Geplante Regeln für Managergehälter:Alle Macht dem Aktienvolk

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Nach Schweizer Vorbild: Künftig soll die Hauptversammlung über Managergehälter entscheiden. (Foto: dpa)

Künftig sollen die Aktionäre entscheiden, wie viel der Vorstandschef verdienen darf. Wird dieser Plan etwas ändern? Ein Blick in ausgewählte börsennotierte Unternehmen zeigt: Großaktionäre sitzen häufig selbst im Aufsichtsrat.

Von Elisabeth Dostert

Wer hat's erfunden? Die Schweizer, wird es irgendwann heißen. In einer Volksabstimmung plädierten die Eidgenossen Anfang März mit großer Mehrheit dafür, dass künftig die Hauptversammlung über die Bezüge der Manager verbindlich abstimmen soll. Alle Macht dem Aktienvolk! Klingt nach Basisdemokratie.

Wenig überraschend, dass der Vorschlag - denn ein Gesetz gibt es auch in der Schweiz noch nicht - erste Nachahmer findet. Noch vor der Sommerpause will die CDU/CSU/FDP-Koalition in Deutschland neue Regeln für Managergehälter beschließen. Künftig soll, nach Schweizer Vorbild, die Hauptversammlung entscheiden und zwar verbindlich. Empfinden die Aktionäre die Entlohnung des Vorstand als zu opulent, können sie diese ablehnen; allerdings wäre auch das Gegenteil denkbar. An den Details arbeiten die Experten unter Zeitdruck, der Koalitionsschuss soll schon am Donnerstag nächster Woche entscheiden.

Damit würden die Rechte der Aktionäre deutlich gestärkt. Denn bislang, so steht es in Paragraf 120 Absatz 4 des Aktiengesetzes, kann die Hauptversammlung börsennotierter Gesellschaften nur über die Billigung des Vergütungssystems beschließen. Wie die Abstimmung ausgeht, hat aber am Ende keinen Einfluss auf die Vergütung.

Gemischte Reaktionen

Auch der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK), der für eine gute Unternehmensführung sorgen soll, widmet sich in Kapital 4 ausführlich der Vergütung von Vorständen. Es handelt sich nur um Empfehlungen, an denen sich aber viele Unternehmen orientieren, weil zum Beispiel potenzielle Investoren Wert darauf legen. Der Kodex wird gerade überarbeitet. Ein zentraler Änderungsvorschlag: "Die Vergütung soll insgesamt und hinsichtlich ihrer einzelnen Vergütungsteile betragsmäßige Höchstgrenzen aufweisen." Im Mai will die Regierungskommission abschließend beraten.

Bei der DWS, in der die Deutsche Bank ihr Publikumsfondsgeschäft führt, findet die Schweizer Initiative Gefallen. "Auch in Deutschland müssen die Aktionärsrechte gestärkt werden", sagt Henning Gebhardt, Leiter Europäische Aktien bei der DWS. Zumindest über Bandbreiten der Bezüge von Vorständen und Aufsichtsratsmitgliedern sollten auch hierzulande die Aktionäre abstimmen, sagt Gebhardt: "Jährliche Abstimmung über konkrete Zahlen bringen uns aber nicht weiter, dies öffnet bei diesem hochemotionalen Thema nur unkontrollierbaren Neiddebatten Tür und Tor."

"Gar nichts" hält dagegen das Deutsche Aktieninstitut vom Vorschlag der Koalition. "Die Aktionäre können die Geschäfte nicht effektiv überwachen, nicht so wie der Aufsichtsrat, er hat ein Informationsrecht gegenüber dem Vorstand", sagt DAI-Expertin Cordula Heldt. Anders als die Hauptversammlung, sei das Kontrollgremium dem Unternehmensinteresse verpflichtet. Alle Maßnahmen seit der Finanzkrise hatten auch die Stärkung des Aufsichtsrats zum Ziel. Wenn der Aufsichtsrat auf den Segen der Aktionäre angewiesen sei, entzöge der Gesetzgeber ihm und damit auch den Arbeitnehmervertretern seine "Macht", die er für eine effektive Überwachung benötige, denn über Boni kann er starken Einfluss auf den Vorstand nehmen.

Und würde ein Gesetz wirklich etwas an der Vergütung ändern? Die Großaktionäre sitzen häufig im Aufsichtsrat. Würden sie in der Hauptversammlung gegen den eigenen Vorschlag stimmen. Eher nicht, wie Beispiele börsennotierter Firmen zeigen.

BMW

Beim Genfer Autosalon wurde BMW-Chef Norbert Reithofer neulich gefragt, wie er denn sein Gehalt sehe im Vergleich zu anderen Chefs. Reithofer, der 2011 insgesamt 6,2 Millionen Euro überwiesen bekam, zeigte sich zufrieden mit seinem Salär. Mehr Geld? Kein Thema für den Chef. "Auch für 20 Millionen Euro" würde er nicht zu anderen Konzernen wechseln. Warum er nicht so viel verdiene wie etwa sein Kollege bei VW? Reithofer: Ein zweistelliges Millionengehalt bei BWM sei einfach nicht "Quandt-Kultur".

Die Quandts, das ist jene Industriellenfamilie, die mit 46,7 Prozent fast die Hälfte der BMW-Anteile hält. Stefan Quandt und Schwester Susanne Klatten sitzen im Aufsichtsrat und üben direkt ihren Einfluss aus. Eine Gesetzesänderung würde in München nicht viel ändern. Schon heute bestimmen die Aktionäre über das Gehalt ihrer Angestellten. Im Rekordjahr 2011 bekam der gesamte Vorstand 27,2 Millionen Euro überwiesen. Viel Geld, aber weitaus weniger als bei den Herren einige hundert Kilometer weiter nördlich bei VW.

VW

Der VW-Vorstand bekam in Summe nämlich 70,5 Millionen Euro ausgezahlt. Nun bauen die Wolfsburger zwar einige Millionen Autos mehr im Jahr, sind ebenfalls hoch profitabel und dirigieren insgesamt zwölf Marken von Audi über Porsche bis Scania. Aber genügt das schon, um zu begründen, dass man VW-Chef Martin Winterkorn für 2011 mit 17,5 Millionen Euro fast drei mal so viel Geld überwiesen hatte wie seinem Münchner Kollegen?

Ähnlich wie BMW ist auch Volkswagen in festen Händen. Die Familien Porsche und Piëch halten über die Porsche Holding SE mehr als die Hälfte der Anteile; das Land Niedersachsen ist ebenfalls mit 20 Prozent an Bord, das Emirat Katar hält weitere 17 Prozent. Sie alle sind im Aufsichtsrat vertreten, und der Streubesitz ist verschwindend gering. Auch bei VW also gilt: Egal, was der Gesetzgeber entscheidet - wer, wenn nicht die wenigen mächtigen VW-Hausaktionäre, sollte über die Millionengehälter der Manager entscheiden?

Siemens

Siemens-Chef Peter Löscher gehörte 2012 mit einem Gesamtgehalt von 7,9 Millionen Euro zu den Spitzenverdienern im Dax, der gesamte Vorstand bekam fast 40 Millionen Euro Gage - lag also über BMW, aber weit unter VW. Allerdings liegen die Dax-Schwergewichte VW und Siemens nicht nur bei der Bezahlung ihrer Vorstände weit auseinander: Siemens machte 2012 bei einem Umsatz von 78,3 Milliarden Euro 5,2 Milliarden Euro Gewinn. VW dagegen erlöste mehr als 190 Milliarden Euro Umsatz, der Gewinn schoss auf fast 22 Milliarden Euro - absoluter Dax-Rekord.

Anders als bei VW oder BMW könnte eine Gesetzänderung bei Siemens in der Hauptversammlung für heftige Debatten über die Gehälter sorgen, vor allem dann, wenn die Geschäfte mal schlechter laufen. Denn die Aktie ist breit gestreut, größere Aktionäre sind allein die Siemens-Familie und der Finanzinvestor Black Rock mit sechs bzw. fünf Prozent.

HHLA

Die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) macht mit zwei Trends von sich reden, die unterschiedlicher kaum sein könnten. In den ersten neun Monaten 2012 stürzte das operative Ergebnis um 12,6 Prozent ab. Das hinderte den Hafenkonzern aber nicht daran, die Gehälter des Vorstands zu erhöhen. Die Gesamtvergütung kletterte von 2,5 auf mehr als vier Millionen Euro. Das sorgt für Empörung. Denn das Unternehmen ist zwar börsennotiert. Aber es gehört zu 68 Prozent der Stadt und damit irgendwie allen Hamburgern. "Da werden sich schnell die Taschen vollgemacht, bevor das Ergebnis in den Keller geht", kritisiert Norbert Hackbusch, haushaltspolitischer Sprecher der Linken in der Bürgerschaft.

Beschlossen hat das neue Vergütungssystem der Aufsichtsrat; es war mit dem Hamburger Senat abgestimmt. Dieser hat vier Vertreter im Aufsichtsrat. Dürfte die Hauptversammlung über Gehälter entscheiden, könnte sich die Stadt weiter durchsetzen; ändern würde sich wenig, eher würden eher die Vertreter von Verdi und Betriebsrat im Aufsichtsrat entmachten.

Beiersdorf

Als einer der größten deutschen Konsumgüter-Hersteller ist Beiersdorf im Dax notiert. Doch das Sagen haben nicht die Kleinaktionäre, sondern die Hamburger Familie Herz. Michael und Wolfgang Herz gehören 50,47 Prozent am Nivea-Hersteller und sie bestimmen über die Gehälter. Das bekam Ex-Chef Thomas-B. Quaas zu spüren. Er war mit einem Gehalt von zuletzt einer Million Euro jahrelang einer der schlecht bezahltesten Dax-Chefs der Republik. Der neue Boss Stefan Heidenreich hat mit dem Mehrheitsaktionär besser verhandelt: Er verdient mindestens drei Millionen Euro pro Jahr. Eigentümer Michael Herz sitzt selbst im zwölfköpfigen Aufsichtsrat, unterstützt wird er von zwei Vertretern, darunter der Vorsitzende des Gremiums, Reinhard Pöllath. Der Anwalt aus München ist einer der Strippenzieher der Familie - auch, was Gehälter angeht. Bei dieser Gemengelage dürfte sich für die Vergütung kaum etwas ändern, wenn die Aktionäre darüber abstimmen.

Sixt

Beim Mietwagenunternehmen Sixt AG ist alles ganz einfach. Firmengründer Erich Sixt, 68, ist der Bestimmer, er ist Vorstandsvorsitzender und Mehrheitsaktionär in einer Person. Er mag nicht nur seine in der Firma mitarbeitende Familie und alte Autos, sondern auch Aktionäre. Denn die geben ihm Geld, und - zumindest bei den beiden letzten Hauptversammlungen - verehren sie ihn kultisch. Sie danken ihm dafür, dass sie mit stimmrechtslosen Vorzugsaktien an seinen Erfolgen teilhaben dürfen. Der Mann führt das Unternehmen wie eine Mischung aus Patriarch und Magier. Kesse Werbesprüche schreibt er schon mal selbst.

In der Regel ist er dabei erfolgreicher als die Konkurrenten, die fast alle unter die Finanzhaie geraten sind. Sixt ist sein eigener Finanzhai. Die Frage nach seinem Einkommen findet er blöd und lässt er unbeantwortet. Geradezu rührend schildert Erich Sixt als seine angeblich schwierigste Entscheidung in jedem Jahr, wie er mit sich ausmachen muss, was der Vorstand verdienen soll und was die Aktionäre bekommen. Ein Großteil davon landet ohnehin bei ihm, daran wird auch kein Gesetz etwas ändern.

Gerry Weber

Modeunternehmer Gerhard Weber, 71, macht den Job des Vorstandschef schon seit ewigen Zeiten. Die Firma trägt seinen Namen: Gerry Weber. Er hat sie vor vier Jahrzehnten mitgegründet, damals noch als Hatex AG. Im Geschäftsjahr 2011/2012 verdiente der Chef 4,551 Millionen Euro, weit mehr als seine beiden Kollegen. Das Gehalt von Weber hängt wesentlich vom Erfolg der Firma ab; "nur" 751 000 Euro sind fix. Die Ziele für die variable Vergütung legt der Aufsichtsrat fest. In dem sitzt unter anderem Mitgründer Udo Hardieck, dessen Familie 17,42 Prozent des Kapitals hält, und Webers Ehefrau Charlotte Weber-Dresselhaus. Weber hält 28,89 Prozent des Kapitals. Wie es der Corporate Governance Kodex empfiehlt, hat sich die Gruppe eine Grenze gesetzt. Für Vorstandsmitglieder, die nach dem 24. Mai 2011 den Posten übernahmen, orientiert sich der variable Teil an der um Sondereffekte bereinigten Gesamtkapitalrendite. Erst ab einer Zielerreichung von mehr als 50 Prozent gibt es etwas "oben drauf"; bei 150 Prozent ist Schluss.

Symrise

Heinz-Jürgen Bertram, 54, leitet den Aroma- und Dufthersteller Symrise. Zwei Dritteln der im MDax notierten Aktien sind im Streubesitz. 2012 verdiente der gelernte Chemiker 1,1 Millionen Euro, 600 000 Euro waren fix, der geringere Teil variabel oder Sachbezug, wie etwa der Firmenwagen. Der variable Teil ist von Umsatz und Gewinn abhängig und auf maximal 150 Prozent der Festvergütung gedeckelt. Zur jährlichen variablen Vergütung kommt ein langfristiges Vergütungsprogramm auf Aktienbasis sowie eine betriebliche Altersvorsorge. Für Bertram waren für einen Zeitraum von fünf Jahren 1,3 Millionen Euro zurückgestellt. Zu den Anteilseignern gehören die britische Prudential, die Versicherung Sun Life und Investmentfonds. Auch die Familien Gerberding und Jahr sind beteiligt. Die Profi-Aktionäre achten streng auf den Erfolg der Firma. Ihrem Einfluss können sich die Manager Symrise nicht entziehen.

WMF

Ob die Managergehälter bei WMF angemessen sind? "Nein! Auf keinen Fall!", zürnt Bernd Rattay. Der IG-Metall-Gewerkschafter verfolgt seit Jahren die Entwicklung des Besteck- und Küchengeräteherstellers. Mittlerweile sitzt er auch im Aufsichtsrat des Unternehmens, das eine Milliarde Euro umsetzt - mehr als doppelt so viel wie noch 2005 (unterm Strich verdiente das Unternehmen 2011 44 Millionen Euro). Doch mit dem Wachstum haben sich zunehmend die Gehaltsrelationen verschoben, klagt Rattey. Das Topmanagement mache Kasse, während etwa jüngst ein Anerkennungstarifvertrag im Logistikbereich gekündigt worden sei, weil WMF die Löhne zu hoch waren. Etwas mehr als eine Million Euro verdiente Vorstandschef Thorsten Klapproth im Jahr 2011.

Doch das ist nicht alles: Der gesamte Vorstand war beteiligt am bisherigen Mehrheitseigner, dem Finanzfonds Capvis. 15 Millionen Euro dürfte der Vorstand über diese indirekte Beteiligung in sechs Jahren zusätzlich verdient haben, gestand Klapproth im vergangenen Sommer ein. An diesem Einnahmegefüge würde eine Mitsprache der Aktionäre nichts ändern, glaubt Rattay: Mittlerweile hält ein anderer Finanzfonds, KKR, 72 Prozent von WMF. Dass ausgerechnet dieser Finanzinvestor als Mehrheitseigner beim Gehalt mäßigend eingreift, ist tatsächlich eher unwahrscheinlich. Zumal auch KKR die WMF-Manager am Kapital beteiligen will.

© SZ vom 14.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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