Forever 21:Jung, aber nicht für immer

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Die Krise in der Textilbranche geht weiter: Jetzt steht die amerikanische Billig-Kette Forever 21 vor dem Aus. Die Trends ändern sich immer schneller, und ohne Online läuft fast nichts mehr.

Von Caspar Busse und Jürgen Schmieder, München/Los Angeles

Natürlich waren die Geschäfte ein Paradies für die Geiz-ist-geil-Generation: ein Top in trendigen Farben für fünf Dollar, eine Jeans für 7,90 Dollar, ein Unterhemdchen aus der "Basics"-Kollektion für 1,90 Dollar. Der Mode-Einzelhändler Forever 21 war ein Traum für alle jungen Leute - und solche, die gerne für immer jung sein wollten (daher der Firmenname). Es waren die Kunden, die bei Mode lieber Masse als Klasse bevorzugten und möglichst viele Anziehsachen im Schrank haben wollten, bei denen es quasi egal war, wenn sie schnell kaputtgingen - und bei denen sich die Käufer auch herzlich wenig darum scherten, unter welchen Umständen sie produziert wurden.

Dieser Traum ist seit Sonntag erst einmal vorbei, das Unternehmen Forever 21, das auch Filialen in Deutschland betrieben hatte, hat Gläubigerschutz nach den Regeln des sogenannten Chapter 11 beantragt. Zu dieser von einem Gericht überwachten Neuordnung der Finanzen sind Firmen verpflichtet, wenn ihnen das Geld auszugehen droht, und genau das ist bei Forever 21 der Fall: Das südkoreanischstämmige Ehepaar Do Won und Jin Sook Chang hatte das Unternehmen vor 35 Jahren gegründet und als Symbol des amerikanischen Traums vermarktet, noch vor drei Jahren hatte der Umsatz bei 4,4 Milliarden Dollar gelegen. Im vergangenen Jahr waren es nur 3,3 Milliarden Dollar, die neu strukturierte Firma sollte immerhin noch 2,5 Milliarden pro Jahr umsetzen, dazu sollten weltweit 350 Filialen geschlossen werden. Aus Deutschland etwa hat sich die Kette bereits weitgehend zurückgezogen.

Ein Geschäft der Modekette Hallhuber in München. (Foto: imago/Joko)

Kein Einzelfall: Die Modebranche hat schwer zu kämpfen, die Umbrüche sind groß, zuletzt hatte etwa Abercrombie & Fitch erhebliche Probleme. Zum einen bestellen immer mehr Kunden fast ausschließlich im Netz, bei Amazon oder bei Modehändlern, wie in Deutschland etwa Zalando. Gleichzeitig ist die Konkurrenz hart, besonders durch sehr große Ketten wie H & M oder Zara. Und die Trends ändern sich rasant: Schnelle billige Mode ist nicht mehr überall "in", dafür sind nachhaltige und umweltfreundliche Produkte im Trend, Leihplattformen und Secondhand-Mode wachsen. Sportartikel-Konzerne wie Nike und Adidas drängen immer mehr in die Fashion-Branche. Auch teure Marken kämpfen. In Deutschland etwa ging der Damenmodeanbieter Gerry Weber in die Knie .

Das Insolvenzverfahren von Forever 21 ist auch ein Signal, dass das Geschäftsmodell Fast Fashion, also eine rasche Veränderung des Sortiments, mittlerweile problematisch sein kann. Es lebt davon, dass Kunden immer wieder in die Geschäfte zurückkehren, was sie nicht mehr tun, weil sie online bestellen. Der Online-Umsatz lag bei Forever 21 aber gerade mal bei 16 Prozent. Billigmarken haben zudem nun einen schwierigeren Stand in Einkaufszentren, weil die sich zu Erlebniszentren mit Fitness-Studios und angesagten Lifestyle-Boutiquen entwickeln.

In der Vergangenheit gab es immer wieder kleinere und größere Skandale

In diesem Jahr haben einer Studie von Coresight Research zufolge bereits 8567 Einzelhändler ihre Geschäfte geschlossen - das sind keine guten Nachrichten für die Vermieter in Billig-Einkaufszentren, die im September keine Zahlungen von Forever 21 bekommen haben. "Es ist ein weiterer Nagel im Sarg dieser Vermieter, die zuletzt schon Ketten wie Sears, Macy's und Penney's verloren haben", sagte Mark Cohen, Professor für Einzelhandel an der Columbia Business School, der New York Times: "Es ist aber eine Wunde, die sich alle selbst zugefügt haben." Firmen im Fast-Fashion-Bereich wie Zara seien nach wie vor profitabel, Geiz ist noch immer geil. Forever 21 sei dagegen zu schnell gewachsen.

Eine Filiale von Forever 21 in Shanghai. (Foto: imago images)

Bei Forever 21 ist nun der große Schnitt geplant: Bis zu 178 Läden in den USA würden nun geschlossen, internationale Standorte in Europa und Asien ebenfalls aufgegeben. Forever 21 betrieb laut den Insolvenzdokumenten mehr als 800 Geschäfte in 57 Ländern, mehr als 500 allein in den Vereinigten Staaten. Bei Forever 21 hatte es in den vergangenen Jahren immer wieder kleinere und größere Skandale gegeben. Der Streit um die Arbeitsbedingungen von Arbeitern in Kalifornien zum Beispiel, denen Forever 21 weniger als den gesetzlichen Mindestlohn bezahlte, weil sich das Unternehmen als Einzelhändler und nicht als Hersteller darstellte, wurde ebenso außergerichtlich beigelegt wie die Klagen von Designern wie Diane von Fürstenberg wegen Verletzung des Urheberrechts. Die Sängerin Ariana Grande verklagt Forever 21 gerade, sie behauptet, dass die Firma ihre Models so aussehen lässt wie Grande im Video zum Lied "7 Rings".

"Wir sind innerhalb von nur sechs Jahren in 47 Länder expandiert und haben unser Sortiment erweitert, das war sehr kompliziert", sagt Linda Chang, Tochter der Gründer und Vizepräsidentin des Unternehmens, sie fügte an: "Meine Eltern haben eine grandiose Marke erschaffen. Wer an Fast Fashion denkt, der hat nur wenige Firmen im Kopf. Es ist ziemlich toll, dass wir dazugehören." Noch zumindest.

© SZ vom 01.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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