Finanzbranche:Schön gefährlich

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Viele Banken weisen für das vergangene Jahr stattliche Gewinne aus. Das gelingt ihnen meist nur mit einem Trick: Die Institute bauen ihre Risikovorsorge ab, und das zum Teil ganz erheblich. Experten sehen das kritisch.

Von Heinz-Roger Dohms und Meike Schreiber, Frankfurt

Die Commerzbank arbeitet sich aus der Krise. Das war der Eindruck, als Deutschlands zweitgrößtes Geldinstitut Mitte Februar seine Zahlen für 2014 veröffentlichte. 602 Millionen Euro Gewinn verzeichnete die "Coba", siebenmal mehr als ein Jahr zuvor - ein Erfolg, der Vorstandschef Martin Blessing einen Millionenbonus bescherte.

Was dabei fast unterging: Der Überschuss entstammte genau genommen einer einzigen Quelle. Die Bank hatte ihre Risikovorsorge abgebaut - also jenen Puffer, der unvorhergesehene Verluste im Kreditgeschäft abfedern soll. Von 1,7 auf 1,1 Milliarden Euro schrumpfte die Reserve. Wodurch die Bank ziemlich exakt jene gut 600 Millionen Euro freischaufelte, die sie schließlich als Gewinn deklarierte.

Ein Einzelfall? Im Gegenteil - fast alle deutsche Institute haben die Risikovorsorge 2014 drastisch zurückgefahren. Die Deutsche Bank halbierte die Reserve, die Hypo-Vereinsbank fuhr sie um ein Drittel, die DZ Bank gar um zwei Drittel zurück. Und BayernLB-Chef Hans-Jörg Riegler erklärte dieser Tage, dass bei seinem Institut die Risikovorsorge "quasi nicht vorhanden" sei.

Kaum anders als die Großbanken verfuhren die bundesweit gut 400 Sparkassen. Deren Risikovorsorge sank nach eigenen Angaben auf "historisch niedrige 0,3 Milliarden Euro". Vor zehn Jahren waren es noch 4,3 Milliarden. "Gemessen am Kreditbestand von 720,7 Milliarden Euro sind die Aufwendungen für Kreditrisiken verschwindend gering", urteilt der Finanzierungsexperte Peter Barkow.

Das alles ist legitim, aber ist es auch vernünftig? Oder stimmt, was HSH-Nordbank-Manager Peter Axmann dieser Tage in bemerkenswerter Offenheit gesagt hat: "Ich fürchte, dass sich die Branche die Risikokosten auf lange Sicht ein bisschen schön guckt." Wenn dem so ist, und dafür spricht einiges, dann könnte sich die Sorglos-Politik bald bitter rächen. Denn unter Branchenkennern gilt als ausgemacht, dass Deutschlands Banken, die gerade erst aus einer schweren Krise kommen, bereits in die nächste geraten. In vielen Bilanzen schlummern Altlasten, wie sich jüngst beim Zusammenbruch der Düsseldorfer Hypothekenbank zeigte. Hinzu kommen milliardenschwere Rechtsrisiken und steigende Regulierungskosten, "die manche Banken sogar in ihrer Existenzfähigkeit bedrohen", wie Markus Krall sagt, Leiter der Bankenberatung bei Goetzpartners.

Das größte Problem jedoch: Die Banken verdienen wegen der niedrigen Zinsen immer weniger an ihren Krediten. "Dieser Effekt ist schon jetzt deutlich spürbar", sagt Karsten Junge von der Beraterfirma Consileon. "Richtig durchschlagen wird er aber erst in den nächsten Jahren, wenn die alten, noch ordentlich verzinsten Kredite peu à peu auslaufen."

Hier kommt nun die Risikovorsorge ins Spiel. Denn die meisten Institute versuchen die sinkende Marge beim einzelnen Kredit zu kompensieren, indem sie einfach mehr Kredite vergeben. Das müsste eigentlich mehr Vorsorge bedeuten, doch das Gegenteil ist der Fall. "Denn durch die gute Konjunktur in Deutschland sind die Kreditausfallraten momentan niedrig", erklärt der Frankfurter Bankenprofessor Martin Faust. "Im Ergebnis verbessern sich damit in den bankinternen Ratingmodellen die Risikobewertungen. Viele deutsche Banken sehen dadurch momentan stabiler aus, als sie es mit Blick auf den gesamten Konjunkturzyklus eigentlich sind", so Faust.

Das ist gefährlich. Die Flucht ins Neugeschäft führt dazu, "dass die Erträge aufgrund der Konkurrenzdrucks nur noch weiter gefallen", wie Analyst Barkow beobachtet. Bei Unternehmenskrediten zum Beispiel habe die durchschnittliche Marge zuletzt nur noch 1,61 Prozent betragen.

Bisher übertüncht die gute Wirtschaftslage solche Gefahren. "Doch die deutsche Sonderkonjunktur wird nicht ewig anhalten", warnt Experte Junge. "Und wenn es ganz dumm läuft, dann kommt der Einbruch ausgerechnet dann, wenn sich das Zinstief ohnehin in die Ergebnisse frisst." Viele Banken werden sich dann wünschen, sie hätten jene Puffer noch, die sie zuletzt aufgelöst haben.

© SZ vom 04.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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