Geldwerkstatt:Rohstoffe im Bann der Politik

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Doktor Kupfer, so nennen Börsianer den Kupferpreis. Denn er können wie ein Fieberthermometer den Puls der Wirtschaft messen. (Foto: Oliver Llaneza Hesse/PA)

US-Präsident Donald Trump mischt die Märkte auf, die Anleger spielen verrückt. Was die Preise von Kupfer, Öl und Gold erzählen.

Von Victor Gojdka, München

Wenn Experten wissen wollen, wie es um das Schicksal der Weltwirtschaft bestellt ist, dann wenden sie sich an Dr. Copper. Doktor Kupfer, so nennen Börsianer den Kupferpreis, dem sie eine besondere Gabe anheimstellen: Wie ein Fieberthermometer könne er den Puls der Wirtschaft messen. Rauscht der Kupferpreis in die Tiefe, gilt das als Barometer für eine Weltwirtschaft, die sich eintrübt.

Glaubt man der Börsenweisheit, verlangsamt sich der Pulsschlag der Weltwirtschaft gerade. Während die Aktienmärkte politische Risiken wie einen Handelskrieg oder den Brexit aktuell weitgehend ausblenden, sorgen sich Anleger an den Rohstoffmärkten. US-Präsident Donald Trump setzt mit seiner Handelspolitik, mit Drohungen in Richtung der iranischen Führung Rohstoffen zu. Ein Überblick über die Anlageklasse.

Metalle: Im Griff des Handelsstreits

Auch wenn Kupfer, wie es Stilexperten voraussagen, die Trendfarbe des Herbstes in den Friseursalons werden dürfte: Am Rohstoffmarkt ist das Industriemetall derzeit kaum gefragt. Stand der Preis Ende Dezember noch bei 7250 Dollar für eine Tonne, notiert er aktuell rund 15 Prozent tiefer bei 6180 Dollar. Stottert die Weltwirtschaft und stornieren Unternehmen Aufträge, brauchen sie weniger Kupfer. Denn das rote Metall steckt in vielen Produkten, unter anderem in Rohren, Kabeln und Elektroteilen. "Das Metall hat mit am stärksten unter dem aktuellen Handelskonflikt gelitten", sagt Rohstoffanalyst Frank Schallenberger von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Auch zuletzt schwächere Wirtschaftsdaten aus China belasteten den Preis, denn 50 Prozent der globalen Kupfernachfrage kommen aus der Volksrepublik.

Andere Metalle, ähnliche Diagnose: Seitdem der Handelsstreit im Juni eskaliert ist, befinden sich auch die Preise der industriellen Schwergewichte Nickel, Zink und Blei auf Talfahrt. Als EU-Kommissionspräsident Juncker bei seinem Treffen mit US-Präsident Trump Ende Juli einen weltweiten Handelskrieg zunächst abwenden konnte, schöpften die Anleger offenbar Hoffnung, dass sich der Konflikt für die gesamte Welt politisch lösen lasse. Nun aber drohte der US-Präsident in der vergangenen Woche, geplante Zölle auf chinesische Waren gegebenenfalls von zehn auf 25 Prozent zu erhöhen. Damit war die Verschnaufpause am Metallmarkt passé.

Entwickelt sich die Konjunktur jedoch gut und lässt sich ein Handelskrieg abwenden, dürften Rohstoffe gefragt bleiben. Schwellenländer wie China und Indien müssen in den kommenden Jahren Milliardensummen in ihre Infrastruktur investieren.

Edelmetalle: Schon mal glanzvoller

Die Angriffe kommen bisweilen in Großbuchstaben, verteilt an 53 Millionen Abonnenten rund um den Globus. Drohungen im Handelsstreit verkündet Trump meist via Twitter, und oft lassen sie Anleger aufschrecken. Schon lange, so scheint es, gab es nicht mehr so viele politische Brandherde auf der Erde: der Handelskrieg, der Brexit, die Populisten in Italien. In der Vergangenheit trieben solche Situationen Anleger oft ins Gold. Denn Gold gilt als sicherer Hafen, als unabhängig vom Wohl und Wehe der Konjunktur.

Aktuell steht der Goldpreis allerdings unter Druck, seit Jahresbeginn hat er um elf Prozent nachgegeben - auf nun 1213 Dollar je Feinunze. Der Hintergrund: In den USA steigen die Zinsen sukzessive, die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen stießen auch deswegen in der vergangenen Woche zeitweise wieder über die psychologisch wichtige Marke von drei Prozent. Viele Anleger stecken ihr Geld dann eher in Staatsanleihen als in Gold, denn im Gegensatz zu Gold werfen Staatspapiere Zinsen ab. "Gold hat es daher hart getroffen", sagt Rohstoffexperte Jan Edelmann von der HSH Nordbank. Auch mittelfristig bleibt der Goldpreis unter Druck, denn die Zinsen dürften absehbar eher steigen als sinken. Auch andere Edelmetalle glänzen aktuell längst nicht so hell, wie ihr Name es nahelegt. Die Notierungen von Platin und Palladium, die vor allem zur Abgasreinigung in Diesel- oder Benzinmotoren eingesetzt werden, kennen seit Beginn des Jahres nur eine Richtung: nach unten.

Öl: Vermintes Gebiet

Es war am 5. Juli, als sich das Interesse am Ölmarkt plötzlich auf eine kleine Meerenge richtete: auf die Straße von Hormus, 55 Kilometer breit an der schmalsten Stelle. Dort, wo ein Zipfel im Norden des Oman an den Süden Irans heranragt. Eine Strecke, die das Regime in Teheran schnell blockieren oder verminen lassen könnte. Dann könnte das Land zwar seine eigenen knapp drei Millionen Barrel Ölexporte pro Tag kaum mehr außer Landes bringen. Viel wichtiger aber: Auch Exporte aus den wichtigen Ölförderländern Saudi-Arabien, dem Irak und den Vereinigten Arabischen Emiraten wären vom Weltmarkt abgeschnitten. "Das wäre eine mittlere Katastrophe", sagt Frank Schallenberger von der LBBW. Mit den Drohungen reagierte Teheran auf US-Präsident Donald Trump, der das Atomabkommen mit dem Land aufgekündigt hatte und von Drittstaaten nun fordert, ab November kein iranisches Öl mehr zu kaufen.

In diesem und im nächsten Jahr soll die Weltwirtschaft laut Internationalem Währungsfonds jedoch mit rund vier Prozent wachsen, ohne mehr Öl wird das aber nicht gehen. Die Opec-Staaten und neun weitere Staaten wie Russland wollen ihre Förderung zwar erhöhen, dürften damit Analysten zufolge aber gerade einmal die Lücke dessen füllen, die durch den Wegfall des iranischen Öls entstehen könnte. Und das krisengeplagte Venezuela hängt mit seiner Ölförderung den eigenen Zielen sowieso deutlich hinterher. Selbst den Rekordförderern amerikanischen Schieferöls fehlen aktuell Pipelinekapazitäten. "Erst Ende 2019 dürfte hier Erleichterung kommen", sagt Ölanalyst Jan Edelmann von der HSH Nordbank. Andererseits fürchten die Anleger, dass der Handelsstreit das Wirtschaftswachstum schwächen könnte und die Welt weniger Öl bräuchte. Außerdem hatten in der vergangenen Woche Nachrichten den Ölpreis belastet, denen zufolge sich die amerikanischen Öllager im vergangenen Monat stärker als erwartet gefüllt haben. Selbst Analysten haben aktuell Schwierigkeiten, alle Effekte gegeneinander aufzurechnen. Der Ölpreis zeigte sich in den vergangenen Wochen daher unentschieden und notiert nun bei 73 Dollar für ein Fass Brentöl. Am Ende hängt alles an Donald Trump: Wie weit er den Handelskonflikt und die Auseinandersetzungen mit dem Iran treiben wird, dürfte über die Zukunft des Ölpreises entscheiden.

© SZ vom 06.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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