Geheimplan:Stromkonzerne wollen Zerschlagung entgehen

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Die Gründung einer europäischen Netz-Gesellschaft soll EU-Sanktionen verhindern - und die Kreditwürdigkeit der Unternehmen sichern.

Alexander Hagelüken und Michael Bauchmüller

Die Konzerne wollen verhindern, dass sie von der EU-Kommission zerschlagen werden mit dem Ziel, Strom und Gas zu verbilligen.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung haben mehrere Konzerne in Brüssel angeboten, die Leitungen für Strom und Gas mit Unternehmen aus Nachbarländern zu bündeln. Eine unabhängige Gesellschaft soll die Netze Deutschlands, Frankreichs und der Benelux-Staaten verwalten. "Wir behalten das Eigentum an den Leitungen, schaffen aber selbst Wettbewerb", wirbt ein Energiemanager.

Die Konzerne wollen damit scharfe Auflagen aus Brüssel und Berlin abwenden. Die großen deutschen Versorger RWE, Eon, Vattenfall und EnBW sind wegen der Preissteigerungen bei Strom und Gas politisch schwer unter Druck gekommen. So kostete im Jahr 2006 die Kilowattstunde Strom in der Schweiz zwölf Cent, in Großbritannien 15 Cent, in Deutschland aber 20 Cent. Ein durchschnittlicher Haushalt in der Bundesrepublik zahlt damit 280 Euro mehr im Jahr als ein Schweizer Haushalt.

Nach englischem Vorbild

Die EU-Kommission will die Konzerne nach britischem Vorbild zerschlagen, um die Preise zu reduzieren. Die Unternehmen sollen das Eigentum an den Netzen verlieren, damit sie neue Wettbewerber nicht mehr hindern können, ihre Leitungen zu vertretbaren Gebühren zu benutzen. Mit ihrem Angebot eines Netz-Pools wollen die Konzerne die Zerschlagung verhindern. "Wenn wir selbst Wettbewerb schaffen, entzieht das dem Vorschlag der Kommission die Grundlage", sagt ein Manager.

Für die Unternehmen hätte diese Lösung mehrere Vorteile. Sie könnten die Netze behalten, die ein Milliardenvermögen bedeuten. Wegen ihrer Leitungen bescheinigen Ratingagenturen Energiekonzernen eine hohe Kreditwürdigkeit, was am Kapitalmarkt viel Geld wert ist.

Ein Netzpool würde auch bedeuten, dass die nationalen Märkte zu einem regionalen Energiemarkt der fünf Staaten zusammenwachsen. Durch diese Neudefinition hoffen einige Manager auch, Kartellstrafen von EU-Wettbewerbskommissarin Nellie Kroes abzuwenden, die bei RWE, Eon und anderen mehrfach Razzien durchführen ließ.

Solche Sanktionen sind teuer: Zuletzt verhängte Kroes eine Strafe von 480 Millionen Euro gegen ThyssenKrupp. Ein regionaler Markt soll auch Pläne von Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) überflüssig machen, der das Wettbewerbsrecht ändern will, so dass das Bundeskartellamt leichter überhöhte Preise für Großhandels-Strom ahnden kann.

Ein Sprecher von Kommissarin Kroes sagte, Brüssel beharre auf der Zerschlagung der Konzerne. Kroes glaubt, dass sich die Preise nur senken lassen, wenn die Konzerne die Netze verlieren. Die Energiebranche setzt aber darauf, mit ihrem Angebot bei anderen Politikern Gehör zu finden. So hat Energiekommissar Andris Piebalgs mehrmals angedeutet, dass er für andere Lösungen offen ist. Energiemanager haben Piebalgs den Vorschlag vor einigen Wochen unterbreitet.

Die Regierungen von Deutschland und Frankreich stehen einer Zerschlagung skeptisch gegenüber und könnten offen für ein alternatives Modell sein. Der grüne Europaabgeordnete Claude Turmes kritisierte den Vorschlag: "Damit droht Wettbewerb verhindert zu werden", sagte er. Es seien scharfe politische Gesetze nötig, um den ungerechtfertigten Milliardentransfer von Verbrauchern an Energiefirmen zu stoppen. Der Vattenfall-Konzern erklärt in einem offiziellen Papier, regionale Netzverbünde seien "der beste Weg, einen europäischen Markt zu entwickeln". Im Branchenverband Eurelectric hatten die großen Versorger bereits überlegt, wie sich die EU in Regionalmärkte aufteilen lässt.

© SZ vom 6.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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