Geldwäsche:Mann gegen Mann gegen Bank

Lesezeit: 3 min

"Ich mag Ehrlichkeit, und ich finde, auch die Finanzwelt muss ehrlich sein", sagt Pieter Lakeman. (Foto: Annelies Rigter/oh)

Es wird erneut geprüft, wer für Versäumnisse bei der Geldwäsche-Prävention der Großbank ING verantwortlich ist. Für deren Ex-Chef, den UBS-Vorstandsvorsitzenden Ralph Hamers, ist das sehr unangenehm.

Von Isabel Pfaff, Bern

Der Mann am anderen Ende des Telefons ist 78 Jahre alt, sitzt in einem kleinen Dorf bei Utrecht und spricht leicht chaotisches Englisch. Gefährlich ist so ziemlich das letzte Attribut, das man dem älteren Herrn nach einem ersten Eindruck zuschreiben würde. Und doch könnte Pieter Lakeman derjenige sein, der einen der mächtigsten europäischen Banker zu Fall bringt: den Niederländer Ralph Hamers, bis vor Kurzem noch Chef der holländischen ING, seit November Vorstandsvorsitzender der Schweizer Großbank UBS.

Vor wenigen Tagen veröffentlichte das Berufungsgericht von Den Haag ein spektakuläres Urteil: Es ordnet darin die Strafverfolgung von Ralph Hamers an. Der heute 54-Jährige war seit 2013 ING-Chef - also genau zu der Zeit, als sich die Bank tief in einen Geldwäsche-Skandal verstrickte. Die niederländische Staatsanwaltschaft untersuchte die Vorwürfe über mehrere Jahre und legte 2018 ihren Bericht vor, den sogenannten Houston-Report. Darin kommt sie zwar zu dem Schluss, dass die ING trotz mehrerer Warnungen der Aufsichtsbehörden "strukturelle und schwerwiegende Mängel" in der Geldwäsche-Prävention hatte und sich damit zwischen 2010 und 2016 zahlreicher Straftaten schuldig gemacht hat.

Allerdings, so die Ermittler, könne man das Versagen der Bank nur schwer einzelnen Mitarbeitern zuschreiben. Drei verschiedene Abteilungen seien verantwortlich gewesen für die Einhaltung der Anti-Geldwäsche-Richtlinien; keiner habe den gesamten Komplex überwacht oder sich verantwortlich gefühlt. Damit wies die Staatsanwaltschaft die Schuld der Bank als Organisation zu und schloss mit ihr 2018 den teuersten Vergleich in der niederländischen Geschichte: 775 Millionen Euro Strafe musste die ING zahlen. Dafür blieb das Management unter Führung von Ralph Hamers straffrei.

"Total crazy" nennt Pieter Lakeman diese Begründung. "Jedes Unternehmen, das mehr als zehn Mitarbeiter hat, hat mehrere Abteilungen, das ist doch kein Argument!" Lakeman wollte die Staatsanwaltschaft damit nicht davonkommen lassen. Wenige Tage nach der Veröffentlichung des Houston-Reports reichte er Beschwerde beim Haager Berufungsgericht ein. Das jetzt veröffentlichte Urteil geht direkt auf ihn zurück.

Lakeman ist studierter Ökonometriker. Schon als Kind liebte er Zahlen, erzählt der 78-Jährige, seine Eltern ließen ihn Mathematikspielchen vorführen, wenn Besuch kam. 1976, mit Mitte 30, gründete er die "Stiftung Recherche von Unternehmensinformationen" (SOBI). Bis heute verdient Lakeman sein Geld mit deren Beratungsangeboten. Im Auftrag von Aktionären, Betriebsräten, Gewerkschaften oder Firmen nehmen Lakeman und eine Handvoll Mitarbeiter Geschäftszahlen von Unternehmen unter die Lupe und spüren Finanzmanipulationen auf. Als sein bislang größter Erfolg gilt die Insolvenz der DSB Bank. Lakeman vertrat mehrere Kunden, die sich durch die Geschäftspraxis der Privatbank benachteiligt sahen. Im Oktober 2009 rief Lakeman DSB-Kunden dazu auf, ihre Konten zu räumen. Viele folgten der Empfehlung, woraufhin die Pleite der Bank nicht mehr aufzuhalten war.

Nun hat der Finanzaktivist Ralph Hamers ins Visier genommen. Wie kommt er dazu? "Es macht mir keinen Spaß, den Ruf eines einzelnen Mannes zu zerstören", beteuert Lakeman. "Ich mag Ehrlichkeit, und ich finde, auch die Finanzwelt muss ehrlich sein." Tatsächlich wirkt es so, als stecke nicht mehr und nicht weniger als dieser schlichte Glaubenssatz hinter Lakemans Schaffen. Er ist nämlich alles andere als ein linker Aufrührer: 2017 wurde er Mitglied im Forum für Demokratie (FVD), der nationalpopulistischen Partei von Thierry Baudet. Lakeman steht zu den EU- und einwanderungsfeindlichen Positionen der Partei, auch wenn er ihr mittlerweile nicht mehr angehört.

Dokumente zeigen, dass Hamers über die Mängel bei den Aufsichtspflichten informiert worden sei

Für Ralph Hamers und seine neue Arbeitgeberin UBS jedenfalls ist das Urteil, das Lakeman erzielt hat, eine ziemliche Katastrophe. Zwar hat die Staatsanwaltschaft noch kein Verfahren eröffnet, und bis zu einem möglichen Urteil gilt für Hamers die Unschuldsvermutung. Doch Geldwäsche-Ermittlungen gegen den Chef der größten Vermögensverwalterin der Welt? Allein das birgt beträchtliche Gefahren für Position und Ruf der UBS.

Darüber hinaus ist das Gericht sehr deutlich: Es gebe genügend Anhaltspunkte für eine erfolgreiche Strafverfolgung Hamers' als faktischen Aufseher der von der ING begangenen Straftaten. Das Gericht zählt mehrere Dokumente auf, die zeigten, dass Hamers informiert worden sei über die Mängel bei den Aufsichtspflichten - sowohl durch interne Aufseher als auch von der niederländischen und der europäischen Zentralbank.

UBS reagiert nur mit ein paar dürren Sätzen auf den Gerichtsentscheid: Man nehme das Urteil zur Kenntnis, teilt ein Sprecher mit, und habe "volles Vertrauen in die Fähigkeit von Ralph Hamers, UBS zu führen". Tatsächlich hat sich die Bank, wie in solchen Fällen üblich, bei der Berufung des Niederländers abgesichert. Sie verweist etwa auf das Urteil der Schweizer Finanzmarktaufsicht (Finma), die den Kandidaten überprüft und als "fit and proper" für den Posten beurteilt habe. Dies bestätigt die Aufsichtsbehörde auf Nachfrage und ergänzt: "Der zugrundeliegende Geldwäschereifall war bekannt. Entsprechend hat die FINMA diesen selbstverständlich (...) untersucht und thematisiert." Aufgrund der zur Verfügung stehenden Informationen habe man letztlich die Gewähr von Hamers bestätigt.

Trotzdem: Ob der Niederländer langfristig tragbar an der UBS-Spitze ist, erscheint mehr als fraglich. Finanzaktivist Lakeman ist sicher, dass Hamers gehen muss. "Spätestens, wenn hier der Prozess gegen ihn beginnt."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: