Wenn Christine Glockmann, 49, ein dienstliches Telefongespräch führt, dann geschieht etwas Seltsames. Es entsteht Geld. Bei jedem anderen Arbeitgeber wäre es genau umgekehrt - es entstünden Kosten, die gedeckt werden müssten.
Doch Christine Glockmann arbeitet bei der Deutschen Bundesbank. "Als Notenbank finanzieren wir uns selbst", sagt die Abteilungsleiterin Marktoperationen mit selbstverständlichem Tonfall. Die Frau ist seit 30 Jahren dabei; sie kennt es nicht anders.
Natürlich bezahlt auch die Bundesbank ihre Telefonrechnungen. Aber das Geld dazu holen sich die Währungshüter aus der Notenpresse. Der Betrag fließt auf das Konto der Telefongesellschaft, mithin in den Wirtschaftskreislauf. Glockmann nennt es "Buchgeld", weil es per Knopfdruck auf das Haushaltskonto der Bundesbank gebucht wird. Einfach so.
Sie kann unendlich viel Geld drucken - soll es aber nicht
So wirkt es, das Privileg einer Zentralbank. Sie kann theoretisch unendlich viel Geld drucken, ihre Verantwortung ist es jedoch, genau dies nicht zu tun, um stabile Preise zu bewahren. Die Bundesbank hat diese Verantwortung immer sehr ernst genommen, doch musste sie sich ab Mai 2010 dem Druck der Kollegen im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) beugen. Denn nicht nur durch die Begleichung von Bundesbankrechnungen entsteht Geld, sondern auch durch die Vergabe von Krediten an Banken und den Kauf von Staatsanleihen angeschlagener Euro-Staaten.
Seit Anfang Mai 2010 hat die EZB Bonds von schuldengeplagten Euro-Staaten wie Italien, Spanien, Griechenland, Portugal und Irland im Gesamtwert von 219 Milliarden Euro aufgekauft. Verkäufer waren meist Banken. Ein Großteil der Käufe wickelt die Bundesbank wöchentlich im Auftrag der EZB ab - über Glockmanns Abteilung.
Die 219 Milliarden Euro kommen aus der Notenpresse. Andererseits wird dieses Geld jede Woche aufs Neue zurückgeholt. Die Notenbanken bieten einen attraktiven Zinssatz, damit Banken, die Geld entbehren können, es bei der Zentralbank anlegen - für sieben Tage. Im besten Fall sind die 219 Milliarden Euro "sterilisiert", wie das im Notenbank-Jargon heißt. Dreimal ist es passiert, dass nicht die gesamte Summe zurückgeflossen ist.
Die Notenbank will so deutlich machen: Durch die Bond-Käufe gibt es nicht mehr Zentralbankgeld. Doch so ganz stimmt das nicht, denn die Banken können sich an anderer Stelle unbegrenzt Geld holen: bei den "Tendergeschäften". Zuletzt vergab die EZB hier Kredit für drei Jahre. Die Banken holten sich die Rekordsumme von 490 Milliarden Euro. Es ist Geld aus der Notenpresse - das, einmal im Umlauf, Inflation auslösen kann.
Christian Völlmer, 41, kontrolliert diese Kreditvergabe in der Bundesbank. "Die Banken können sich über ein Internetportal einloggen und über eine Auftragsmaske ihre Gebote abgeben", sagt der Hauptgruppenleiter Geldpolitische Geschäfte. Die Banken erhalten wegen der Krise so viel Geld sie wollen - "aber nur, wenn sie genug Sicherheiten haben", sagt Völlmer.
Wenn italienische Anleihen abstürzen, wird es knifflig
Jede Bank führt ein Sicherheitenkonto bei der Bundesbank. Das überwacht Felix Rieger, Hauptgruppenleiter Notenbankfähige Sicherheiten. Er wird unruhig, wenn etwa italienische Staatspapiere Wert verlieren. Denn Bonds sind Sicherheiten - und dann weniger beleihbar.
Und wenn das Sicherheitenkonto schrumpft? "Dann gibt es die Aufforderung an die Bank, weitere Sicherheiten nachzureichen. Wenn die Bank das nicht kann, werden Kredite fällig gestellt. Wenn die Bank nicht zahlen kann, führt es zur Insolvenz." So schnell geht das? Rieger nickt.