Führungskrise bei Siemens:Reitzle, Bernhard - oder ein anderer

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Der Aufsichtsrat würde am liebsten Wolfgang Reitzle an die Siemens-Spitze holen. Der ist momentan Chef des Linde-Konzerns. Als Alternative ist ein Auto-Manager im Gespräch.

Karl-Heinz Büschemann und Ulrich Schäfer

Der Aufsichtsratsvorsitzende von Siemens, Heinrich von Pierer, hatte gerade angekündigt, seinen Posten zu verlassen, da stellten mächtige Leute bei Siemens die Frage: Reicht das, um aus dem Affärenstrudel herauszukommen? Oder muss nicht auch der Vorstandschef weichen?

Maßgebliche Aufsichtsräte machten sich bereits am Tag nach Pierers Rücktritt auf die Suche nach einem Ersatz für Klaus Kleinfeld. Vor allem Josef Ackermann von der Deutschen Bank sowie der künftige Vorsitzende des Kontrollgremiums, Gerhard Cromme, hielten nach einem Mann Ausschau, der den Posten übernehmen kann.

Im Aufsichtsrat wird schon lange darüber nachgedacht, wie der Konzern mit seinen 475.000 Beschäftigten einen Neuanfang schaffen könnte mit Spitzenpersonal, das auf keinen Fall in die Korruptionsaffären verwickelt wäre.

Die Antwort hieß lange: Ein Manager von außen habe keine Chance, die komplizierten Strukturen bei Siemens zu durchschauen. Für den Posten des Konzernchefs eigne sich nur jemand, der eine jahrzehntelange Laufbahn im Unternehmen hinter sich habe. Aber das gilt nicht mehr in diesen turbulenten Tagen: "Wir suchen auch intern nach einem Nachfolger für Kleinfeld", sagt einer aus dem Umfeld des Aufsichtsrates. "Doch die Gefahr besteht, dass ein interner Kandidat von den Skandalen kontaminiert ist".

Deutsche-Bank-Chef für Reitzle

Nachdem mit Gerhard Cromme erstmals in der Firmengeschichte ein Konzernfremder zum Aufsichtsratschef werden soll, könnte nun also auch der nächste Vorstandsvorsitzende von außen kommen. Zahlreiche Namen wurden in den letzten Tagen im Aufsichtsrat diskutiert, viele aber auch schnell wieder verworfen.

So kann sich niemand recht vorstellen, dass der im November zurückgetretenen Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke oder der ehemalige BMW-Lenker Helmut Panke nach außen hin einen schwungvollen Neuanfang dokumentieren könnten. Aus den gleichen Gründen wurde auch der Name von Joachim Milberg, Pankes Vorgänger an der Spitze von BMW, aus der Liste möglicher Kandidaten gestrichen.

Ackermann favorisiert stattdessen den Chef von Linde, Wolfgang Reitzle. Der 58-Jährige gilt als einer der erfolgreichsten deutschen Manager, der Chef der Deutschen Bank hält auch viel von ihm. Reitzle war lange Technik-Chef von BMW, überwarf sich dann aber im Streit über die Strategie bei der britischen Tochtergesellschaft Rover mit dem Vorstand und Aufsichtsrat. Reitzle ist seit vier Jahren Vorstandsvorsitzender beim Gasehersteller Linde und hat das Unternehmen kräftig umgebaut; zuletzt verlegte er den Firmensitz von Wiesbaden nach München.

Als Reitzle zu Linde kam, war das Traditionsunternehmen in stetiger Gefahr, wegen seines geringen Unternehmenswertes von einem Finanzinvestor geschluckt zu werden. Reitzle wagte es, den Gabelstaplerbereich abzustoßen und den viel größeren britischen Gase-Hersteller BOC zu erwerben.

Wolfgang Bernhard als Alternative

Der grenzüberschreitende Deal gelang ihm auch, weil er die IG Metall und wichtige Banken für den Plan gewann.

Reitzle ließ am Dienstag dementieren, dass er zu einem Wechsel bereit ist. Doch die offizielle Absage sei vor allem taktischer Natur, hieß es im Umfeld von Siemens. Es könne sein, dass in vier Wochen alles ganz anders aussähe.

Als mögliche Alternative zu Reitzle wurde am Dienstag Wolfgang Bernhard genannt. Der 46-Jährige stammt ebenfalls aus der Autobranche. Er war lange bei DaimlerChrysler, zuletzt als zweiter Mann beim US-Ableger Chrysler.

Danach versuchte er als Markenchef ein Jahr lang, den Wolfsburger Autohersteller Volkswagen zu sanieren - dann verließ er das Unternehmen im Frust. Bernhard gilt als harter Manager und ist für seine radikalen Entscheidungen bei der IG Metall gefürchtet. Die Metall-Gewerkschaft dürfte sich daher gegen seine Berufung als Siemens-Chef wehren.

© SZ vom 25.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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