Seine Asse haben Boris Becker berühmt und reich gemacht. Erst auf dem Tennisplatz, wo Bumm-Bumm-Boris, wie er wegen seiner Schlagkraft genannt wurde, den Gegnern oft schon beim Aufschlag keine Chance ließ. Und später am Spieltisch, wo der frühere Wimbledon-Gewinner ebenfalls viele Asse servierte. Bei Pokerturnieren in London und Monte Carlo räumte Becker kräftig ab.
Der einstige Tennis-Held zockte für Pokerstars, den weltweit führenden Veranstalter dieses Glücksspiels, der von der britischen Isle of Man aus via Internet agiert. Mit Becker als Werbefigur - sein Vertrag soll mit mehreren Millionen Euro dotiert gewesen sein - hat die Insel-Firma längst auch den deutschen Markt erobert.
Mit den Geschäften hierzulande, wo Pokerstars Hunderttausende Mitspieler anlockt, könnte bald Schluss sein. Die Bundesländer untersagen reihenweise Pokerrunden, Kasinos, Sportwetten und andere Zocker-Angebote im Internet, wo inzwischen Milliardenbeträge umgesetzt werden. Mehr als 100 Verbots-Verfügungen haben die Länder, die das Glücksspiel regeln, in den vergangenen Jahren bereits an ausländische Unternehmen verschickt. 28 weitere Verfahren laufen, wöchentlich kommen neue Fälle hinzu. Das hat eine Umfrage der Süddeutschen Zeitung und des Norddeutschen Rundfunks bei allen Bundesländern ergeben.
Von dem rigiden Vorgehen betroffen sein soll auch Pokerstars. Die Firma von der Isle of Man hat derzeit angeblich im Rahmen eines "rechtlichen Gehörs" Gelegenheit, sich einer Verbannung vom deutschen Markt zu widersetzen. "Wir äußern uns nicht zu laufenden Verfahren", erklärt Pokerstars-Anwalt Wulf Hambach aus München, der mit seiner Kanzlei auf solche Auseinandersetzungen spezialisiert ist.
Es gehe um den Schutz der Bürger und der Allgemeinheit vor "schnellen, suchtfördernden Spielformen", sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Er ist sich mit seinen Kollegen aus den anderen Ländern weitgehend einig, hier einzuschreiten.
Niedersachsen ist für geplante Blockaden zuständig
Dass die Auslandsfirmen jahrelang prozessieren, auch sonst schwer zu greifen sind und sich bislang meist nicht an die Verbote halten, sondern munter weiter im Internet agieren, entmutigt Herrmann keineswegs. Ein "effektives Vorgehen" sei trotzdem möglich, glaubt Bayerns Innenminister, etwa durch ein Unterbinden der "Zahlungsströme". Das werde die Veranstalter von Online-Kasinos und anderen unerlaubten Angeboten im Kern treffen, meint Herrmann.
Zuständig für die geplante Blockade der Überweisungen von Spieleinsätzen ins Ausland, die mithilfe der Banken und Kreditkartenunternehmen durchgesetzt werden soll, ist das Land Niedersachsen. Das dortige Innenministerium hat eigens Experten angeheuert, um diese juristisch sehr umstrittene und technisch schwer machbare Maßnahme auch durchzusetzen.
Der Schutz der Bürger werde nur vorgeschoben, mutmaßt die kommerzielle Glücksspielbranche. Die Länder wollten vielmehr ihre Lotto- und Totogesellschaften schützen. Deren Umsatz ist in den vergangenen zehn Jahren von acht auf sieben Milliarden Euro gesunken. Das hatte Folgen für die Finanzminister der Länder. Sie kassierten von ihren eigenen Glücksspielbetrieben deutlich weniger Steuern und Abgaben; zeitweise fehlten gleich mehrere Hundert Millionen Euro pro Jahr in den Landeskassen.
Die Lottogesellschaften drängen bei Politikern aller Parteien und auf allen Ebenen, bis hin nach Berlin und Brüssel, immer stärker auf ein Verbot der privaten Internet-Konkurrenz. Die ist meist auf Niedrigsteuer-Inseln wie Malta ansässig, zahlt dort kaum Abgaben, kann daher höhere Gewinnquoten bieten und lockt immer mehr Spieler an. Studien zufolge werden die Lottogesellschaften weiter verlieren, wie bei den Sportwetten, wo das Staatstoto Oddset gegen die internationale Internet-Konkurrenz untergegangen ist. Die erzielt mit Fußball-Tipps, Kasinos und Pokerrunden in Deutschland bereits Gewinne in Milliardenhöhe. Es sei "fünf vor zwölf", klagen die Lottochefs.
"Am wirkungsvollsten wäre es, den Geldtransfer ins Ausland zu unterbinden. Wir hoffen, dass dies bald geschieht", sagt Michael Burkert, der die Geschäfte des Deutschen Lotto- und Totoblocks leitet. Burkert verweist auf den Europäischen Gerichtshof, der Deutschland vor drei Monaten erlaubt habe, gegen kommerzielle Glücksspielangebote im Internet vorzugehen.
Das werde scheitern, widerspricht der Münchner Anwalt Hambach, dessen Kanzlei zahlreiche Online-Anbieter vertritt. Die Dienstleistungsfreiheit in der EU gelte selbstverständlich auch auf diesem Markt. Gerichtsverfahren dauerten Jahre, am Ende könnten hohe Schadensersatzforderungen der betroffenen Anbieter folgen, warnt Hambach die Länder.
Betreibern von Zocker-Betrieben droht Haft
Doch die fühlen sich durch den Europäischen Gerichtshof ermutigt und gehen reihenweise vor gegen Roulette, Blackjack, Baccara, Bingo und Poker im Internet. Das niedersächsische Innenministerium teilt betroffenen Firmen mit, Klagen bei Gericht hätten "keine aufschiebende Wirkung". Wer trotzdem weiter Spieleinsätze aus Deutschland annehme, mache sich strafbar. Wer das als "Mitglied einer Bande" tue, könne zu fünf Jahre Gefängnis verurteilt werden. Dieser Hinweis sei fehl am Platze, entgegnet Anwalt Hambach.
Die Länder demonstrieren neuerdings Härte, nachdem sie sich bisher kaum durchsetzen konnten. In Baden-Württemberg hat das dort zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe seit 2007 bereits rund 80 Glücksspielangebote im Internet untersagt, aber im Ausland meist nicht vollziehen können. Nur in vier Fällen gelang es den Behörden, Zwangsgelder zu verhängen, weil die Firmen Vermögen im Inland hatten.
Boris Beckers Einsatz bei Pokerstars ist inzwischen beendet. Das Unternehmen von der Isle of Man hat den Vertrag 2013 auslaufen lassen. Pokerstars braucht jetzt keine Werbefiguren mehr, sondern gute Anwälte.