Gastronomie:Bitte zu Tisch

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Vapiano hat einen neuen Chef. Der will das angekratzte Image der Restaurant-Kette reparieren - und auch Kellner einsetzen.

Von Angelika Slavik

Gregor Gerlach hat sich noch ein Dessert ausgesucht, Blueberry Cheesecake im Glas. Das Dessert und den Kaffee muss er sich selbst holen hier im Vapiano in Hamburg-Rotherbaum, so wie alle anderen auch. Da nützt es auch nichts, dass er vor ein paar Tagen noch der Vorstandschef der Restaurantkette war. Vapiano, so stellt Gerlach sich das vor, stehe für Qualität und Frische. Vapiano, so erleben das die Gäste, steht aber eben auch für Anstellen und Warten. Und wieder Anstellen. Und wieder Warten.

Vapiano in München: Blick in das Self-Service-Restaurant in den Fünf Höfen in der Münchner Innenstadt. (Foto: Markus C. Hurek/dpa Picture Alliance)

Gregor Gerlach und sein Dessert haben nun einen Platz in der Lounge-Ecke gefunden. Gerlach, 45 Jahre alt, hanseatisch in Sprache und Optik, sagt, ihm sei klar, dass die Wartezeit "der Kritikpunkt Nummer eins" sei. "Wir glauben aber, dass die Menschen bereit sind, eine gewisse Wartezeit zu akzeptieren, wenn sie dafür frisches Essen von hoher Qualität bekommen." Maximal zehn Minuten, das ist die unternehmensinterne Zielvorgabe, sollten Kunden anstehen müssen, bevor sie an einer der Kochstellen in den Vapiano-Restaurants ihre Bestellung aufgeben und die Zubereitung beobachten können. Dass das nicht immer klappt, gerade zur Mittagszeit, bestreitet er nicht. Er selbst, sagt Gerlach, "versuche zu vermeiden, um halb eins zum Essen zu kommen".

Bei Vapiano galt bislang: Anstellen und warten. Wieder anstellen und wieder warten. Damit soll jetzt Schluss sein. Für Getränke und Desserts gibt es bald Personal, das am Tisch bedient. (Foto: dpa)

Dem Unternehmen wurde vorgeworfen, die eigenen Leute übers Ohr zu hauen

Künftig wird Gerlach wohl ausreichend zeitliche Flexibilität haben, denn der Mitgründer der Restaurantkette hat den Posten des Vorstandsvorsitzenden nun aufgegeben. Seinem Nachfolger Jochen Halfmann, 50, hinterlässt er ein rasant wachsendes Unternehmen - aber auch eines, das zuletzt einige negative Schlagzeilen hinnehmen musste. Weit schlimmere als nur die Frage, ob die Gäste bei Vapiano zu viel Geduld aufbringen müssen, um zu einem Teller Nudeln zu kommen. Dem Unternehmen wurde vorgeworfen, Arbeitszeiten nicht korrekt abgerechnet zu haben, kurz: die eigenen Mitarbeiter übers Ohr zu hauen. Konkret soll die Aufzeichnung über die geleisteten Arbeitszeiten nachträglich manipuliert worden sein, um den Gewinn der jeweiligen Filiale nach oben zu treiben.

Führungswechsel

Fast fünf Jahre steuerte Gregor Gerlach die Geschäfte der Restaurantkette Vapiano, die er einst selbst mitgründete. Vor wenigen Tagen übergab er das Zepter an Jochen Halfmann - und wechselte zurück in den Aufsichtsrat.

Tritt ab

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Gregor Gerlach, 45, war seit 2011 Vorstandschef von Vapiano. Er ist Mitgründer und Gesellschafter des Unternehmens. Er arbeitet zudem in der familieneigenen Firmengruppe, zu der unter anderem die Seaside Hotels gehören. Foto: dpa

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Jochen Halfmann, 50, arbeitete vor seinem Job bei Vapiano unter anderem als Geschäftsführer der Parfümeriekette Douglas, beim Textilunternehmen Biba und zuletzt als Deutschland-Chef des Schmuckunternehmens Pandora Jewelry. Foto: dpa

Gerlach sagt, dabei habe es sich um "Einzelfälle" gehandelt, das habe ein Gutachten der Wirtschaftsprüfer von Price Waterhouse Coopers ergeben, das in den nächsten Wochen fertiggestellt werde. Dennoch werde das Unternehmen nun noch einmal in ein besseres Zeiterfassungssystem investieren. "Wir sind sehr schnell gewachsen, da geht es manchmal auch chaotisch zu", sagt Gerlach. Dennoch seien diese Vorwürfe nicht spurlos an ihm vorübergegangen: "Natürlich trifft mich diese Kritik. Ganz klar."

Designer-Einrichtung und mehr Komfort: Das Unternehmen will seine Kunden nur noch das Hauptgericht selbst holen lassen. (Foto: Reto Klar)

Jochen Halfmann ist in diesen Tagen viel unterwegs, er sieht sich Vapiano-Filialen in ganz Europa an. Als die Vorwürfe über die falschen Arbeitszeitabrechnungen auftauchten, war er gerade ein paar Tage bei dem Unternehmen. "Ich habe deutlich gemacht, dass ich so etwas sehr ernst nehme", sagt er. Und dass das Unternehmen unter seiner Führung stärker in die Weiterbildung seiner Mitarbeiter investieren wolle. "Die Menschen sind der größte Wert eines Unternehmens", sagt Halfmann. Es ist nicht zu übersehen, dass er schon mittendrin ist in der wichtigsten seiner neuen Aufgaben: das angekratzte Image des Unternehmens wieder aufzupolieren. Die qualitätsbewusste Kundenschicht, die Vapiano ansprechen will, reagiert traditionell sensibel auf Berichte über schlechte Behandlung von Mitarbeitern - wer sich Gedanken über die Herkunft seiner Lebensmittel macht, isst nicht bei einem Unternehmen, das er der Ausbeuterei verdächtigt.

Aber dann ist da ja auch noch: die Sache mit der Wartezeit. Halfmann sagt, er wolle dort, wo das möglich sei, die Zahl der Kochstellen erhöhen, um zu den Spitzenzeiten mit mehr Personal die Wartezeiten für die Kunden zu verkürzen. Zudem sollen sich künftig auch die Dessertesser nur noch einmal anstellen müssen, nämlich für den Hauptgang: Kaffee und Süßspeisen sollen künftig an den Tisch gebracht werden. So soll in den Filialen schrittweise Bedienung eingeführt werden. Zudem arbeitet das Unternehmen an einer App, über die ebenfalls Bestellungen an den Tisch möglich sein sollen und die auch zum Bezahlen genutzt werden kann. In einer weiteren Ausbaustufe will Vapiano damit auch das Take-Away-Segment, also Speisen zum Mitnehmen, stärken, etwa durch die Möglichkeit, Vorbestellungen zu tätigen. Zudem will das Unternehmen künftig ungebackene Pizza anbieten: Der fertig belegte Teig, zum Fertigbacken im eigenen Backofen zu Hause.

Mit all diesen Maßnahmen hofft das Management, den rasanten Wachstumskurs der vergangenen Jahre fortzusetzen. Zwischen 400 und 420 Millionen Euro Umsatz will Vapiano in diesem Jahr erwirtschaften, nach 385 Millionen Euro 2014. 2016 soll es ähnlich weitergehen, zwanzig bis dreißig neue Filialen sollen dann weltweit entstehen, davon etwa fünf bis sieben in Deutschland. Eine neue Filiale in Paris, nahe den Champs-Élysées gelegen, soll noch in diesem Jahr maßgeblich zum Umsatzwachstum beitragen. Das Angebot ist dabei übrigens regional unterschiedlich: In den USA zum Beispiel schaffen es die Lieblingsnudeln der Deutschen - Pasta Bolognese - nur auf Platz drei der Verkaufscharts. Die Amerikaner bevorzugen Soßen auf Sahnebasis. In China wiederum mögen die Kunden keinen Salz im Pizzateig, essen dafür aber weit mehr Meeresfrüchte als in anderen Ländern.

Bleibt noch die Frage, ob der alte Vorstandschef, der nun wieder in den Aufsichtsrat wechselt, dem neuen ungefragt viele gute Ratschläge geben wird? Jochen Halfmann sagt, er freue sich auf die neue Konstellation, schließlich sei ein kompetenter Ansprechpartner im Aufsichtsrat immer gut. Gregor Gerlach sagt, er kenne "natürlich viele Details". Und er werde sich "einbringen, soweit das vom Management gewünscht ist" . Das mühsam erkämpfte Dessert steht immer noch da, er hat es während des ganzen Gesprächs nicht angerührt. Es gab wohl zu viel zu erzählen und vielleicht auch zu viel zu verteidigen. Blueberry Cheesecake im Glas. Bei seinem nächsten Besuch bringt den vielleicht schon ein Kellner vorbei.

© SZ vom 19.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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