Finanzamt fordert Nachzahlungen:Blaue Briefe für Rentner

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Viele Rentner schulden dem Staat noch Steuern - ohne es zu wissen. Grund ist das Alterseinkünftegesetz aus dem Jahr 2005, durch das deutlich mehr Rentner steuerpflichtig sind als zuvor. Wer sich bisher nicht freiwillig gemeldet hat, dem schickt der Fiskus in den nächsten Tagen Post.

Andreas Jalsovec

Die Datensätze sind komplett, jetzt gehen die letzten Päckchen raus: In der Weihnachtspost kann in diesem Jahr für manchen Rentner eine unangenehme Überraschung stecken. Denn es ist gut möglich, dass im Briefkasten ein Umschlag mit gleich mehreren Vordrucken für eine Steuererklärung liegt. Der Grund: Die Finanzämter haben mittlerweile von allen gesetzlichen und privaten Rentenversicherungsträgern die Mitteilungen bekommen, wem sie zwischen 2005 und 2010 wie viel Rente gezahlt haben. "Uns liegen jetzt von überall die Daten vor", sagt Alexander Ulbricht vom Bayerischen Landesamt für Steuern. Die Steuerbehörden können nun abschätzen, welche Rentner in dieser Zeit steuerpflichtig waren. In den nächsten Monaten dürften daher viele Ruheständler blaue Briefe vom Finanzamt bekommen. "Wer auffällig erscheint, wird angeschrieben", sagt Ulbricht.

Zahlreiche Rentner müssen für die vergangenen sechs Jahre noch Steuererklärungen abgeben. (Foto: Thomas Lehmann/dpa)

Jeder Bürger besitzt eine Steueridentifikationsnummer. Mit deren Hilfe lassen sich sämtliche Rentenzahlungen einzelnen Personen zuordnen. Die Finanzämter haben das bislang schon bei jenen Rentnern getan, die sich freiwillig bei den Steuerbehörden gemeldet hatten. "Jetzt sind alle noch nicht erfassten Rentner an der Reihe", sagt Thomas Eigenthaler, Chef der Deutschen Steuergewerkschaft. Grund für die Überprüfung ist das Alterseinkünftegesetz. Es wurde 2005 eingeführt. Seitdem sind deutlich mehr Rentner steuerpflichtig als früher - oft ohne es zu wissen. Kommt das Finanzamt zum Schluss, dass in den vergangenen sechs Jahren eine Steuerpflicht vorlag, schickt es den Betroffenen Vordrucke mit der Aufforderung, eine Steuererklärung abzugeben.

Die genaue Zahl kennt keiner. In Bayern werde "weniger als jeder Vierte angeschrieben", meint Alexander Ulbricht. Die Zahlen dürften regional aber unterschiedlich sein. "In München oder Stuttgart, wo es hohe Einkommen gibt, sind oft auch die Renten höher", sagt Steuergewerkschafter Eigenthaler. Entsprechend häufiger stoßen die Finanzbeamten dort auf steuerpflichtige Rentner. Klar ist: Die Anzahl der Ruheständler, die Steuern zahlen müssen, steigt Jahr für Jahr. Denn je nach Renteneintritt ist ein immer höherer Anteil der gesetzlichen Rente steuerpflichtig. Wer bis 2005 seinen Ruhestand antrat, musste nur die Hälfte der Rente versteuern. 2010 sind es schon 60 Prozent, ab 2040 ist es die komplette Rente. "Rentner sollten daher ihre Steuerpflicht genau prüfen", rät Uwe Rauhöft vom Neuen Verband der Lohnsteuerhilfevereine. Wer es nicht tut und erwischt wird, dem drohen Strafzinsen und - bei höheren Nachzahlungen - sogar Bußgelder.

Jeder, der mit seinen steuerpflichtigen Einkünften über dem Grundfreibetrag von 8004 Euro im Jahr liegt. Für Ehepaa-re ist es doppelt so viel. Eine alleinste-hende Frau etwa, die 2010 in Ruhestand ging, muss ihre jährliche Altersrente von 12 800 Euro zu 60 Prozent versteuern (Beispiel 1). Das sind 7680 Euro. Davon kann sie noch Werbungskosten abziehen und liegt dann unter dem Grundfreibetrag. Hat sie sonst keine Einkünfte, muss sie auch keine Steuererklärung abgeben. Selbst wenn die Einkünfte jedoch höher als der Grundfreibetrag sind, heißt das nicht, dass man auch steuerpflichtig ist.

Das hängt davon ab, welche Einkünfte Rentner neben der gesetzlichen Rente noch haben - und welche Ausgaben sie steuerlich geltend machen können. Zu den Ausgaben zählt vor allem der Eigenanteil zur Kranken- und Pflegeversicherung. Beispiel: Ein Ehepaar ging vor 2005 in den Ruhestand und bezog damals zusammengenommen gesetzliche Renten von rund 34 600 Euro. Im Jahr 2010 kommen die beiden nach Rentenerhöhungen auf 36 000 Euro (Beispiel 2). Versteuern müssen sie 50 Prozent der Rente von 2005. Hinzu kommen die Erhöhungen: Sie sind zu 100 Prozent steuerpflichtig. Das Paar liegt damit über dem Grundfreibetrag von 16 008 Euro und muss eine Steuererklärung abgeben. Zieht man jedoch Kranken- und Pflegeversicherung ab, bleibt ein Einkommen von rund 14 900 Euro. Steuern zahlen die beiden daher nicht. "In solchen Fällen verzichten die Finanzämter oft auch auf die Erklärung", sagt Uwe Rauhöft.

Das können Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sein, aus einem Nebenjob oder Zinsen aus Kapitalvermögen. Vor allem jedoch zählen dazu zusätzliche Rentenzahlungen - seien sie privat oder gesetzlich. Stirbt bei dem Ehepaar die Frau, erhält der Witwer eine zusätzliche Rente (Beispiel 3). Weil der Mann nun alleinstehend ist, liegt er mit seinem Einkommen über dem gesetzlichen Grundfreibetrag und muss Steuern zahlen. Er kann die Steuerschuld drücken, wenn er weitere Ausgaben geltend macht. Dazu zählen etwa Beiträge zur Haftpflichtversicherung oder Ausgaben für die Gesundheit wie Brille und Zahnersatz. Aber auch die Arbeitskosten für Handwerker, das Kirchgeld oder Spenden mindern die Steuerlast.

© SZ vom 10.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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