Goldpreis:Matter Glanz

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Gold gilt eigentlich als Krisenwährung. Doch obwohl ein Handelskrieg droht, fällt derzeit der Preis des Edelmetalls. Die Investoren vertrauen darauf, dass alles schon gut enden wird.

Von Victor Gojdka, München

Das Wort "Goldbären" hat für viele Deutsche einen positiven Klang: Sie verbinden damit eine süße Nascherei. Es gibt aber noch eine andere, weniger positive Bedeutung: "Gold-Bären", das sind in der Sprache der Finanzexperten solche Anleger, die skeptisch gegenüber dem Edelmetall eingestellt sind und auf fallende Kurse setzen. Und von denen sind gerade besonders viele unterwegs. Sie haben in den vergangenen Wochen und Monaten besonders viel Gold verkauft - und den Preis in die Tiefe gedrückt.

Für viele Experten ist das ungewöhnlich, ihnen galt Gold immer als Krisenwährung. Flammen auf der Welt politische, wirtschaftliche oder militärische Krisenherde auf, flüchten sich die Anleger eigentlich in sichere Häfen, auch und vor allem ins Gold. Eigentlich.

Krisen gibt es derzeit auf der Welt genug. Doch trotz eines irrlichternden US-Präsidenten, trotz populistischer Tendenzen in Europa kennt der Goldpreis momentan vor allem eine Richtung: nach unten. Anfang Januar lag der Preis für eine Feinunze Gold (31,1 Gramm) noch bei rund 1350 Dollar, seit Mitte April geht es bergab. Nun sind es nur noch 1230 Dollar, neun Prozent weniger.

„Die Anleger sind aktuell wie eingeschläfert“, sagt Thorsten Polleit vom Goldhändler Degussa. (Foto: Hannelore Förster/Imago)

Und grundsätzlich stimmt es ja auch: Die Gefahren im Handelsstreit werden immer größer, US-Präsident Donald Trump drohte kürzlich damit, möglicherweise bald alle Importe aus China mit Strafzöllen zu belegen. Die neue rechtspopulistische Regierung in Italien liebäugelte zumindest zeitweise mit einem Ausstieg aus dem Euro, der die Währung als Ganzes in Gefahr brächte. Und ob der Austritt der Briten aus der EU am Ende nicht doch völlig ungeordnet vonstattengeht, weiß auch niemand.

Dass die Anleger angesichts dieser Brandherde nicht ins Gold flüchten, hat viel mit der Stimmung an den Märkten zu tun. "Die Anleger sind aktuell wie eingeschläfert", sagt Chefvolkswirt Thorsten Polleit vom Goldhändler Degussa. Denn die gegenwärtigen Krisen machen sich weder an den Aktienmärkten noch beim Gold besonders bemerkbar. Polleits simple Erklärung: Offenbar vertrauen die Anleger mehrheitlich darauf, dass Politik und Notenbanken im Zweifel für jedes wirtschaftliche Problem schon eine Lösung finden werden, das heißt, wieder einmal alles retten werden. Der alte Satz, dass die Märkte viele drohende Krisen schon vorab "einpreisen", also in die Preise einkalkulieren, er gilt aktuell nicht mehr.

Der Goldpreis hat einen starken Gegner: Jerome Powell, den Chef der US-Notenbank

Neben diesen psychologischen Gründen hat vor allem ein Mann den Anlegern das Gold madig gemacht: Jerome Powell, Chef der Federal Reserve, der US-Notenbank. "Powells klarer Ausblick auf steigende Leitzinsen ist bitter für den Goldpreis", sagt Gabriele Widmann, Rohstoffanalystin der Deka-Bank. Denn erst in der vergangenen Woche zeigte sich Powell bei einer turnusmäßigen Anhörung vor dem Bankenausschuss des Senats optimistisch in Sachen US-Konjunktur. "Aktuell ist der beste Weg nach vorn, die Leitzinsen schrittweise anzuheben", schob Powell hinterher.

Auf solche Nachrichten reagiert der Goldpreis sensibel, denn Gold wirft im Unterschied zu Staatsanleihen keine Zinsen ab. "Je mehr Zinsen die Staatsanleihen also bringen, desto unattraktiver wird Gold", sagt Rohstoffanalyst Eugen Weinberg von der Commerzbank. Für viele Goldanleger ist dieses Zinsargument der wichtigste Faktor, warum sie in den vergangenen Wochen Gold verkauft haben. Vor allem die großen Spieler am Markt folgen dieser Logik: Hedgefonds, Pensionskassen, Versicherungen. Man kann das an Zahlen ablesen, denn viele von ihnen lagern ihr Gold nicht im Kellergeschoss. Sie kaufen stattdessen oft sogenannte Indexfonds, deren Wertentwicklung eins zu eins den Goldpreis nachbildet. Viele der Indexfonds kaufen das Gold dann wiederum selbst und übernehmen die Lagerung für ihre Kunden. Dem Datenanbieter Bloomberg zufolge haben Anleger allein zwischen Mitte Mai und Mitte Juli rund zweieinhalb Millionen solcher Index-Goldunzen auf den Markt geworfen. Hielten sie Mitte Mai noch 72 Millionen Goldunzen über Indexfonds, waren es Mitte Juli nur noch etwa 69,4 Millionen.

Inzwischen haben sich ihnen allerdings auch die kurzfristig orientierten Spekulanten angeschlossen, die an den Finanzmärkten spezielle Wetten über Wohl und Wehe des Goldpreises abschließen können. Anfang des Jahres waren sie noch in Jubelstimmung, wetteten eifrig auf einen steigenden Goldpreis. Doch auch ihre Stimmung hat sich gedreht, in der vergangenen Woche dann setzten sogar mehr Zocker auf einen fallenden Goldpreis als auf einen steigenden, was selten vorkommt. "Die waren wie in Panik", sagt Rohstoffexperte Weinberg. "Das hat den Goldpreis weit nach unten getrieben."

Auch der starke Stand des Dollar gegenüber vielen Währungen weltweit drückt auf den Goldpreis. Zum Beispiel in Indien kaufen viele Privatleute vor der Hochzeitssaison im Herbst traditionell Gold als Mitgift, der Kurs der indischen Rupie hat zum Dollar seit Jahresbeginn jedoch um acht Prozent nachgegeben. Für eine Rupie bekommen Inder nun also weniger Gold als vorher, sie dürften sich nun zurückhalten.

Den Deutschen allerdings kann das die Laune nicht verderben, sie kaufen unbeirrt Gold. Der Goldhändler Pro Aurum meldet aktuell 25 Prozent mehr Nachfrage als im ersten Quartal. Die Käufer wollen jetzt offenbar vergleichsweise günstig einkaufen. Damit der Goldpreis allerdings aus seinem Tief herausfindet, müssten die Anleger schon auf eine Krise hoffen. Und das kann niemand ernsthaft wollen.

© SZ vom 24.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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