Fernsehen:Von Mäusen und Bankern

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Die Serie "Bad Banks" ist mit viel Geld und viel Liebe zum Detail gemacht geworden. Sie soll auch das Fernsehen retten.

Von Caspar Busse

Es war im Oktober 2008. Lisa Blumenberg stand am Geldautomaten ihrer Sparkasse an der Tonndorfer Straße im Nordosten Hamburgs. Wie immer wollte sie 500 Euro abheben, sie bekam aber nur 200 Euro. Zufall oder nicht, es waren damals jedenfalls bewegte Zeiten. Die Finanzkrise erreichte ihren Höhepunkt, die US-Investmentbank Lehman Brothers musste Insolvenz beantragen, die deutsche Hypo Real Estate stand kurz vor dem Aus. An einem Sonntagabend traten dann zur besten Sendezeit Kanzlerin Angela Merkel und der damalige Finanzminister Peer Steinbrück auf und versicherten allen Sparern, dass sie nichts zu befürchten hätten.

Lisa Blumenberg, 54, ließ das nicht mehr los. "Ich habe damals gemerkt, dass das Eis, auf dem unser Wirtschaftssystem steht, sehr dünn ist", sagt sie heute. Blumenberg ist Filmproduzentin, sie hat unter anderem den Roman "Neue Vahr Süd" von Sven Regener verfilmt, sie hatte Erfolg mit der Thrillerserie "Blochin". Die Finanzkrise beschäftigte sie weiter, 2012 dann hatte sie die Idee, eine Fernsehserie daraus zu machen. Vier Jahre später hatte "Bad Banks" auf der Berlinale Premiere. Im Frühjahr dieses Jahres dann lief "Bad Banks" erst in den Mediatheken, dann kurz aufeinander frei empfangbar bei Arte und im ZDF - und wurde zu einem Erfolg, erhielt auch mehrere Preise. Die Kritiken waren gut. Inzwischen wurde "Bad Banks" in 40 Länder weiterverkauft, auch in die USA und nach Australien. Schon arbeiten Blumenberg und ihr Team an einer zweiten Staffel. Die Dreharbeiten beginnen im Januar 2019, im Februar 2020 soll "Bad Banks 2" fertig sein.

Im Mittelpunkt der fiktiven Geschichte steht die junge Bankerin Jana Liekam, die von Paula Beer gespielt wird, die in Luxemburg und Frankfurt schnell Karriere macht und sich vor allem mit strukturierten Finanzprodukten beschäftigt, die am Ende maßgeblich zum Ausbruch der Finanzkrise beitragen. Gefördert wird Jana von ihrer ehemaligen Chefin Leblanc, die von Désirée Nosbusch dargestellt wird. Es geht um Insiderhandel und Bilanzmanipulationen, um die Arbeitsbedingungen in den Banken, um Profit, Macht, Skrupellosigkeit und Gier. Inzwischen ist "Bad Banks", produziert von Letterbox, einer Firma von Studio Hamburg (das wiederum zum öffentlich-rechtlichen NDR gehört), eine der erfolgreichsten deutschen Vorzeige-Serien, die es mit "Babylon Berlin" (ARD, Sky) und der Netflix-Fantasy-Produktion "Dark" aufnehmen kann.

(Foto: N/A)

"Ich wollte von einer Welt erzählen, die erst einmal keiner versteht, die für die meisten wie Science-Fiction ist, die aber sehr viel mit uns allen zu tun hat", sagt Blumenberg heute. In der langen Vorbereitungszeit habe sie nie den Glauben an den Stoff verloren: "Im Gegenteil, es wurde mit der Zeit immer interessanter." Und: "Eine solche Geschichte kann man nicht ohne die Hilfe von Experten erzählen." So habe es vorab Dutzende Hintergrundgespräche mit Menschen aus der Finanzbranche gegeben. Hauptautor Oliver Kienle und später auch Regisseur Christian Schwochow hätten sich ganz tief in die Branche "reingegraben" und viel Zeit investiert. "Wir mussten wissen, wie das riecht, wie die sprechen", sagt Blumenberg. Bei einer Bank oder in der Wirtschaft hat sie selbst nie gearbeitet. Sie stammt aus dem Saarland, hat in Mainz Germanistik, Publizistik und Psychologie studiert und promoviert. Dann hat sie kurz beim Saarländischen Rundfunk gearbeitet und ist vor mehr als zwanzig Jahren zu Studio Hamburg gekommen. Heute ist sie Mitglied der Geschäftsleitung von Letterbox.

Die offiziellen Recherche-Anfragen der "Bad Banks"-Macher wurden von den Banken zwar alle abgelehnt, aber es gab viele inoffizielle Kontakte mit vielen interessanten Einzelheiten. So kam Regisseur Schwochow beispielsweise von einer Recherche aus London zurück und berichtete, dass es im Handelsraum einer Bank Mäuse gebe. Der Kammerjäger müsse öfters anrücken. Der Grund: Dort wird rund um die Uhr gearbeitet, die Banker essen am Arbeitsplatz, vorzugsweise Pizza aus Kartons, die Essensreste locken dann die Mäuse an. Nachdem dieses Detail auch bei Banken in Frankfurt nachgeprüft wurde, wurden die Mäuse auch bei "Bad Banks" eingebaut.

Die Produktion der zweiten Staffel wird noch mal teurer werden

Ohnehin ist "Bad Banks" mit einem sehr hohen Aufwand produziert worden. Das Budget der Serie mit nur sechs Folgen liegt bei 8,1 Millionen Euro. Damit ist jede Episode fast so teuer wie ein "Tatort", der im Durchschnitt etwa 1,5 Millionen Euro kostet. Für die Szenen aus dem Handelssaal der Bank wurden mehr als hundert Arbeitsplätze ausgestattet und Komparsen engagiert, die dort im Hintergrund an den Bildschirmen arbeiten. "Mein Ehrgeiz ist es, Qualität zu liefern, mit originellen und originären Ansätzen", sagt Blumenberg.

Das Geld dafür kam von mehreren Partnern, etwa vom ZDF, von der Filmförderung, aber auch von dem luxemburgischen Koproduzenten Nicolas Steil von Iris Productions. Diese Zusammenarbeit werde auch in der zweiten Staffel fortgesetzt. Für Michael Lehmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Studio Hamburg Production Group, zu der Letterbox gehört, hat sich die Investition und das Risiko jedenfalls gelohnt. "Gemessen an dem, was rausgekommen ist, war es ein geringes Budget", sagt er.

Lisa Blumenberg hatte die Idee für „Bad Banks“. (Foto: Franziska Krug/Getty Images)

Serien wie "Bad Banks", die eine komplexe Geschichten aus mehreren Perspektiven und mit vielen Charakteren über viele Folgen hinweg erzählen, sind derzeit die große Hoffnung des deutschen Fernsehens. Denn der Markt ist im radikalen Umbruch. Streamingdienste wie Netflix oder Amazon Prime sind im Moment sehr erfolgreich, gerade bei jüngeren Zuschauern, die zu jeder Zeit unabhängig von festen Programmen ihre Lieblingsserie und -filme sehen wollen. Das klassische lineare Fernsehen verliert an Attraktivität. Und alle investieren in eigene Inhalte, Netflix hat bereits Milliardenausgaben für europäische Produktionen angekündigt, auch Amazon, die Deutsche Telekom oder Sky produzieren mit sehr hohem Aufwand eigene Serien, um die Zuschauer damit zu locken. "Es gibt aktuell einen großen Wettbewerb der Produktionsfirmen um die besten Köpfe", sagt Lehmann. "Die Beschleunigung ist derzeit gigantisch."

Lange vorbei sind die Zeiten, in denen der Erfolg einer Produktion nur nach Einschaltquoten bemessen wurde. "Diese Parameter des Erfolgs kommen aus einer alten Welt, aus der linearen Zeit", sagt Lehmann. Quoten seien heute nur noch ein Element des Gesamterfolgs. "Bad Banks" etwa war schon vorab in den Mediatheken von Arte und ZDF verfügbar, schon vor der Ausstrahlung sei der Erfolg der hohen Mediatheken-Nutzung kommuniziert worden, berichtet Lehmann. Inzwischen ist "Bad Banks" bei Amazon Prime erhältlich.

Angesichts des Erfolgs wird nun an der Fortsetzung gearbeitet, das Budget für die zweite Staffel wird noch mal höher ausfallen. Worum es genau gehen wird, will Blumenberg nicht verraten, nur so viel: "Das Universum der Serie erweitert sich. Es geht auch um den Umbruch in der Bankenwelt, um den Kampf zwischen alten und neuen Bankern, die mit jungen Fintechs auf den Markt drängen." Die Protagonisten werden aber dieselben bleiben.

Sogar eine weitere Fortsetzung ist möglich. "Auch eine dritte Staffel ist vorstellbar", sagt Blumenberg: "Die Figuren haben großes Potenzial. Wir haben noch genug Ideen und ausreichend Fantasie." Ihre Geschichte mit dem Geldautomaten wurde schon verarbeitet. Die erste Folge der ersten Staffel beginnt mit dieser Szene: Jemand braucht dringend Bares, aber der Geldautomat gibt nichts mehr raus.

© SZ vom 12.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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