Lobbyismus:Die Macht des Geldes

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Die Lobbyisten der Finanzindustrie haben großen Einfluss. Konkret bedeutet das: Jeder Abgeordnete im Finanzausschuss des Bundestages wird rechnerisch von 36 Mitarbeitern der Finanzlobby bearbeitet. Im Bild: der Reichstag. (Foto: Michael Sohn/AP)

Die Finanzlobby kontrolliert die Gesetzgebung für den Finanzsektor. Alle anderen schauen hilflos zu. Eine Analyse belegt das mit ernüchternden Zahlen.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Welchen Einfluss hat die Finanzlobby in Deutschland? Die Bürgerbewegung Finanzwende hat erstmals Zahlen recherchiert, die deutlich machen, wie groß die Macht des Geldes in der bundesdeutschen Gesetzgebung ist. Vergleiche man die 1500 Mitarbeiter der Finanzlobby mit den Abgeordneten im Finanzausschuss des Deutschen Bundestags, der neben Steuerthemen auch für den Bereich Finanzmarkt zuständig sei, dann stünden rechnerisch jedem Abgeordneten etwa 36 Mitarbeiter der Finanzlobby gegenüber, heißt es in der Analyse, die jetzt publiziert wurde.

Insgesamt gebe die Finanzindustrie mehr als 200 Millionen Euro pro Jahr für die Lobbyarbeit in Deutschland aus. Mehr als 250 verschiedene Organisationen aus Finanzlobby und erweiterter Finanzlobby versuchten, die deutsche Politik in den Jahren 2014 bis 2020 demzufolge zu beeinflussen. Die mehr als 1500 Lobbyisten kämen aus dem Bereich Banken, Versicherungsunternehmen, Fonds, Börsen oder Zahlungsdienstleister. Zähle man hier noch die "erweiterte Finanzlobby" hinzu, beispielsweise Teile der Immobilienbranche, Wirtschaftsprüfer, Anwaltschaft oder Glücksspielbranche, sei die Anzahl noch höher.

"Dass diese Schieflage im Vergleich zur Zivilgesellschaft so groß ist, das hat mich erschreckt"

"Ich wusste immer, dass der Einfluss immens ist", sagte Gerhard Schick, Vorstand von Finanzwende. "Aber dass diese Schieflage im Vergleich zur Zivilgesellschaft so groß ist, das hat mich erschreckt", so der frühere Bundestagsabgeordnete der Grünen.

Die Experten von Finanzwende analysierten die Stellungnahmen von Verbänden und Unternehmen zu den Referentenentwürfen, die als Vorstufe von Gesetzesinitiativen dienen. Demnach liege das Zahlenverhältnis zwischen Finanzlobby auf der einen und der Zivilgesellschaft auf der anderen Seite bei neun zu eins. Auf eine Stellungnahme von Verbraucherschützern und anderen Vertretern der Zivilgesellschaft kamen damit neun Expertisen seitens der Finanzlobby.

"Die aktuelle Gesetzgebung spiegelt die Interessen der Finanzindustrie wider und nicht die der Bevölkerung", sagte Schick. "Wir brauchen eine Korrektur. Alle gesellschaftlichen Gruppen müssen den gleichen Einfluss auf die Finanzgesetzgebung haben."

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