Flugtaxis:Traum vom billigen Fliegen

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Ein britischer Multimillionär entwickelt Drohnen, die Passagiere für wenig Geld durch Städte transportieren sollen - hoch über den verstopften Straßen. Schon in zwei Jahren könnten die ersten Käufer abheben.

Von Björn Finke, Sevenoaks

In einer grauen langen Halle nahe der Bahngleise sind Werkstätten und kleine Betriebe untergebracht. Neben den blauen Rolltoren hängen Nummern und Firmenschilder. Hinter Tor Nummer sechs befindet sich eine Glaserei, hinter Nummer sieben ein Cabrio-Spezialist. Bei Nummer acht gibt es kein Schild. Umso größer ist die Überraschung, wenn sich das Tor öffnet: Mitten im Raum steht eine riesige weiße Drohne, in deren Kabine zwei Menschen nebeneinander sitzen können. Zwischen den Sesseln ragt der Steuerknüppel empor; vor ihm hängt ein Tablet-Rechner. Der ersetzt das Armaturenbrett. Angetrieben wird das Fluggerät von sechs Propellern. Jeweils zwei sind an den Enden der Flügel montiert, zwei weitere am Heck.

In dieser Halle in Sevenoaks, einer Kleinstadt gut 30 Kilometer südöstlich von London, wuseln Männer in weißen Schutzanzügen herum. In der Ecke, neben dem Weihnachtsbaum, steht der Gründer und Chef und schaut sich das Treiben an. "Bis März wollen wir die ersten Flugtests mit Pilot machen", sagt Martin Warner. Der britische Multimillionär entwickelt mit seinem Unternehmen Autonomous Flight - zu deutsch: Autonomer Flug - Drohnen, die Reisende schnell und bequem aus verstopften Metropolen an den Stadtrand bringen sollen, etwa zum Flughafen.

Die Batterien des elektrisch angetriebenen Zweisitzers in der Halle reichen für 100 Kilometer, das Modell namens Y6S soll in bis zu 450 Metern Höhe mit 110 Kilometern pro Stunde herumsausen. Für die Strecke von Londons Innenstadt zum Flughafen Heathrow würde die Drohne zwölf Minuten brauchen.

Ein Lufttaxi als Alternative zum Taxi, das sich durch den Dauerstau am Boden quält: Das klingt nach Science-Fiction, doch tatsächlich arbeiten eine Reihe von Start-ups, Luftfahrt- und Autokonzernen an Passagierdrohnen, darunter auch deutsche Firmen. Die Geräte sollen kleiner, leiser, umweltfreundlicher und viel billiger als Hubschrauber sein. Aber bis den neuartigen Fliegern der Einsatz als Taxi genehmigt wird, ist es noch ein weiter Weg.

Etwa 30 000 Euro soll dieser Zweisitzer kosten – damit wird der Privatjet für Vielflieger erschwinglich. Sie brauchen allerdings einen Pilotenschein. (Foto: PR)

"Wir werden 2019 größtenteils mit dem Testen verbringen. Vielleicht erhalten wir schon im Jahr darauf alle nötigen Zulassungen", sagt Warner. "Ende 2020 könnten dann die ersten Käufer mit der Drohne abheben." Dafür müssten die stolzen Besitzer einen Pilotenschein haben, der wohl dem für Leichtflugzeuge entsprechen wird.

Langfristig sei das Ziel, dass die Drohnen ohne Pilot fliegen, sagt der 46-Jährige. Sie würden vom Computer gesteuert, der sich mit Hilfe von Ortungssystemen, Kameras, Radar und Sonar orientiert und Hindernissen ausweicht. Ähnliche Konzepte testen Autokonzerne mit ihren selbstfahrenden Wagen. "Autonome Steuerung in der Luft ist sogar einfacher als auf dem Boden", sagt Warner. "Es gibt keine Schlaglöcher und Fußgänger; die Drohnen müssen bloß auf Hochhäuser, Flughäfen und andere Drohnen achten." Die nötige Technik sei vorhanden, aber es werde noch dauern, bis die Behörden selbststeuernde Passagierdrohnen erlauben, schätzt der Manager.

Seinen Zweisitzer, dessen Rumpf vor allem aus ebenso leichten wie stabilen Kohlefasern besteht, will Warner für etwa 30 000 Euro verkaufen. Zum Vergleich: Für einen Hubschrauber sind Hunderttausende oder Millionen Euro fällig. So ein Helikopter fliegt viel schneller und weiter und kann mehr transportieren, doch er ist eben nur etwas für sehr reiche Menschen. Passagierdrohnen könnten es dagegen für die breite Masse erschwinglich machen, im eigenen Fluggerät herumzusausen - solange die Distanz nicht zu groß ist.

Der Gründer zielt mit dem Zweisitzer auf Privatleute als Kunden ab. Daneben will er zwei größere Modelle entwickeln: einen Viersitzer und eine Drohne, die acht Passagieren plus einem Flugbegleiter Platz bietet. Diese Modelle wären für Flugtaxis interessant, die vom Zentrum zum Stadtrand und zurück pendeln. Warner schwebt vor, dass auf Hochhausdächern kleine Drohnen-Flughäfen errichtet werden. Die Geräte landen, ein Förderband transportiert sie in ein Terminal, die Passagiere steigen aus, die Batterien werden schnell durch frische ersetzt, neue Fahrgäste steigen ein, das Förderband bringt die Drohne nach draußen, sie hebt wieder ab.

Die Serie "Unterwegs in die Zukunft. Leben ohne eigenes Auto" ist im SZ-Wirtschaftsteil zwischen 15. Dezember 2018 und 2. Februar 2019 erschienen. (Foto: N/A)

Warner bezeichnet sich als "obsessiven Serien-Entrepreneur". Seinen größten finanziellen Erfolg hatte er mit Botobjects. Der Brite war Mitgründer dieses Herstellers von 3-D-Druckern und verkaufte die Firma 2015 für 50 Millionen Dollar an einen Rivalen. Im gleichen Jahr gründete Warner Flix Premiere, einen Streamingdienst für anspruchsvolle Filme.

Der Manager lebt in New York, London und auf einem Landsitz in der Nähe der britischen Hauptstadt. Vom Landsitz fliegt er manchmal mit einem gecharterten Hubschrauber nach London. "Das kostet für 15 Minuten 1800 bis 2500 Pfund", sagt er. Der Betreiber einer Flotte von Drohnentaxis könnte diese Strecke für gut 100 Pfund anbieten, schätzt Warner, also 110 Euro.

Gelingt der Durchbruch, könnte Warners Unternehmen entweder selbst eine Fabrik für die Massenproduktion bauen oder einen Partner aus der Industrie suchen. Dieser Partner würde die Flieger fertigen und den Briten Lizenzgebühren zahlen. "Meinem Bauchgefühl zufolge ist dieses Modell aber nicht so attraktiv", sagt Warner, der jetzt Flix Premiere und Autonomous Flight leitet - und nebenher als Geldgeber bei anderen Technologiefirmen mitmischt. In den Drohnenhersteller steckten Warner und zwei weitere Investoren bisher insgesamt eine Million Pfund. "Das meiste stammt von mir", sagt der Tüftler. Er sucht einen weiteren großen Investor und spricht darüber nach eigenen Angaben gerade mit namhaften Konzernen.

Die Idee für die Drohnen entwickelte der Brite vor zwei Jahren, die Arbeit am ersten Modell begann im Herbst 2017. Warner hat keinen Pilotenschein und Angst vor Turbulenzen, sagt jedoch, das Thema Fliegen begeistere ihn seit jeher: "Viel Geld habe ich früher schon gemacht. Nun geht es vor allem darum, dass mir Dinge Spaß bereiten."

© SZ vom 28.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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