Giesecke-Chef Ottenberg:"Wir können nicht politisch handeln"

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Der Chef des Banknotenherstellers Giesecke & Devrient, Karsten Ottenberg, wehrt sich gegen Kritik an seinen Geschäften mit Diktator Mugabe.

Markus Balser

Der damalige Philips-Manager Karsten Ottenberg, 47, wurde vor fast vier Jahren Chef des Milliardenkonzerns Giesecke & Devrient. Das Unternehmen, seit 157 Jahren in Familienbesitz, ist einer der größten Banknotendrucker und Chipkartenhersteller der Welt. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung spricht Ottenberg über das Geschäft mit Geld in Zeiten der Krise.

Karsten Ottenberg, Chef des Banknotenherstellers Giesecke & Devrient, verteidigt im SZ-Interview die Lieferungen von Banknoten an Zimbabwes Diktator Robert Mugabe. (Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Ottenberg, Sie stellen für 100 Volkswirtschaften ein begehrtes Produkt her: Banknoten. Jede zweite 50-Euro-Note in Deutschland kommt aus Ihren Fabriken. Was kostet ein druckfrischer Schein?

Karsten Ottenberg: Zentralbanken müssen für eine Banknote zwischen zehn und 20 Cent zahlen - abhängig von der Menge und den verwendeten Sicherheitsmerkmalen.

SZ: Ihre Fabriken sind Hochsicherheitstrakte. Was Scheine fälschungssicher macht, gilt vielen Regierungen als Staatsgeheimnis. An welchen neuen Techniken arbeiten Sie?

Ottenberg: An einer neuen Fenstertechnologie zum Beispiel. Sie wird in der ersten Währung noch in diesem Jahr auf den Markt kommen. Wir bauen in Geldscheine ein durchsichtiges Hologramm ein. Je nach Hintergrund - hell oder dunkel - entstehen so unterschiedliche Effekte und Bilder. Die Echtheit ist so leicht festzustellen - ohne technische Hilfsmittel. Und das Verfahren gilt als äußerst fälschungssicher.

SZ: Angesichts der Wirtschaftskrise wächst weltweit die Angst vor einer Inflation. Ihnen kann das nur Recht sein. Steigen die Preise, brauchen Zentralbanken und Verbraucher mehr Geld.

Ottenberg: Steigende Inflation ist für uns kein Vorteil. Zudem bedeutet es nicht zwingend, dass die Zahl der Banknoten steigt. Müssen Zentralbanken tatsächlich mehr Noten in Umlauf bringen, decken sie das zunächst aus ihren Reserven ab. Unser Banknotengeschäft hängt stärker von anderen Effekten ab.

SZ: Von welchen?

Ottenberg: Vor allem vom Wirtschaftswachstum. Steigt das Bruttoinlandsprodukt, steigt erfahrungsgemäß auch die Bargeldmenge. In den vergangenen Jahren ist sie weltweit um drei bis vier Prozent pro Jahr gewachsen. Außerdem tauschen Zentralbanken beschädigte Geldscheine inzwischen schneller aus.

SZ: Ihr Metier gilt als höchst verschwiegen - bis zum vergangenen Jahr. Nach öffentlichen Protesten mussten Sie zum ersten Mal in der 156-jährigen Firmengeschichte intensiv über einen Kunden reden: Zimbabwes Diktator Robert Mugabe. War es ein Fehler, dessen Unrechtsregime so lange mit der Notenpresse zu stützen?

Ottenberg: Richtig ist: Wir haben Banknotenpapier an die Zentralbank geliefert. Die Bundesregierung hat uns zu einem sehr späten Zeitpunkt gebeten, die Lieferung einzustellen. Dem sind wir gefolgt. Eine einfache Entscheidung war das nicht. Wir waren in einem Dilemma. Der Lieferstopp war einmalig in der Geschichte der Banknotenproduktion. Nie zuvor ist ein Lieferant aus einem existierenden Vertrag ausgestiegen.

SZ: Nochmal: Halten Sie die Lieferung im Nachhinein für einen Fehler?

Ottenberg: Nein, denn als Unternehmen, das für Staaten eine hoheitliche Aufgabe übernimmt, können wir nicht politisch handeln. Banknoten sind die Lebensader jeder Wirtschaft. Wir haben uns an die Gesetze gehalten. Die Zentralbank des Landes hatte von der Weltbank die Erlaubnis, sich Banknotenpapier zu beschaffen. Umgekehrt hätten wir uns deutlich klarere Vorgaben der Politik gewünscht.

SZ: Was meinen Sie?

Ottenberg: Die Politik hat sich nicht zu Sanktionen durchringen können, uns aber für das Stützen des Systems mitverantwortlich gemacht. Ich würde mir schon wünschen, dass politische Probleme auch in politischen Gremien geklärt und nicht an Unternehmen weitergereicht werden.

SZ: Menschenrechtler skandierten "Blutgeld", weil Mugabe mit dem Geld wütende Milizionäre und seine Entourage finanzierte. Dürfen Firmen da wirklich mitmachen?

Ottenberg: Nochmal: Als Unternehmen können wir nicht politisch handeln. Es gab keine Sanktionen. Erst nach unserem Lieferstopp hat die EU sich zu einem Embargo durchgerungen, das im Übrigen Banknotenpapier wiederum nicht einschließt.

Lesen Sie im zweiten Teil, warum Karsten Ottenberg den Kauf der Bundesdruckerei absagte - und wann die Gesundheitskarte kommt.

SZ: Der Markt für Sicherheitsaufträge - also für Banknoten oder Passsysteme - von Regierungen und Zentralbanken ist weltweit hart umkämpft. Sie haben im vergangenen Jahr versucht, mit der Bundesdruckerei einen Ihrer größten Konkurrenten zu schlucken - vergeblich. Warum?

Ottenberg: Wir haben es versucht, weil es eine interessante strategische Option war. Es hätte die Gelegenheit gegeben, einen Weltmarktführer zu schmieden und die Position beider Firmen am Weltmarkt zu stärken. Aber die Rahmenbedingungen dafür haben nicht gestimmt.

SZ: Weil Sie zu wenig zahlen wollten? Es heißt, Sie wollten 400 Millionen Euro bieten, der Treuhänder aber wollte fast eine Milliarde Euro haben.

Ottenberg: Zu unserem Gebot wurde viel spekuliert. Am Ende stand die Frage, was die Bundesdruckerei wert ist. Eine Übernahme um jeden Preis - das ist nicht unsere Strategie.

SZ: Nun kauft der Bund die Firma nach gescheiterter Privatisierung entnervt zurück. Ihr wichtigster Konkurrent wird damit zur Tochter Ihres wichtigsten Auftraggebers. Erwarten Sie fairen Wettbewerb?

Ottenberg: Es gibt sicher offene Fragen, was Wettbewerbssituation in Deutschland und im Ausland angeht. Wir werden uns sehr genau anschauen müssen, wie die Auftragsvergabe zum Beispiel für den elektronischen Personalausweis verläuft.

SZ: Schon jetzt scheint klar, dass die Bundesregierung später erneut versuchen wird, private Investoren für die Druckerei ins Boot zu holen. Starten Sie dann einen neuen Anlauf, oder sitzt der Frust zu tief?

Ottenberg: Mein Ego ist hier nicht gefragt. Für uns steht fest: Grundsätzlich ist die strategische Kombination beider Unternehmen sinnvoll. Sie ergänzen sich in Technologien und Märkten. Der Schritt wäre weiterhin möglich.

SZ: Ihr Prestigeprojekt elektronische Gesundheitskarte soll das Gesundheitswesen in Deutschland revolutionieren. Aber der Großauftrag stockt. Die Einführung war für 2007 angekündigt, jetzt ist von diesem Jahr die Rede. Wann kommt sie wirklich?

Ottenberg: Wir erwarten, dass das Projekt großflächig von Juli an startet.

SZ: Woher kommt die Verzögerung? Gab es technische Probleme?

Ottenberg: Nein, wir können sofort loslegen. Die Technologie ist einsatzbereit. Das Projekt muss nun endlich von allen Beteiligten durchgesetzt werden.

SZ: Gesetzliche Krankenkassen drohen noch immer mit Boykott, weil Ärzte nicht mitmachen wollen. Privatversicherer wehren sich, weil ihnen der gesetzliche Rahmen fehlt. Es scheint noch ein langer Weg zu sein, bis 80 Millionen Deutsche die Karte in der Hand halten.

Ottenberg: Das Projekt wird von vielen Bedenken begleitet. Aber es wird bis zur zweiten Jahreshälfte eine Lösung geben. Da bin ich mir sicher. Dann halten die ersten Patienten die Karte in der Hand. Bis zum Jahresende werden wir dann sicher mehrere Millionen Karten ausliefern.

SZ: Vieles im Gesundheitswesen wird mit der Karte digitalisiert - bis zum Rezept. Ärzte warnen, ältere Patienten könne dass überfordern. Drohen nicht die nächsten Probleme in der Praxis?

Ottenberg: Es ist natürlich für ältere Patienten eine Herausforderung mit der neuen Technologie umzugehen. Aber es wird ein transparentes und sicheres , in dem zum Beispiel an Terminals in Apotheken Rezepte jederzeit abrufbar sind. Aber ich mache mir da keine Illusion. Wir werden sicher mit jeder neuen Funktion auch neue Diskussionen bekommen.

© SZ vom 03.03.2009/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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