Fernbus und Bahn:Ungleiche Gegner

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Eine Maut für Fernbusse fordert unter anderem die Deutsche Bahn. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Der Erfolg der Fernbusse macht der Bahn zunehmend zu schaffen. Sie fühlt sich im Wettbewerb benachteiligt. Zu Recht?

Von Michael Bauchmüller und Thomas Öchsner, Berlin

Jetzt läuft die Gegenoffensive an, die Omnibus-Unternehmer melden sich zu Wort. Eine Maut für Fernbusse? "Das wäre unverhältnismäßig", sagt Christiane Leonard, Chefin des Bus-Verbandes BDO. "Der gerade erst entstandene Wettbewerb im Fernverkehr würde ins Stocken geraten." Schließlich hätten die Fernbusse eine wahre Qualitätsoffensive ausgelöst - bei der Deutschen Bahn. All das stünde auf dem Spiel, sollten Busse auf deutschen Autobahnen künftig wie Lastwagen behandelt werden. Unter anderem die Bahn würde sich das wünschen, aber auch Verkehrspolitiker von SPD, Grünen und Linkspartei. Andernfalls hätte der Bus ungerechtfertigte Vorteile gegenüber der Bahn. Doch wie ungleich ist der Wettbewerb wirklich?

Das Geschäft

Inzwischen fahren mehr als 800 Fernbusse auf 300 Linien durchs Land - oft auch auf Strecken, die nicht von der Bahn bedient werden. Bis Ende des Jahres dürfte ihre Zahl auf etwa 1200 wachsen. Im Frühjahr 2015 legten die Busse bereits gut drei Millionen Kilometer pro Woche zurück. Das Geschäft boomt. Die Zahl der Fahrgäste hat sich im vorigen Jahr verdreifacht. 2014 nutzten 19 Millionen Fahrgäste Fernbusse. Dieses Jahr könnten es 30 Millionen sein. Der Bahn dagegen gingen auf den Fernstrecken Kunden verloren - allerdings nur 1,9 Millionen. 2014 fuhren 128,3 Millionen Reisende mit Fernzügen.

Kundenrechte

Für Rollstuhlfahrer ist die Bahn bisher das bequemere Verkehrsmittel. Busse sind für sie meist nicht ausgerüstet. Erst peu à peu soll sich das ändern. Von 2016 an müssen neu zugelassene Busse "barrierefrei" sein, inklusive zweier Plätze für Rollstuhlfahrer. Von 2020 an gilt das für alle Fernbusse.

Auch müssen die Fernbusse bislang ihren Fahrgästen nichts zurückzahlen, wenn der Bus deutlich verspätet am Ziel ankommt. Anders bei der Bahn auf Strecken von mehr als 50 Kilometern: Selbst bei "höherer Gewalt", wie Überschwemmungen oder anderen Naturkatastrophen, gibt es bei Verspätungen von mehr als einer Stunde Geld zurück. Allerdings fährt die Bahn auch auf einem für sie reservierten Schienennetz - der Bus dagegen ist gefangen auf den Straßen mitsamt ihren Staus.

Steuern und Abgaben

Die Fernbusse müssen bislang keine Maut zahlen, aber Mineralölsteuer. Das Berliner Forschungsinstitut Iges kommt im Auftrag des Busverbands BDO zu dem Ergebnis, dass je Kilometer bei einer üblichen Auslastung der Fahrzeuge etwa 0,51 Cent je Fahrgast gezahlt werden - mehr als bei der Bahn. Die Bahn dagegen muss Stromsteuer zahlen, 2014 waren das im Fernverkehr 27 Millionen Euro - bei Energiekosten von insgesamt 341 Millionen Euro. Seit diesem Jahr entfällt auf den Bahnstrom zudem die Erneuerbare-Energien-Umlage, wenngleich zu einem um 80 Prozent ermäßigten Satz. Eine Abgabe, die ein Fernbus-Unternehmen nicht zahlen muss. Derweil rechnet der BDO genüsslich die "Subventionen" vor, auf die der Schienenverkehr jährlich bauen kann: 17 Milliarden Euro, wenn man jeden Cent zusammenkratzt.

Verkehrswege

Die Autobahn benutzt der Bus bislang gebührenfrei, der ICE dagegen zahlt an die Netztochter der Deutschen Bahn dafür Trassenentgelte - 832 Millionen Euro im vorigen Jahr. Die Bahn kalkuliert nach eigenen Angaben mit sechs Cent Trassengebühren pro Person und Kilometer. Der BDO hält dies jedoch für eine Milchmädchenrechnung: Etwa zwei Drittel der gesamten Entgelte für die Benutzung der Schienen werde durch die subventionierten Regionalbahnen im Nahverkehr bezahlt. Der Fernverkehr decke von den Trassengebühren nur 18 Prozent. Die Fernbusse seien sogar durch die hohe Steuerlast benachteiligt. Andererseits: Für die meisten Haltestellen zahlen Busse nichts - anders als Fernzüge, die auch "Stationsentgelte" entrichten müssen, wieder an die Netztochter des Bahnkonzerns.

Umweltschutz

Die Bahn galt lange als das umweltfreundliche Verkehrsmittel schlechthin - neuerdings fährt sie im Fernverkehr sogar komplett mit Ökostrom. Dennoch attestierte das Umweltbundesamt unlängst den Fernbussen die bessere Bilanz: mit 1,4 Litern Kraftstoff je Passagier verbrauchten sie auf 100 Kilometer weniger als die Bahn.

Auch die Unionsfraktion wies auf diesen Umstand am Montag hin. Der Bus sei eine "umweltfreundliche Alternative zum Auto", sagte Daniela Ludwig, tourismuspolitische Sprecherin der Fraktion. Auch sei der Markt noch im Aufbau. Ihr Fazit: "Deutschland braucht keine Maut für Fernbusse."

© SZ vom 11.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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