Fleischindustrie:Der Schlachtplan

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Die Missstände in der Fleischbranche sind schon lange bekannt. Nach Corona-Ausbrüchen aber will Arbeitsminister Heil endgültig "aufräumen".

Von Henrike Roßbach, Berlin

Schinken in einer Wurstfabrik in Eberswalde bei Berlin: Künftig soll es in großen Unternehmen der Fleischindustrie mehr Kontrollen geben. (Foto: Bernd Friedel/imago images)

Auf die Fleischindustrie kommen härtere Regeln zu. Nachdem Corona-Ausbrüche in Schlachthöfen die katastrophalen Arbeitsbedingungen in der Branche deutlicher denn je zu Tage gefördert haben, stimmte das Kabinett am Mittwoch dem Gesetzentwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für ein "Arbeitsschutzkontrollgesetz" zu. Heil sprach davon, dass "die organisierte Verantwortungslosigkeit" beendet werde. Diese sei eine Gefahr geworden für die Beschäftigten, aber auch für die Bevölkerung insgesamt.

Der Kern des Vorhabens: Vom kommenden Jahr an sollen Werkverträge in der Fleischindustrie verboten sein, von April 2021 an auch der Einsatz von Leiharbeitern. "Künftig ist der Schlachthof für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verantwortlich, die in seinem Kerngeschäft arbeiten", sagte Heil. Das bisherige "Vertragswirrwarr" müsse beendet werden. Derzeit ist es in der Branche üblich, dass die Konzerne Aufträge über Werkverträge an Subunternehmen vergeben. Bezahlt wird das vereinbarte "Werk". Wie es zustande kommt, ist Sache des Subunternehmens. "Wir werden dieser Verschleierung ein Ende setzen und in der Fleischindustrie gründlich aufräumen", sagte Heil. Ausgenommen von den Verboten sind Betriebe des Fleischerhandwerks mit bis zu 49 Mitarbeitern.

Zudem muss die Fleischindustrie in Zukunft die Arbeitszeit elektronisch erfassen. In der Vergangenheit habe es Manipulationen gegeben, um auf diese Weise den Mindestlohn zu umgehen, begründete Heil das Vorgehen. Bei Verstößen werden höhere Bußgelder fällig als bisher.

Vorgesehen ist auch, dass die Länder häufiger kontrollieren müssen, ob der Arbeitsschutz auch wirklich eingehalten wird - auch jenseits der Fleischindustrie. Dazu werden die jährlichen "Mindestbesichtigungsquoten" erhöht; vor allem in "gefahrgeneigten" Wirtschaftszweigen soll es Schwerpunktkontrollen geben - allerdings mit zeitlichem Puffer: Laut Entwurf soll erst von 2026 an jedes Jahr mindestens jeder 20. Betrieb besucht werden. Heil begründete das damit, dass die Länder zunächst Personal einstellen müssten. Allerdings könne es in besonders gefährdeten Branchen durchaus schon früher mehr Kontrollen geben.

Ebenfalls vorgesehen sind generelle Mindeststandards für die Unterbringung von Arbeitern. "Niemand soll in verschimmelten oder überbelegten Zimmern leben müssen", so Heil. Auch das sei eine "bittere Lehre aus der Corona-Pandemie". Die Unterbringung von ausländischen Fleischarbeitern oder Erntehelfern gilt in der Tat als einer der Gründe, warum es in Fleisch- und Agrarbetrieben immer wieder zu Corona-Ausbrüchen gekommen ist. Die Arbeiter leben oft in Mehrbettzimmern und müssen sich Küche und Bad teilen. Zuletzt hatte es in einem Gemüsehof in Niederbayern zahlreiche Infektionen gegeben.

"Dann muss man eben mal über die Gewinnmargen diskutieren", sagt der Arbeitsminister

Aus der Fleischbranche kam naturgemäß Kritik. "Wir brauchen Leiharbeiter, um die hohe Nachfrage zur Grillsaison abzufedern", sagte etwa Friedrich-Otto Ripke, Präsident des Verbands der Geflügelwirtschaft, der Neuen Osnabrücker Zeitung. Der CDU-Wirtschaftsrat nannte die Pläne einen Eingriff in die unternehmerische Freiheit.

Lob kam von Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) und dem DGB. Als nächstes muss der Bundestag zustimmen. "Die Zeit der Selbstverpflichtungen und Absichtserklärungen ist vorbei", sagte Heil und verwies auf eine "sehr aufgestellte Lobby", die es in der Vergangenheit immer wieder geschafft habe, strengere Gesetze "abzuschleifen" oder "mit trickreichen Konstruktion von Subsubsubunternehmerei" zu umgehen. Er appellierte an den Bundestag, sich nicht "von einer Lobby beeindrucken zu lassen, die mit sehr viel Geld ihr windiges Geschäftsmodell retten will". Die Warnung vor steigenden Fleischpreisen und einer Abwanderung der Firmen nannte Heil ein "Ammenmärchen". Ausbeutung dürfe kein Standortvorteil sein. In der Branche würden Milliarden verdient, "dann muss man eben mal über die Gewinnmargen diskutieren".

© SZ vom 30.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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