Gedankenspiel einer Übernahme:Die Postbank und der reichste Chinese

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Für manche Kunden und Hunde ist die nächste Filiale nur einen Spaziergang entfernt. An diesem Schalter können Postbank-Kontoinhaber auch Geldgeschäfte abwickeln. (Foto: Sean Gallup/Getty)

Immobilienunternehmer Wang Jianlin hat offenbar Interesse an der Tochter der Deutschen Bank. Er könnte von einer Übernahme besonders profitieren.

Von Christoph Giesen und Meike Schreiber, Shanghai/Frankfurt

Deutsche-Bank-Chef John Cryan hält sich selten mit seiner Meinung zurück. Mit Blick auf die schon lange zum Verkauf stehende Tochter Postbank gab der Brite im vergangenen Mai sogar zu, er träume manchmal von einem chinesischen Käufer. Nicht von ungefähr: Schließlich gelten Käufer aus Fernost - das sagte Cryan jedoch nicht - als Investoren, die viel bezahlen, aber nicht genau hinschauen. Damals war man in der Postbank entsetzt, in der Zentrale in Frankfurt zuckte man mit den Achseln: Wieder mal ein echter Cryan eben. So richtig ernst nahm die Aussage ohnehin niemand, wurden zuletzt doch immer wieder chinesische Interessenten bemüht, wenn Banken zum Verkauf standen. In dem meisten Fällen wurde daraus: nichts.

Womöglich könnte sich das bald ändern. Zumindest hat sich nun erstmals ein chinesischer Interessent für die Postbank gemeldet, wenn auch nur inoffiziell. Es geht um den chinesischen Immobilienentwickler Dalian Wanda, der laut Financial Times nach Übernahmezielen in Europa Ausschau hält. Darunter sei auch die Postbank, die mit ihren 18 000 Mitarbeitern und 14 Millionen Kunden zu den größten deutschen Geldhäusern gehört. Die Einkaufstour der Chinesen befinde sich noch in einem frühen Stadium und noch sei Wanda nicht an den Eigner der Postbank, die Deutsche Bank, herangetreten. Offiziell erklärte die Wanda Group am Montag, es habe keinen Kontakt mit der Postbank gegeben. Die wäre in der Tat auch gar nicht zuständig, sondern die Deutsche Bank, die sich wiederum nicht äußern wollte.

Die Regierung in Peking will verhindern, dass das viele Geld ins Ausland fließt

Für Investoren aus den USA oder Europa erscheint die Postbank auf den ersten Blick kein sonderlich lohnendes Ziel. Das liegt an der geringen Rendite und womöglich müssen auch noch hohe Sicherheiten hinterlegt werden, damit die hiesige Bankenaufsicht einem Verkauf zustimmt. Das schreckt ab.

Doch was einen Bieter aus Europa das Interesse verlieren lässt, könnte einen Deal für so manchen chinesischen Investor überhaupt erst attraktiv machen. Nicht unbedingt die Rendite lockt, sondern die Möglichkeit, völlig legal Milliarden ins Ausland zu verschieben, weil eine Behörde in Deutschland es verlangt.

Das Problem vieler reicher Chinesen: Sie haben Geld, doch sie können es nicht so investieren, wie sie wollen. Die Kapitalausfuhrkontrollen sind streng. Firmenübernahmen wiederum wurden zwar geprüft, doch meistens durchgewunken. In den vergangenen Monaten hat es auch deshalb eine regelrechte Einkaufstour chinesischer Unternehmen in Deutschland gegeben. Das Volumen der Deals stieg im vergangenen Jahr um mehr als das 20-fache an.

Um die massive Kapitalflucht einzudämmen, hat die Regierung in Peking jedoch Ende November die Regeln verschärft. Kein Zukauf chinesischer Firmen im Ausland darf derzeit teurer als zehn Milliarden Dollar sein - das träfe zwar für die Postbank nicht zu, allerdings gibt es noch eine zweite Auflage: Kauft ein Unternehmen sich branchenfremd ein, übernimmt also ein Immobilienkonzern ein Geldhaus, dann darf der Firmenwert maximal eine Milliarde Dollar betragen. Weil Wanda aber bisher noch keine Bank hat, griffe diese Vorschrift. Die einzige Chance: Das Geld fließt nicht aus China, sondern von anderen Auslandstöchtern. Eher unwahrscheinlich, doch für Wanda wohl locker finanzierbar. Schließlich gilt der Mann, der hinter Dalian Wanda steht, Wang Jianlin, als der derzeit reichste Chinese. 62 Jahre ist er alt, ein ehemaliger Soldat, der 16 Jahre in der Volksbefreiungsarmee gedient hat, bevor er eine Karriere als Unternehmer startete. Auf mehr als 30 Milliarden Dollar wird sein Vermögen derzeit geschätzt. Den Großteil davon hat er mit Immobiliengeschäften gemacht. Im Herbst allerdings warnte Wang vor dem chinesischen Häusermarkt: "Das ist die größte Blase in der Geschichte", sagte er. Und Wang hat bereits begonnen, umzuschichten. Seit 2012 kauft er sich mit seiner Firma Wanda in Hollywood ein. Zuletzt legte er Anfang November eine Offerte für die Dick Clark Productions vor, die den Golden Globe verleihen - eine Milliarde Dollar. Kommt nun eine Bank dazu?

Ein Gespräch mit Wanda würde Deutsche-Bank-Chef Cryan sicher nicht ablehnen. Vor zwei Jahren hatten die Frankfurter beschlossen, die Postbank zu verkaufen oder an die Börse zu bringen, in erster Linie, um ihre Kapitalausstattung zu verbessern. Bislang jedoch fand sich kein Käufer. Die Niedrigzinsen erschweren Banken die Geschäfte; das drückt auch den Preis der Postbank, die mit etwa 4,5 Milliarden Euro in den Büchern der Deutschen Bank stehen dürfte. Alles, was ungefähr auf diesen Preis hinausliefe, würde die Bank wohl akzeptieren, denn selbst ein Verkauf mit kleinem Buchverlust brächte noch eine Kapitalentlastung. Zudem würde man die Postbank lieber an einen chinesische Investor verkaufen als an einen heimischen Konkurrenten, der dabei gestärkt würde.

Es gilt als "wenig wahrscheinlich", dass die Finanzaufsicht einem Verkauf zustimme

Am Aktienmarkt wurde der Sache allerdings noch keine großen Chance beigemessen. Die Aktie der Deutschen Bank legte am Montag nur leicht zu. Die Postbank sei ein wichtiger Spieler auf dem deutschen Bankenmarkt, schrieben die Analysten von Autonomous Research. Man halte es daher für "wenig wahrscheinlich", dass die deutsche Finanzaufsicht einen solchen Verkauf an Chinesen genehmigen würde - noch dazu an einen Immobilienentwickler. Als im vergangenen Jahr die ungleich kleinere Privatbank Hauck & Aufhäuser an die chinesische Beteiligungsgesellschaft Fosun verkauft wurde, zog sich das Verfahren sehr lange hin, auch wenn die Finanzaufsicht Bafin am Ende zustimmte. Ob aus Cryans Träumen also irgendwann Realität wird, ist noch völlig offen.

© SZ vom 14.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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