Ferdinand Piëch:Der Doppelstratege

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Großdemo bei VW: Tausende Mitarbeiter gehen auf die Straße. Es geht um das VW-Gesetz, vor allem aber um die Mitbestimmung. Piëch ist der Einzige, der den Streit schnell beenden könnte.

K.-H. Büschemann

Am Freitag beginnt um zehn Uhr bei Volkswagen eine Sitzung des Aufsichtsrates. Wichtiges steht nicht auf der Tagesordnung. Wenig später wird der VW- Betriebsratsvorsitzende Bernd Osterloh die Sitzung verlassen und jeder im Raum weiß, was ihn dringend wegruft: Der Vertreter der Arbeitnehmer im Kontrollgremium muss vor die Firmenzentrale treten, wo zigtausend VW-Arbeiter gegen Wendelin Wiedeking demonstrieren, der ebenfalls an der Aufsichtsratssitzung teilnimmt. Die Arbeiter haben den Porsche-Chef zu ihrem Lieblingsfeind erklärt. Dem Mann, der seit 2005 die Übernahme von VW durch Porsche organisiert, der schon über 31 Prozent der Aktien verfügt und bald die Mehrheit übernehmen will, wollen sie lautstark klarmachen, dass er die Macht in Wolfsburg nicht übernehmen darf.

Ferdinand Piëch - Automanager durch und durch. (Foto: Foto: dpa)

Diese Demonstration ist kurios, weil eine Belegschaft selten gegen den eigenen Großaktionär auf die Straße geht. Aber sie gehört zu den Besonderheiten dieses Zusammenschlusses, der viele Eigentümlichkeiten hat. Er ist seltsam, weil ein kleines Unternehmen mit 11.000 Mitarbeitern einen Riesen übernehmen will, der 30-mal so viele Beschäftigte hat. Er ist ungewöhnlich, weil sich die künftigen Partner auf allen Ebenen feindlich gegenüberstehen. Die Manager sind sich nicht grün und die Betriebsratsvorsitzenden beider Unternehmen streiten über ihren künftigen Einfluss.

Das Verrückteste aber ist, dass in den Aufsichtsräten beider Unternehmen mit Ferdinand Piëch ein Mann sitzt, der offenbar gleichzeitig für und gegen die Übernahme ist. Piëch gehört zu den Erben des alten Ferdinand Porsche, denen der Sportwagenhersteller Porsche gehört. In dessen Aufsichtsrat hat Piëch allen Entscheidungen zur Übernahme von VW zugestimmt. Zugleich leitet Piëch den Aufsichtsrat von VW. In dieser Rolle scheint der eigenwillige Piëch die Pläne von Wiedeking nicht zu schätzen, von dem es heißt, er gehe den Managern in Wolfsburg mit Kritik an Unternehmensführung und Modellpolitik auf die Nerven. Es wird sogar behauptet, Piëch wolle den Porsche-Chef aus dem Amt werfen. Der sei ihm zu mächtig geworden.

Deal in Gefahr

Selten hat es um einem Firmenkauf ein solches Tohuwabohu gegeben. Selbst ein schlichtes Werbeplakat kann da schon für Unruhe sorgen. Die Zuffenhausener waren so unvorsichtig, im Wolfsburger Fußballstadion eine Werbung für den neuen 911er Sportwagen anzubringen mit dem Begleittext: "Der neue Leitwolf". Das wird in Wolfsburg als Anmaßung der neuen Eigentümer verstanden.

Inzwischen ist der ganze Deal gefährdet. Piëch ist der Einzige, der den Streit schnell beenden könnte. Er sollte es tun. Es geht um fast 400.000 Mitarbeiter, die eine sichere Zukunft brauchen. Wenn Piëch als Porsche-Gesellschafter der Meinung ist, Wiedeking trete in Wolfsburg zu rüpelhaft auf, muss er dafür sorgen, dass er als Porsche-Chef abgelöst wird. Oder er muss mit seinen Sticheleien gegen Porsche und Wiedeking aufhören. Denn die kritische Haltung des mächtigen Patriarchen ermuntert sowohl das Management als auch den Betriebsrat des Konzerns zu Machtspielen gegenüber dem neuen Eigentümer. Unter den heutigen Umständen könnte man den Eindruck haben, dass Piëch heimlich die Animositäten gegen Wiedeking und Porsche anstachelt oder duldet und so zum Unfrieden beiträgt.

Als Porsche-Gesellschafter und VW-Aufsichtsratschef steckt Piëch in einem unauflösbaren Interessenkonflikt. Er muss das Wohl von Volkswagen im Auge haben wie das von Porsche. Damit ist jeder Manager überfordert. Er täte gut daran, aus Gründen ethisch sauberer Unternehmensführung den Posten des Aufsichtsrates aufzugeben. Andernfalls setzt er sich dem Verdacht aus, bei VW das alte unselige Co-Regime von Management und Gewerkschaften wiederherzustellen, die in dem Konzern jahrzehntelang gemeinsame Sache machten und dem talentierten Taktiker Piëch in seinen neun Jahren als Konzernchef die unumschränkte Macht in Wolfsburg sicherten. Leider hat diese Konstellation den Konzern zeitweilig in die Sackgasse geführt. Sie darf nicht erneuert werden.

© SZ vom 12.09.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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