Gründerinnen:"Jungen Frauen fehlt es an Vorbildern"

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Wie wibrt man für das Gründen? Hier ein Plakat von der Thüringer Gründerwoche, das auch Frauen ansprechen soll. (Foto: Martin Schutt/dpa)

Sonja Jost ist Gründerin und Geschäftsführerin eines Chemieunternehmens, eine Frau unter vielen Männern in der Szene. Wie hat sie sich durchgesetzt?

Von Rebecca Herber

In Deutschland sind immer weniger Menschen bereit, ein Unternehmen zu gründen. Im Ausland dagegen sieht das Bild anders aus. In den USA und China steigt die Anzahl von Start-ups immer weiter, auch Israel ist eine Hochburg für Gründer. Und in europäischen Ländern wie der Schweiz und in Polen gibt es ebenfalls eine florierende Start-up-Szene. Währenddessen nimmt die Gründungsaktivität in Deutschland stetig ab, unter Frauen ist sie noch stärker gefallen als unter Männern, wie eine Studie des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn (IfM Bonn) zeigt. Demnach ist zwischen 2008 und 2018 die Anzahl der gewerblichen Existenzgründungen um knapp ein Drittel zurückgegangen, der Frauenanteil ist von 33 Prozent auf 28 Prozent gesunken.

Gründe darin sieht Claudia Große-Leege, Geschäftsführerin des Verbandes deutscher Unternehmerinnen, in der guten Konjunktur Deutschlands in den vergangenen Jahren. Die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt sorge dafür, dass sich mehr Menschen gegen den eher unsicheren Schritt in die Selbständigkeit und für eine abhängige Beschäftigung entscheiden. Daneben gebe es auch geschlechterspezifische Faktoren, warum Frauen seltener ein Unternehmen gründen.

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"Die Gründerszene wird weiterhein als Männderdomäne dargestellt"

"Frauen sind tendenziell sicherheitsorientierter als Männer, besonders wenn es später um die Familienplanung geht", sagt Große-Leege. So steige die Gründungsneigung wieder, wenn Frauen älter sind und gegebenenfalls bereits Kinder haben. Frauen würden sich außerdem vor einer Gründung intensiver vorbereiten, was Zeit koste. "Frauen informieren sich vielfach länger und wollen sichergehen, dass sie auch über die notwendigen Kenntnisse verfügen, Männer probieren gerne schneller aus und sind tendenziell risikobereiter." Generell sei der gesellschaftliche Rahmen in Deutschland immer noch so beschaffen, dass es Frauen nicht nahegelegt werde, zu gründen. "Die Gründerszene wird weiterhin als Männerdomäne dargestellt", kritisiert Große-Leege.

Das bekam 2013 auch Sonja Jost zu spüren. Während ihrer Promotion an der TU Berlin hat die heute 39-Jährige das Start-up Dexlechem gegründet, ein Unternehmen, das umweltschonende Produktionskonzepte für die Chemie entwickelt. So sollen etwa Medikamente nachhaltiger und kostengünstiger produziert werden können. Unterstützung bekam Jost damals von den Gründerzentren der TU Berlin und von Bayer sowie vom Exist-Forschungstransfer, ein Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie: Geräte und Labore wurden ihr zur Verfügung gestellt, sie wurde betreut und gecoacht zu Themen wie Finanzierung, Verhandlung oder Pitching, was das oft schnelle Präsentieren von Geschäftsideen vor Investoren bezeichnet. Reisen zu Messen wurden finanziert, sodass sie das junge Unternehmen präsentieren konnte, ein Interimsmanager wurde zur Verfügung gestellt. "Das alles war unglaublich hilfreich. Wir wussten ja nicht, wie wir einen Businessplan erstellen, zum Beispiel", sagt Jost.

Auch wenn sie dankbar ist für die Unterstützung, nicht alles hat ihr gefallen: "Die Pitching-Trainings waren alle sehr männlich geprägt. Ein bestimmtes Bild wird da gefördert und gefordert. Man hat von mir erwartet, mich sehr extrovertiert zu geben, auf die Bühne zu gehen und dabei zu zeigen, wie es so viele tun: Ich bin hier der Allertollste. Alles Attribute, die allgemein in unserer Gesellschaft mit Männlichkeit und Stärke assoziiert werden." Alternativen seien nicht aufgezeigt worden, für sie persönlich habe das nicht funktioniert.

Sonja Jost, 39, ist Geschäftsführerin des Unternehmens Dexlechem und stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbands Deutscher Start-ups. (Foto: Privat)

Irgendwann begann Jost, aus der "Schablone X" auszubrechen

"Wir sollten uns fragen, welche Folgen das hat", sagt Jost. "Viele Menschen, die auch gute Gründer sind, finden sich in diesem Bild des extrovertierten Unternehmers nicht wieder und werden trotzdem hineingezwängt. Auch bei mir hat es eine Weile gedauert, bis ich mich getraut habe, es auf meine Art und Weise zu machen. Erst dann fing es an, gut zu werden."

Jost begann, aus der "Schablone X" auszubrechen, die nicht individuell anpassbar sei. Heute berichtet sie potenziellen Kunden und Investoren erst mal von sich, von ihrem Antrieb und dann von den Potenzialen, die sie in ihrer Idee sieht, anstatt direkt damit einzusteigen, wie toll das Unternehmen ist. Jungen Frauen rät sie vor allem, sich nicht einschüchtern zu lassen. Auch potenzielle Investoren seien meistens männlich, diese gilt es, von sich und dem Projekt zu überzeugen. In Männerrunden fühle man sich schnell körperlich unterlegen, es sei aber wichtig, dass man diese Wahrnehmung nicht nach außen trage.

Von Investoren unterschätzt werden Frauen zu Unrecht. Denn die Studie des IfM zeigt: Wenn Frauen gründen, dann weisen ihre Unternehmen ein ebenso hohes Innovationspotenzial auf und sind vergleichbar groß, wie die von Männern gegründeten Unternehmen. Frauen stellen sogar tendenziell mehr Mitarbeiter ein. Weniger Erfolg haben Frauen also mit ihren Gründungen nicht.

"Wir wollen inspririeren und Mut machen"

"Gründerinnen sind leider einfach nicht sehr sichtbar in der Öffentlichkeit. Deshalb gibt es auch den Verband deutscher Unternehmerinnen. Wir wollen inspirieren und Mut machen. Denn wenn man zusammensteht, wird man eher gesehen", sagt Claudia Große-Leege. "Jungen Frauen fehlt es an Vorbildern."

So ein Vorbild kann Sonja Jost sein. Sie ist auch stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbands Deutscher Start-ups, der sich hierzulande für gründerfreundlichere Bedingungen einsetzt. Jost vertritt im Verband den Chemiebereich. In den Naturwissenschaften lege die Frauenquote bei Gründungen zwischen 25 und 40 Prozent, eigentlich eine gute Quote, findet Jost. Besonders im naturwissenschaftlichen Bereich sieht die Unternehmerin weiteren Bedarf für Gründerzentren - denn kostenintensive Bestandteile der Forschung wie etwa eine Laborausstattung können sich Gründungsambitionierte selten leisten.

Mittlerweile ist sie selbst nicht mehr auf Unterstützung angewiesen, ihr Unternehmen ist in Berlin in eigene Büros und Labore umgezogen und seit 2018 profitabel. Das Team ist mit zwölf Mitarbeitern noch klein. Langfristig möchte sie nicht nur ihre Konzepte verkaufen, sondern eine eigene Produktion aufbauen. "Unsere Vision ist es, eine grüne Chemie zu schaffen."

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