümer können diese wegen der Wirtschaftskrise derzeit nicht mehr tilgen. Ministerpräsident Alexis Tsipras will aber verhindern, dass die Banken massenhaft Eigentümer aus ihren Häusern oder Wohnungen werfen. Andererseits braucht er wieder gesündere Banken, damit diese Luft haben, um über Kredite die Wirtschaft des Landes anzukurbeln. Die griechische Regierung nahm die Ergebnisse des Stresstests in einer ersten Reaktion positiv auf. "Ich bin heute viel zufriedener und optimistischer in Bezug auf die Rekapitalisierung der Banken, als ich es vor einem Monat war", sagte Finanzminister Euklid Tsakalotos.

Griechenland stand im Frühjahr kurz vor der Pleite. Die griechische Finanzbranche hat im Zuge der daraus resultierenden Wirtschaftskrise zahlreiche faule Kredite angehäuft. Die griechische Regierung hatte im Sommer Kapitalverkehrskontrollen eingeführt, um einen noch stärkeren Ansturm auf die Institute zu verhindern. Weil befürchtet wurde, dass Griechenland aus der Euro-Zone ausscheidet, räumten viele Bürger ihre Konten leer.

Die meisten Experten erwarten, dass die Kapitalverkehrskontrollen mindestens bis in das zweite Halbjahr 2016 bestehen bleiben werden. Die Regierung in Athen und Bankenvertreter hatten argumentiert, dass die Kontrollen bereits Anfang des kommenden Jahres aufgehoben werden können - nach der Rekapitalisierung der griechischen Banken. "Das ist zu optimistisch", sagt allerdings Achilleas Chrysostomou, Ökonom bei der Standard Chartered Bank in London, "ich denke, dass die europäischen Partner, die Gläubiger, mehr Beweise für die Umsetzung des Programms sehen wollen, bevor sie ein gutes Gefühl dabei haben, die Kapitalverkehrskontrollen aufzuheben.

© SZ vom 02.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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