Gerstensaft:Aus München in die Welt

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Das Münchner Oktoberfest ist eine Plattform für sechs Biermarken. Zwei davon agieren besonders raffiniert: Durch die gezielte Pflege eines Underdog-Images und den rustikalen Charme eines weltbekannten Gasthauses.

Rolf Schröter

Man kann das Oktoberfest als ein einzigartiges Wirtschaftssystem begreifen: Rund eine Milliarde Euro lassen die über sechs Millionen Gäste aus aller Welt innerhalb von zwei Wochen in der bayerischen Landeshauptstadt.

Am Stammtisch im Augustiner Biergarten in München. (Foto: Foto: ddp)

Auf der "Wiesn", wie das größte Volksfest der Welt von Einheimischen genannt wird, geht es vor allem um eins: um Bier. 6,1 Millionen Liter Oktoberfestbier wurden im vergangenen Jahr auf Münchens Theresienwiese ausgeschenkt.

Ein idealer Verkaufs- und Markenschauplatz für internationale Biermarken? Von wegen. Nur sechs in München ansässige Traditionsbrauereien sind von dem Veranstalter, dem Tourismusamt München, auf dem Festplatz zugelassen.

Nur Augustiner-Bräu ist unabhängig

Doch nur noch eine der sechs Oktoberfestmarken ist wirtschaftlich unabhängig: Augustiner-Bräu. Während Münchner Hofbräu dem bayerischen Staat gehört, sind die restlichen vier längst von internationalen Bierkonzernen geschluckt worden.

Paulaner und Hacker-Pschorr gehören zur Brau-Holding-International (BHI), einem Joint Venture der Schörghuber-Gruppe und dem niederländischen Braukonzern Heineken. Spaten und Löwenbräu ergänzen das Portfolio von InBev, der größten Brauerei-Holding der Welt, die in Belgien sitzt.

Von der Image-trächtigen Oktoberfest-Präsenz profitieren jedoch insbesondere die zwei kleineren Wettbewerber. Während Hacker-Pschorr in Print- und Funkwerbung pro Jahr rund anderthalb Millionen Euro investiert und die Brandmanagerin der Marken Löwenbräu und Spaten, Stephanie Seifried, Werbemaßnahmen mit dem Marketing-Headquarter bei InBev im belgischen Leuwen abspricht, schaffen Augustiner und Münchner Hofbräu es, die lokale Karte am raffiniertesten auszuspielen - wenn auch auf völlig unterschiedliche Art und Weise.

Underdog-Image

So verzichtet Augustiner ganz auf Werbung und pflegt damit sein authentisches Münchner Underdog-Image. Das kommt bei jungen Szenegängern immer besser an. In Berliner In-Kneipen wird zunehmend Augustiner bestellt. Beispiel: Der Absatz des Berliner Getränkegroßmarkts Lehmann mit dem Münchner Traditionsbier (Gründungsjahr: 1328) hat sich in den ersten sechs Monaten dieses Jahres verachtfacht.

Die Brauerei selbst gibt sich zugeknöpft und bleibt auf Lokal-Kurs. "Wir liefern nicht nach Berlin", so eine Sprecherin, bestätigt aber spitzfindig das Interesse der Preußen: "Wenn, dann holt der Getränkehandel ab."

Während des Oktoberfests verzichten die sechs Wiesn-Biermarken darauf, Kampagnen zu schalten. Sie dürfen nicht. Doch abgesehen davon, dass die Stadt München den Sechs ein Verbot ausgesprochen hat, wäre Werbung hier, für die 14 Festzelte, fast rausgeschmissenes Geld. In Asien warb Löwenbräu mal in Zeitungen - aber mit dem Hacker-Pschorr-Zelt.

Das Staatliche Hofbräuhaus in München, quasi eine Unterabteilung des bayerischen Finanzministeriums, profitiert indessen von einem Werbeträger der besonderen Art, dem Hofbräuhaus selbst.

Täglich 5000 Gäste

Allein während der Wiesn nimmt das Haus am Platzl auf seinen 11.000 Quadratmetern pro Tag durchschnittlich 5000 Gäste auf. Nur rund ein Viertel der Gäste des Hofbräuhauses kommen aus München und der Umgebung, berichtet Wolfgang Sperger, der gemeinsam mit seinem Bruder Michael die Traditionsgaststätte in Pacht führt.

Mit Hilfe der Münchner Agentur BBMC betreiben die Spergers Basis-Marketing. Ein Film, den BBMC über die Geschichte des "berühmtesten Wirtshauses der Welt" produziert hat, wirbt international für das Hofbräuhaus und damit auch für die Biermarke HB. In sieben Sprachen ist der Film erhältlich, darunter auch Chinesisch und Japanisch.

Eine Münze für eine Maß

Alle Werbemaßnahmen der wohl berühmtesten Immobilie des Freistaats Bayern sind mit der Brauerei abgestimmt. Marketingleiter Stefan Hempl hält den kurzen Draht zu Wolfgang Sperger. So hat der Hofbräuhauswirt zum Beispiel eine Münze prägen lassen, für die man eine Maß Bier erhält.

Touristen zahlen elf Euro und erhalten dafür eine solche Münze und einen gläsernen Maßkrug. Beide werden erfahrungsgemäß vor Ort nicht benutzt, sondern treten die Reise in die jeweiligen Heimatländer an.

Die Außenwirkung des Hofbräuhauses ist enorm. Abgesehen davon, dass es Oktoberfeste mittlerweile selbst in Thailand, Namibia und Jamaika gibt, steht sogar ein originalgetreu nachgebautes Hofbräuhaus in der amerikanischen Glitzermetropole Las Vegas.

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