Finanzinvestoren:In den Fängen

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Zu unseriös, zu aggressiv: Finanzinvestoren waren als Käufer deutscher Geldhäuser lange unerwünscht. Der Verkauf der Hamburger HSH Nordbank an angelsächsische Fonds ermutigt nun Nachahmer.

Von Meike Schreiber

Die Personen, um die sich alles dreht, sind nicht da an diesem grauen Tag Ende Februar in Kiel. Gerade haben Hamburgs Noch-Bürgermeister Olaf Scholz und Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, den Verkauf der landeseigenen HSH Nordbank verkündet. Es ist das Ende einer zehnjährigen Leidensgeschichte, welche die Steuerzahler gut zehn Milliarden Euro gekostet hat. "Wir haben einen Schlussstrich gezogen", sagt Scholz. Er ist flankiert von Finanzministerin, Staatssekretär, Senator. Allen ist die Erleichterung anzusehen. Wäre der Verkauf gescheitert, die Bank mit 2000 Mitarbeitern wäre abgewickelt worden.

Wer nicht zugegen ist, das sind die Käufer. Kein Händeschütteln vor der Kamera, keine persönlichen Erklärungen. In der Pressemitteilung der HSH finden sich später ein paar dürre Zitate der neuen Eigentümer. Man sei "begeistert" über "diese neue Chance". Freue sich, bei der Privatisierung dabei sein zu können. Aber ein Ansprechpartner? Gar eine Telefonnummer? Nichts dergleichen findet sich unter der Mitteilung. Rückfragen sind anscheinend nicht erwünscht: Zum Kaufpreis von einer Milliarde Euro, zu den Plänen für das Geldhaus; den Arbeitsplätzen.

Die Käufer, das sind mehrere angelsächsische Finanzinvestoren. Sie heißen Cerberus (Namensgeber ist der dreiköpfige Höllenhund aus der griechischen Mythologie), Flowers, Golden Tree und Centaurus, und sie sind allesamt sehr verschwiegen. Als "Heuschrecken" wurde ihre Art früher beschimpft. Sie beladen Unternehmen häufig mit hohen Schulden, prügeln die Kosten herunter, streichen Stellen und verkaufen die Firmen dann ausgehöhlt weiter.

Es mag längst Alltag sein, dass Unternehmen von Finanzinvestoren gekauft werden. 2017 steckten sie 11,3 Milliarden Euro in rund 1100 deutsche Firmen, so viel wie noch nie zuvor. Dass die klandestinen Fonds, zumeist Angelsachsen, aber bei einer Bank zum Zuge kommen, noch dazu bei einer großen wie der HSH, das schien lange nicht denkbar zu sein. "Der Kauf der HSH ist ein Ritterschlag für einen Investor wie Cerberus", sagt ein Finanzexperte, der die Transaktion eng begleitet hat, aber namentlich nicht genannt werden wollte.

Die HSH ist die erste Landesbank, bei der Investoren hoch einstiegen. (Foto: Bodo Marks/dpa)

Bislang galten die Fonds mit ihren zweistelligen Renditezielen nicht unbedingt als seriöse Bankeigner. Denn droht eine Pleite, überlassen sie lieber Steuerzahlern oder der Haftungsgemeinschaft anderer Banken die Rettung. Auch bei der HSH war das so. Chris Flowers, der Gründer des gleichnamigen Fonds und einer der HSH-Eigentümer, ist in Deutschland kein Unbekannter. Kurz vor der Finanzkrise war der Amerikaner bei der Pleitebank Hypo Real Estate eingestiegen und 2006 mit 27 Prozent bei der HSH. Auch der smarte Finanzinvestor erkannte die Risiken der Landesbank zu spät, heizte sie mit Blick auf den damals geplanten Börsengang des Geldhauses womöglich sogar an. Als die HSH in den Krisen-Strudel geriet und die Länder sie mit Milliarden retten mussten, zog sich Flowers zurück. Ein weiteres Negativ-Beispiel ist Lone Star. Im Jahr 2015 schickte der texanische Finanzinvestor die kleine Düssel Hyp in die Pleite, zulasten der Haftungsgemeinschaft der privaten Banken.

Nun aber wendet sich das Blatt. Finanzinvestoren sind mit einem Mal wieder salonfähig - sogar als Bankeigentümer. Wer bei deutschen Geldhäusern das Sagen hat, wie viel Stellen abgebaut werden, wer fusioniert, wird damit immer häufiger im Ausland entschieden. Denn der Fall HSH Nordbank zieht bereits Nachahmer an. Zum Beispiel stellt sich die Frage, ob die Fonds auch als Retter weiterer klammer, aber seit jeher staatlicher Landesbanken zur Verfügung stehen könnten: So sondiert seit Kurzem auch die Nord-LB in Hannover den Einstieg privater Investoren. Wegen der anhaltenden Schiffskrise braucht das schwächelnde Geldhaus dringend frisches Kapital. Der Mehrheitseigentümer, das Land Niedersachsen, muss zunächst zwar wohl selbst nachschießen, dann aber auch private Investoren ansprechen. Staatliche Beihilfen werden andernfalls bei der EU-Wettbewerbsbehörde nicht goutiert. Auch in Hannover soll Cerberus daher bereits vorstellig geworden sein.

Der "Höllenhund" aus New York scheint unersättlich: Niemand steckte 2017 so viel Kapital in hiesige Bank wie Cerberus. Über ihre österreichische Tochter Bawag sicherten sie sich zunächst die kleine Südwestbank in Stuttgart. Im Juli stiegen die Amerikaner dann mit gut fünf Prozent bei der Commerzbank ein. Im November folgte die nächste Überraschung, da kaufte sich der Fonds sogar mindestens drei Prozent der Deutsche-Bank-Aktien. Kostenpunkt: jeweils rund 700 Millionen Euro. Die Kollegen eines US-Fonds namens Apollo wiederum schnappten sich die ungleich kleinere Oldenburgische Landesbank. Zuvor hatten sie sich schon die Bremer Kreditbank und - mit dieser zusammen - das ebenfalls bremische Bankhaus Neelmeyer einverleibt.

Wie aber kommt es, dass die Fonds mitspielen dürfen? Ein wichtiger Grund ist, dass sich die Fonds inzwischen einen besseren Ruf bei der Finanzaufsicht Bafin erarbeitet haben, die jede Übernahme einer Bank genehmigen muss. Als Positivbeispiel gilt die Sanierung der österreichischen Bank Bawag durch Cerberus. Zudem fallen andere deutsche Banken als Kapitalgeber und Käufer für die notorisch klamme deutsche Finanzbranche weitgehend aus, weil alle selbst ausreichend Probleme haben. Auch ausländische Banken winken in der Regel ab. Im Fall der HSH blieb daher am Ende nur der Verkauf an einen Finanzinvestor. Auf Geheiß Brüssels musste das Geldhaus bis Februar 2018 verkauft werden; an wen war dann zweitrangig.

Über allem schwebt nun aber die Frage, was die Fonds mit den schwächelnden deutschen Banken vorhaben. Sie selbst äußern sich dazu nicht. In der Finanzbranche schießen daher längst die Theorien ins Kraut. Wahrscheinlich fußt das neu erwachte Interesse auf gleich mehreren Wetten: Erstens der Hoffnung, dass die Leitzinsen bald wieder steigen und die Banken im Kreditgeschäft leichter Geld verdienen. Zweitens darauf, dass sie schlichtweg zu günstigen Preisen gekauft haben. Kommt die Zinswende, können sie ihre Anteile vermutlich teurer losschlagen. Drittens, das wäre allerdings spektakulär, spekulieren sie sicherlich auch auf Fusionen - womöglich sogar darauf, dass sich die beiden Dickschiffe Commerzbank und Deutsche Bank irgendwann zu einer Art nationalem Bankenchampion zusammenschließen.

Vorerst aber müssen sie beweisen, dass sie eine Landesbank wie die HSH sanieren können. Deren Chef Stefan Ermisch jedenfalls freut sich auf die neuen Eigentümer. Der deutsche Bankensektor gerate "durch die Privatisierung in Bewegung", sagt er. "Finanzinvestoren ergreifen die Chance zur Bereinigung, denn die ist überfällig."

© SZ vom 12.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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