Geldanlage:Schiffe versenken

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Die Schifffahrt steckt nun schon eine ganze Zeit in einer schweren Krise - und Schiffskredite haben bei deutschen Banken inzwischen einen schlechten Ruf. (Foto: Henning Kaiser/dpa)

Bis zur Finanzkrise waren Kredite für Frachter sehr lukrativ, deutsche Reeder besaßen die weltweit größte Flotte. Doch nun ist viel Geld weg und Banken geraten in Schieflage.

Von Patrick Hagen, Köln

Bei deutschen Banken haben Schiffskredite einen ganz schlechten Ruf. Zwar haben die Geldhäuser damit jahrzehntelang gut verdient. Aber jetzt steckt die Schifffahrt schon eine ganze Zeit in einer schweren Krise - und die Banken leiden stark unter faulen Schiffskrediten, mit denen sie Reedern ihre inzwischen gescheiterte Expansion finanziert hatten. Viele Reeder haben Probleme, ihre Kredite zu bedienen. Privatleute, die als Anteilseigner einen Teil finanziert haben, sind ihr Geld zum größten Teil schon los.

Doch je schlechter die Nachrichten aus der Schifffahrt sind, desto mehr interessieren sich Private-Equity-Unternehmen für die Krisen-Branche. Was normale Anleger abschreckt, ist für Finanzinvestoren wie KKR, Apollo oder Oaktree ein Lockruf. Banker in Hamburg, Hannover und Frankfurt haben zurzeit regelmäßig Termine mit US-Finanzinvestoren. Diese wittern ein gutes Geschäft, wenn sie den Banken die problembeladenen Kredite abnehmen und dafür deutlich weniger als den Buchwert zahlen. "Das Interesse von Private Equity und Hedgefonds an Schiffsdarlehen ist groß", sagt Stefan Rindfleisch von der auf die Schiffsfinanzierung spezialisierten Kanzlei Ehlermann Rindfleisch Gadow.

"Die Banken verlieren zunehmend die Geduld mit den Reedern."

Betroffen von der Krise sind vor allem die Landesbanken HSH Nordbank und Nord-LB. "Die Banken verlieren zunehmend die Geduld mit den Reedern und gewinnen Mut, Darlehen zu veräußern", sagt Max Johns, Professor an der privaten Hochschule Hamburg School of Business Administration und Experte für die Finanzierung von Schiffen.

Für die Banken bedeutet der Verkauf von Krediten, dass sie Verluste machen. Lange scheuten sie davor zurück. Doch jetzt nehmen sie lieber das Ende mit Schrecken in Kauf als den Schrecken ohne Ende. Die Nord-LB mit Sitz in Hannover hat bereits eine erste Transaktion über einen Bestand von Schiffskrediten über 1,5 Milliarden Dollar vereinbart. Dabei geht es um bis zu hundert Schiffe. Käufer sind der Finanzinvestor KKR und ein nicht genannter Staatsfonds. Das Geschäft ist allerdings noch nicht vollzogen, so ein Sprecher. Die Nord-LB will ihren Bestand an Schiffsdarlehen bis 2018 auf zwölf bis 14 Milliarden Euro reduzieren, derzeit sind es etwa 17 Milliarden. Die Bank hat eine eigene Abteilung für den Verkauf eingerichtet. Die Deutsche Bank sucht offenbar einen Käufer für Kredite von einer Milliarde Dollar, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Die Bank will das nicht kommentieren. "Fast alle europäischen Banken wollen ihre Schifffahrtsportfolien reduzieren", sagt Christian Nieswandt, Leiter der Schiffsfinanzierung bei der HSH Nordbank.

Für Private- Equity-Unternehmen sind vor allem notleidende Kredite interessant, die sie mit einem starken Abschlag kaufen können. "Das kritische Thema ist der Preis, denn jeder Abschlag führt zur sofortigen Realisierung von Verlusten", sagt Nieswandt.

Deutsche Banken stehen im Zentrum der Schifffahrtskrise. Bis zur Finanzkrise nach dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers war Deutschland das globale Zentrum für die Schiffsfinanzierung. Der Grund: In Deutschland erlaubten es günstige Steuerregeln, dass Privatanleger über geschlossene Fonds Schiffe finanzierten. Emissionshäuser wie MPC oder HCI sammelten Geld von Privatanlegern ein und legten damit geschlossene Fonds auf, die ein oder mehrere Schiffe finanzierten. Das Geld der Anleger diente als Eigenkapital - üblicherweise etwa 40 Prozent. Der Rest kam über einen Bankkredit, der über eine Schiffshypothek abgesichert war.

So machten es deutsche Anwälte und Zahnärzte möglich, dass deutsche Reeder die größte Containerschiffsflotte der Welt aufbauen konnten. Privatanleger haben in den vergangenen vierzig Jahren einen zweistelligen Milliardenbetrag in Schiffsprojekte investierte. Im Spitzenjahr 2007 steckten sie mehr als drei Milliarden Euro in Schiffsbeteiligungen.

Das System versprach Vorteile für alle. Die Hamburger Reeder konnten ihre Flotten immer weiter vergrößern, ohne selbst viel Eigenkapital zu brauchen. Die Banken wuchsen mit gigantischen Kreditportfolien, die scheinbar risikolos waren - weil es ja die Schiffe als Sicherheit gab. Die Anleger profitierten zunächst von hohen Steuerersparnissen und konnten später auf zweistellige Renditen hoffen.

All das funktionierte nur mit tatkräftiger Unterstützung der Politik und entsprechenden Steuerregeln. Doch die Finanzkrise brachte das Ende dieses Modells. Die Schifffahrt schlitterte in die Krise und hat sich seither nicht mehr richtig erholt. Die Kredite für Frachter sind zu Giftmüll in den Bilanzen der Banken geworden, weil die Schiffe viel weniger wert sind. Fondsanleger haben viel Geld verloren. Rund 600 Schiffsfonds sind in den vergangenen Jahren in die Pleite gerutscht.

Im Zentrum des Ganzen stand die HSH Nordbank. Die Landesbank von Hamburg und Schleswig-Holstein wuchs über die Jahre zum größten Schiffsfinanzierer der Welt heran - 2010 hatte sie Schiffsdarlehen für mehr als 30 Milliarden Euro in den Büchern. Für die Anbieter von Schiffsbeteiligungen und für deutsche Reedereien wurde die HSH zum wichtigsten Kreditgeber.

Auch hier war die Wachstumsstory 2009 zu Ende. Die Bank musste nach Milliardenabschreibungen mit Staatsgeldern gestützt werden. Im Juni dieses Jahres gab es eine weitere Hilfsaktion: Die Bank hat Schiffskredite mit einem Volumen von fünf Milliarden Euro an die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein abgegeben, dafür haben die Länder 2,4 Milliarden Euro gezahlt. In dem Paket stecken 256 Schiffe - die Hamburger nennen sie nun spöttisch Staatsflotte. Die Länder müssen die Schiffe nun verkaufen und darauf hoffen, dass sie einen Teil ihres Geldes zurückbekommen. Experten sind skeptisch, dass dies ohne weitere deutliche Verluste gelingt. Die EU hat im Gegenzug für diese Hilfsaktion strenge Auflagen erlassen. Bis Ende Februar 2018 muss die Bank verkauft werden, gelingt das nicht, droht die Abwicklung. Die Darlehen für Frachter im Bestand will die Bank reduzieren. Ende Juni hatte die Bank noch Schiffskredite von 17,4 Milliarden Euro in den Büchern.

Nach acht Jahren Schifffahrtskrise stecken aber nicht nur die Banken in der Bredouille, die besonders viele Fonds-Schiffe finanziert haben. Auch Institute, die sich hier bewusst zurückgehalten hatten, leiden. So musste die auf die Finanzierung der Transportbranche spezialisierte DVB Ende September eine Gewinnwarnung herausgeben. Die Bank hat kaum Geschäft mit geschlossenen Fonds gemacht. "Die Kapitalpolster der Schifffahrtskunden sind so stark belastet, dass weitere Markt- und Wertschwankungen viel schneller als bisher auf alle beteiligten Banken zurückschlagen", sagt DVB-Chef Ralf Bedranowsky. Die Ratingagentur Moody's sieht die Bank ebenso wie die HSH Nordbank, die Nord-LB und die KfW Ipex als besonders gefährdet. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) sieht die Schiffskredite vieler Banken inzwischen durchaus kritisch.

Seine führende Rolle in dem Markt hat Deutschland mittlerweile eingebüßt. Die hiesigen Banken finanzieren kaum noch neue Schiffe. "Jedes zweite neue Schiff wird heute aus China oder Korea finanziert und auch dort gebaut", sagt Finanzierungsexperte Johns. Damit stützen die Länder ihre Werftindustrien. Die neu gebauten Schiffe treffen auf einen Markt, der sowieso schon unter zu vielen Frachtern leidet. "Das trägt dazu bei, dass sich die Lage nicht verbessert", sagt Johns. Das sind auch schlechte Nachrichten für die Banken - und gute für die Hedgefonds.

© SZ vom 12.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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