Bei Fusionen geht es fast immer um dasselbe: Größe, Marktmacht, Effizienz. Das ist am Wohnungsmarkt genauso wie in der Industrie oder im Finanzgewerbe. Es ist nicht verwerflich, sondern Ergebnis eines Wettbewerbs - wenn man ihn denn zulässt. Und das haben die diversen Regierungskoalitionen in Berlin getan. In den vergangenen 20 Jahren verkaufte der Bund etwa 350 000 Wohnungen an Immobilienfirmen und Finanzinvestoren und heizte damit den Größenwettlauf an.
Einer der wichtigsten Aufkäufer: die Deutsche Annington, jenes Unternehmen, das sich nun anschickt, mit der Übernahme des Wettbewerbers Gagfah zum zweitgrößten Immobilienkonzern in Kontinentaleuropa aufzusteigen. Nehmen die Gagfah-Aktionäre das Angebot an, werden etwa eine Million Mieter in 350 000 Wohneinheiten von Annington verwaltet.
Kein Übergewicht auf dem Wohnungsmarkt
Dieser Deal markiert den bisherigen Höhepunkt eines Konzentrationsprozesses, der seit mehr als zehn Jahren läuft und sich mit der Börsennotiz einiger Firmen beschleunigt hat. Das birgt Risiken - und Chancen, je nachdem, wie der neue Konzern mit seiner Marktmacht umgeht.
Beherrschend wäre die Stellung auch einer größeren Deutschen Annington noch lange nicht. Immerhin 23 Millionen vermietete Wohnungen gibt es nach Angaben des Mieterbunds in Deutschland. Gut eine Million davon teilen sich die zehn größten privaten Vermieter im Land, darunter Annington und Gagfah. Zu den Großen gehören aber auch städtische und kommunale Wohnungsunternehmen wie Saga in Hamburg oder Degewo in Berlin, und viele größere und kleinere kirchliche Vermieter, die weniger profitorientiert wirtschaften. Beide Gruppen wirken als Korrektiv auf einem Markt, der aus sozialen Gründen von der Politik ohnehin beobachtet wird wie kaum ein anderer.
Erschwinglicher Wohnraum ist für die Menschen so wichtig wie ein Mindesteinkommen oder gleiche Startchancen bei der Ausbildung. Auf die stark gestiegenen Mietkosten in Ballungsgebieten reagiert die Bundesregierung nun mit der Mietpreisbremse. Minutiös geregelt sind auch fast alle anderen Beziehungen zwischen Mieter und Vermieter, von der Instandhaltung bis hin zu den Kündigungsregeln.
Wachstum bedeutet Sichtbarkeit
Im internationalen Vergleich ist die Stellung deutscher Mieter relativ stark, die der Vermieter eher schwach. Vor allem die der Kleineigentümer, der vielen Privatleute, für die so ein Mietverhältnis recht mühsam sein kann.
Wohnungskonzerne wie Deutsche Annington können nun beweisen, dass beides geht: rentabel und fair. Wenn die Börsenkurse von Immobilienfirmen weiter so steigen wie zuletzt, könnte das Unternehmen 2015 schon Dax-Kandidat sein und damit auf dem Sprung zu den 30 wichtigsten Konzernen am deutschen Aktienmarkt. Das bringt Aufmerksamkeit. Jedes Handeln wird noch mehr beobachtet werden, von Investoren, Mietern, Vertragspartnern - und der Politik.
Die Gewinne teilen
Die jetzt schon größte deutsche Wohnungsfirma kann ihre Marktmacht nutzen, um bei Lieferanten und Dienstleistern günstige Preise für sich und die Mieter zu verhandeln, etwa billigere Telefontarife oder günstigere Energie. Die Kunst besteht darin, genau so viel von den angekündigten Kostenvorteilen weiterzugeben, dass Mieter und Politiker zufrieden sind, und so viel einzubehalten, dass Anleger noch einen Grund haben, die Aktie der Firma zu kaufen. Das ist die Chance für Annington und für die Mieter.
Genau diese Gratwanderung birgt aber auch die größten Risiken. Denn gelingt sie nicht, wird weiter reguliert werden. Kaum eine Regierung wird es darauf ankommen lassen, für eine breite Verschlechterung von Wohnverhältnissen verantwortlich gemacht zu werden. Bislang stichelt vor allem Die Linke im Bundestag, die in der Privatisierungspolitik einen wichtigen Grund für die "aktuelle Mietpreisexplosion" sieht.
Dieser Stimmung müssen Großvermieter wie Annington entgegentreten. Bei manchen Ansinnen gab es schon einen Rückschritt vom reinen Kostendenken. So gibt es wieder Hausmeister für viele Wohneinheiten. Die hatte der Konzern durch Dienstleister ersetzt, mit denen Bewohner unzufrieden waren. Weiteres Ärgernis sind zentrale Hotlines, an die Mieter verwiesen werden. Hier kommt es auf die Reaktionszeit an. Sie muss viel kürzer sein als die von Investoren und Politikern. Sonst kann sich der neue Riese schnell ins Abseits manövrieren.