"Fürchterlich viele Verbote":Obst war gesund

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Den Verbrauchern zuliebe will die EU Werbeslogans verbieten.

Markus Balser und Michael Bauchmüller

(SZ vom 14.07.2003) — Obst ist gesund, das weiß jedes Kind. Geht es nach der Europäischen-Kommission steht diese Werbebotschaft bald auf dem Index. Auch Slogans wie "Unterstützt das Immunsystem" oder "Stärkt die natürlichen Abwehrkräfte" sollen nach dem Willen der Behörde von Verpackungen, aus TV-Spots und Anzeigen verschwinden.

Denn Verbraucherschutzkommissar David Byrne will die Vorschriften für die Lebensmittel-Werbung drastisch verschärfen und gesundheitsbezogene Aussagen größtenteils verbieten. An diesem Mittwoch will die Kommission die neuen Regeln verabschieden.

Vage und bedeutungslos

Nach dem umstrittenen Werbeverbot für Zigaretten und Tabakwaren macht Byrne damit auch gegen vage Gesundheitsversprechen in der Werbung und auf Verpackungen Front. Der Entwurf sieht vor, dass nicht überprüfbare Behauptungen grundsätzlich verboten werden.

"Zahlreiche Angaben, die auf dem Markt anzutreffen sind, beziehen sich auf allgemeine Vorteile und normale Körperfunktionen", heißt es in der Begründung. Vage, bedeutungslos und wissenschaftlich nicht nachprüfbar - so lautet die Kritik der Kommission.

Verboten ist künftig, was nicht erlaubt ist: Eine Positivliste soll festschreiben, mit welchen Slogans Hersteller werben dürfen. Selbst unstrittige Formulierungen wie "Kalzium verbessert die Knochendichte" sollen nur noch mit ausdrücklicher Genehmigung auf Packungen prangen dürfen. Selbst Botschaften wie "Haribo macht Kinder froh" oder "Red Bull verleiht Flügel" dürften der Vergangenheit angehören. Denn Byrne will auch Slogans verbieten, die "psychologische" Wirkung versprechen.

Den Lebensmittelherstellern geht die Brüsseler Regelungsfreude zu weit. "Fürchterlich viele Verbote, fürchterlich viele Beschränkungen, fürchterlich aufwändige Verfahren", urteilt ein Brüsseler Lebensmittellobbyist. Auf politischen Druck der Mitgliedsländer habe die Kommission den Entwurf in den vergangenen Tagen sogar noch verschärft.

Hauptkritikpunkt sind die so genannten "Nährwertprofile". Sie legen künftig Produkte fest, die wegen ihrer hohen Anteile an Zucker, Salz oder Fett nach einer Übergangsfrist von 18 Monaten keine nährwert- oder gesundheitsbezogenen Angaben mehr tragen dürfen. Dies aber geschehe "ohne wissenschaftliche Begründung und willkürlich", heißt es in einer Stellungnahme eines deutschen Lebensmittelverbandes.

"Natürlich ohne Alkohol"

Letztlich, verlautet aus Brüssel, dürfe dann ein Orangensaft-Abfüller womöglich nicht mehr auf Vitamine hinweisen, weil der Saft zu viel Zucker enthalte. Andere Hersteller bemängeln in einem gemeinsamen Papier, der Verordnungsentwurf schieße über das Ziel hinaus, sei "mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unvereinbar" und breche deswegen europäisches Recht.

"Die Werbeindustrie wird geknebelt", ärgert sich Volker Nickel, Geschäftsführer des Zentralverbandes der deutschen Werbewirtschaft und fürchtet sinkende Umsätze der Branche. Aber vielleicht besinnen sich die Werber am Ende doch auf ihre große Tugend: Kreativität - so wie ihre polnischen Kollegen.

Nachdem Warschau Werbung für Bier verboten hatte, warb eine große Brauerei umgehend nur noch für alkoholfreies Bier. Das Augenzwinkern der Reklamefigur war in jeder Hinsicht plakativ. Dass die Polen den Slogan "natürlich ohne Alkohol" als pure Ironie verstanden, war klar. Manche Werbebotschaften kennen eben kein Verbot.

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