Geldwerkstatt:Sparen durch Nichtstun

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Niedrige Zinsen, hohe Unsicherheit - wie soll man da noch sein Geld investieren? In der "Geldwerkstatt" erklären wir aktuelle Fragen zur Geldanlage. (Foto: SZ-Grafik)

Geld auf die Seite zu legen, fällt vielen Menschen ziemlich schwer. Doch schon mit einfachen Tricks können wir unser Gehirn überlisten. Und Apps helfen auch.

Von Victor Gojdka, München

Es ist ein kleines, weißes Marshmallow, das die Menschheit in zwei Teile dividiert. Zwei mal zwei Zentimeter, sieben Gramm schwer, so liegt der Zuckerberg nun auf dem Teller vor einem vierjährigen Mädchen. Sie streckt den weißen Klumpen gegen das Licht und kneift die Augen zusammen. Soll sie das Marshmallow sofort verschlingen - oder fünf Minuten warten und zur Belohnung noch ein zweites bekommen? Das Mädchen windet sich, trommelt mit den Fingern auf dem Tisch, stupst mit der Zungenspitze an den weißen Knubbel. Oh, hat das jemand gesehen?

Wie Kinder der süßen Versuchung trotzen, mag man witzig finden. Doch der Test hält uns allen den Spiegel vor: Er teilt uns in jene, die alles sofort wollen. Und jene, die sich gedulden, um später mehr zu bekommen. Landläufig nennt man das "sparen". Denn dabei ist es völlig egal, ob es um Marshmallows oder Euro geht.

Im neuen Jahr, in Zeiten guter Vorsätze, da wollen viele wieder einen Anlauf wagen und etwas Geld beiseitelegen. Fürs Alter, für die nächste Reise, für die Kinder. Die Ziele klingen gut, doch der Weg ist steinig. Experten allerdings sind überzeugt, schon mit einigen Tricks können wir unser Hirn überlisten.

Bar statt Karte

Im Portmonee nach Kleingeld kramen, das gehört fast schon der Vergangenheit an. Stattdessen einmal mit der EC-Karte über das Terminal wischen und alles ist bezahlt. Kontaktloses Bezahlen kann so bequem sein - aber auch heimtückisch. Egal ob Verbraucher eine Fahrkarte für 2,30 Euro kaufen, eine Hose für 70 Euro oder ein paar Lederschuhe für 250 Euro, die Handbewegung ist immer dieselbe. Die Karte aus dem Portmonee zücken, auflegen, fertig. Wie viel Geld Kunden mit einer Karte ausgeben, ist ihnen oft kaum bewusst.

"Bar zu zahlen ist psychologisch viel schwieriger", sagt Finanzexpertin Kerstin Föller von der Verbraucherzentrale Hamburg. Diesen Effekt können sich Verbraucher fürs Sparen zu Nutze machen: Sehen Käufer den konkreten Gegenwert in Münzen und Scheinen in ihrer Hand, merken sie sich viel besser, dass sie etwas ausgegeben haben und vor allem wie viel.

Zuerst an sich denken

Sparen? Das klingt nach Entbehrung, nach Askese. Experten empfehlen, die Logik im Kopf einfach umzudrehen: "Sparen? Das ist, wenn ich zuerst an mich selbst denke!"

Wie das gehen soll? Sobald das Gehalt auf dem Konto angekommen ist, bezahlen Sparer nicht zuerst Miete, Rechnungen und Steuern, sondern denken zuerst an sich selbst. Direkt wenn der Lohn auf dem Girokonto eingeht, schieben sie ihre Sparrate auf ein Extrakonto. "Das Geld wandert dann gedanklich gar nicht erst ins eigene Budget", sagt Finanzexpertin Föller. Und die Sparrate ist so meist größer, als wenn Verbraucher erst am Monatsende den mickrigen Rest zusammenkratzen.

Am besten funktioniert dieser Trick mit einem Dauerauftrag, der den Sparanteil jeden Monat automatisch auf das Zweitkonto schiebt. Forscher haben herausgefunden, dass wir solche automatischen Regeln kaum rückgängig machen. Wer einmal angefangen hat, ist schlicht zu faul, seinen Sparplan wieder zu ändern. Sparen durch Nichtstun also.

Mit Augenmaß vorgehen

Was haben die Sparkassen nicht alles versucht, um den Deutschen das Sparen schmackhaft zu machen: 1957 warben sie zum Weltspartag mit dem Maskottchen "Sparefroh", später gaben sie Kalender und Süßigkeiten aus, ließen in Kindervorstellungen Zauberer das Geld "vermehren". Auch wenn wir Deutschen es als Nation der Sparer nicht wahrhaben wollen: Sparen ist in unseren Köpfen unterbewusst oft negativ besetzt. Weil es als Spaßverzicht gilt und wir uns schon umgangssprachlich Dinge vom Mund "absparen".

Auch, wenn es paradox klingt: Verbraucher sollten sich beim Sparen nicht jeden Genuss versagen, sondern immer wieder auch kleine Freuden zulassen. "Wenn ich beim Sparen immer daran denke, was ich mir deswegen alles verbieten muss, dann funktioniert das nicht", sagt Finanzpsychologin Monika Müller. Sonst ergeht es Sparern wie Menschen auf Diät: Erst setzen sie sich hochfliegende Ziele, geben aber schnell wieder auf, weil sie die Sache zu extrem angegangen sind.

Oma fragen

Gerade junge Menschen halten es für einen Tipp aus Großmutters Mottenkiste: Ein Haushaltsbuch zu führen, soll beim Sparen helfen. Finanzberater empfehlen das auch noch heute. Zwar kann jedermann auf Euro und Cent beziffern, wie viel Geld im Monat "reinkommt". Was rausgeht, wollen viele Haushalte jedoch lieber nicht so genau wissen. Da sollten Verbraucher ansetzen und ihre Sparpotenziale entdecken. Nur so können sie Routinen erkennen, die sich über die Zeit eingeschlichen haben und ordentlich ins Geld gehen. "Manche Raucher sehen dann zum Beispiel, dass sie 200 Euro im Monat nur für Zigaretten ausgeben", sagt Verbraucherschützerin Föller.

Jeden einzelnen Beleg zu sammeln, klingt zwar enorm aufwendig. "Man muss daraus aber keine Dauerveranstaltung machen", sagt Finanzpsychologin Müller. Es reicht völlig aus, zwei bis drei Monate lang alle Ausgaben zu protokollieren. Danach können sich Haushalte manche teure Routine buchstäblich sparen.

App-Sparen

Jedes Mal sparen, wenn US-Präsident Donald Trump twittert? Damit werden Verbraucher vielleicht nicht Milliardär wie Trump, können aber immerhin das eigene Vermögen ein wenig nähren. Junge Start-ups aus der Finanzszene wie Savedroid wollen das Sparen mit solchen Sparregeln erleichtern. Wer deren App heruntergeladen hat, kann sich einer Regel unterwerfen: Immer wenn Nutzer den Handybildschirm 50 mal entsperrt haben, wandert ein kleiner Betrag auf ihr Sparkonto. Jedes Mal, wenn sich der Kontostand verändert, rundet die App automatisch auf.

Diese Sparidee zum Beispiel basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen: Bei einem Online-Einkauf von 78 Euro die verbleibenden zwei Euro "aufzurunden" und damit zu sparen, scheint unproblematisch. Was sind schon zwei Euro von 78? Die zwei Euro eigens aus unserem Portmonee ins Sparschwein zu werfen, fällt viel schwerer. Denn dann fehlt der Vergleichsmaßstab, der die Summe gering wirken lässt. Nutzer sollten sich jedoch bewusst sein, dass sie Savedroid mitunter weitergehenden Einblick in die eigenen Kontodaten geben. Dafür schafft die App die Quadratur des Kreises: Jetzt kann man sogar beim Geldausgeben sparen.

© SZ vom 08.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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