Geldanlage:48 Prozent Rendite

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Warum Beipackzettel von Finanzprodukten Anleger verwirren. Ein Fehler liegt an den Vorgaben der EU: Danach sollen die Institute Kunden in Szenarien vorrechnen, was es zu verdienen gibt - aber mit Daten aus der Vergangenheit.

Von Victor Gojdka, München

Es klingt nach einem unglaublichen Szenario: 10 000 Euro investieren und nach einem Jahr eine durchschnittliche Rendite von 48 Prozent erzielen? Selbst in einem pessimistischen Szenario? Mit einem speziellen Finanzprodukt einer deutschen Bank könnte das möglich sein, so steht es in der Szenariorechnung auf einer Art Beipackzettel zum Produkt. Klar, dürfte man denken, da hat sich die Bank etwas zusammengerechnet, schließlich will sie ihr Produkt verkaufen. Doch im Gegenteil: Die Berechnungsmethode des Renditeszenarios ist in einem technischen Papier der EU-Kommission vorgegeben, die Bank muss sie befolgen.

Immer wieder stutzen Anleger, wenn sie in die sogenannten Basisinformationsblätter beispielsweise von Zertifikaten schauen. Mitunter ist dort von Renditeszenarien zu lesen, die Experten zu positiv scheinen, viel zu positiv. Und von Produkten, die bei einem Stressszenario angeblich besser abschneiden könnten, als in gemäßigteren Szenarien. Verbraucherschützer und Vertreter der Finanzbranche meinen: Der Fehler liegt in den EU-Rechenanweisungen im Zuge der sogenannten Priips-Verordnung, die seit Jahresbeginn für einige Finanzprodukte wie zum Beispiel Zertifikate oder auch Fondspolicen gilt. "Die Berechnungsgrundlage des Gesetzgebers führt teilweise zu abwegigen Ergebnissen", sagt Benjamin Wick von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Warum die Rechenwege diese merkwürdigen Ergebnisse auswerfen, können selbst Experten kaum erklären. Über 50 Seiten lang erläutert die EU-Kommission in einem Papier, wie die Finanzbranche rechnen muss. Ein Traktat, so ist hinter vorgehaltener Hand zu hören, das selbst für Finanzexperten eine harte Nuss ist.

Im Kern schreibt das Papier den Banken vor, für ihre Kunden zu projizieren, wie sich eine Anlage von 10 000 Euro in verschiedenen Szenarien entwickeln könnte. In einem optimistischen, mittleren und pessimistischen Szenario - und im extremen Stressfall. Die Idee klingt gut, doch die Fehler liegen wohl im Detail. Um ihre Zukunftsprognosen zu erstellen, müssen die Banken zumeist die Entwicklung der vergangenen fünf Jahre in die Zukunft hochrechnen, so wollen es die Rechenmodelle. Schon dieser Grundsatz ist in vielen Fällen umstritten: "Aus der Vergangenheit einfach Aussagen über zukünftige Kurse abzuleiten, ist problematisch", sagt Andreas Oehler von der Uni Bamberg. Er setzt sich intensiv mit Verbraucherinformationen zu Finanzprodukten auseinander. Wer weiß schon, ob die Zukunft dem Trend der Vergangenheit folgt?

Mehr Brisanz bekommt diese Kalkulationsmethode für einige der Renditeszenarien, weil die Aktienmärkte in den vergangenen Jahren meist nur eine Richtung kannten: nach oben. "Das heißt, dass bei vielen Produkten die teilweise sehr gute Marktentwicklung der vergangenen fünf Jahre einfach so in die Zukunft projiziert wird", kritisiert Henning Bergmann vom Deutschen Derivateverband. Wohl auch deswegen, so sieht es der Verband, fallen manche Renditeszenarien so positiv aus. "Auch für Fonds droht eine systematische Fehlinformation der Anleger", sagt ein Sprecher des deutschen Fondsverbandes BVI. Fondspolicenmüssen bereits jetzt die bisweilen merkwürdigen Performanceszenarien ausweisen. Herkömmliche Fonds sind bislang noch ausgenommen.

Manchen Anbietern sind die gesetzlich vorgegebenen Berechnungen inzwischen so unangenehm, dass sie sich selbst davon distanzieren. Man sei zur Veröffentlichung der Zahlen verpflichtet, schreibt die DZ Bank in einem der Beipackzettel. Allein: "Die Ergebnisse können zu nicht nachvollziehbaren Zahlen führen, die keinen Rückschluss auf tatsächliche Zahlungen zulassen." Finanzbranche und Verbraucher müssen nun auf überarbeitete Regeln hoffen.

Nicht einmal das Stressszenario findet bei Verbraucherschützern Gnade. Denn es skizziert zwar einen schlimmen Fall, aber eben nicht immer den schlimmsten. Der wäre zumindest im Falle von Zertifikaten aus Sicht des Kunden sehr einfach darzustellen. Geht bei einem Zertifikat der Emittent pleite, wäre im schlimmsten Fall das Geld des Anlegers weg. Dem Kunden bliebe dann genau: nichts.

© SZ vom 01.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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