Familienunternehmen:Von Heuschrecken und Spacs

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Auch Familienunternehmen brauchen Geld, doch wer versorgt die Firmen am besten mit frischem Kapital? Viele Gruppen buhlen um lukrative deutsche Unternehmen - eine Typologie.

Martin Hesse

"Wir sollten doch versuchen, das unter uns Deutschen ausmachen", hat Roland Berger vor kurzem gesagt. Der Unternehmensberater sprach vom deutschen Mittelstand und der Frage, wer die vielen erfolgreichen Familienunternehmen am besten mit Kapital versorgen könne. Und Berger sprach in eigener Sache: Er selbst gehört zu einer ganzen Reihe neuer Investoren, die sich an mittelständischen Firmen beteiligen oder sie ganz übernehmen wollen. Die SZ stellt die wichtigsten Gruppen alter und neuer, deutscher und ausländischer Firmenjäger im Mittelstand vor:

Arcandor-Chef Middelhoff möchte gemeinsam mit Roland Berger in das Geschäft mit sogenannten Spacs einsteigen. (Foto: Foto: ddp)

Die Wettbewerber

Strategische Investoren, also Konkurrenten oder Firmen, die diversifizieren wollen, haben die längste Tradition als Käufer deutscher Firmen. Erst seit Beginn des Jahrtausends gewannen Finanzinvestoren an Boden. Im zweiten Halbjahr 2006 überstieg erstmals der Wert der Firmenkäufe durch Finanzinvestoren die Übernahmen strategischer Käufer. "2007 war jedoch das Jahr der Strategen", sagt Joachim Spill, Vorstandsmitglied bei der Wirtschafts- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young. Strategen erwarben für 69,1 Milliarden Euro deutsche Firmen, Finanzinvestoren gaben nur etwa die Hälfte davon aus. Einen wachsenden Anteil am deutschen Übernahmemarkt haben ausländische Firmen: Von 709 deutschen Firmen, die im vergangenen Jahr übernommen wurden, gingen 522 an deutsche Käufer, in einem Viertel der Fälle kamen also Ausländer zum Zuge, vor allem aus den USA (50).

Beteiligungsgesellschaften

Die wichtigste Gruppe der Finanzinvestoren sind Beteiligungsgesellschaften. Im Branchenjargon spricht man von Private Equity (privates Kapital), da diese Investoren sich in der Regel außerhalb der Börse an Firmen beteiligen oder sie ganz übernehmen. Für Schlagzeilen sorgten bis zum Ausbruch der Kreditkrise im vergangenen Sommer vor allem große Beteiligunsggesellschaften wie Blackstone, Permira und KKR, die Unternehmen im Wert von bis zu 50 Milliarden Dollar übernahmen. Auch in dem Markt für Firmen mit einem Wert zwischen 100 Millionen und einer Milliarde Euro dominieren ausländische Fonds wie Candover, Industri Kapital oder Barclays Capital. Um den kleineren Mittelstand kümmern sich dagegen überwiegend deutsche Finanzinvestoren, wie die Deutsche Beteiligungs AG, Hannover Finanz oder Argantis. Der Kölner Investor fand mit dem Tiefkühlkost-Spezialisten Frostkrone gerade das, was diese Investoren in der Regel suchen: Einen Marktführer in einem Nischensegment, der lange in Familienbesitz war und eine Nachfolgeregelung suchte.

Unternehmerfonds

Eine besondere Spielart der Beteiligungsgesellschaften sind Unternehmerfonds. Der Fonds Equita, hinter dem die Familie Quandt steht, oder der Starnberger Investor Buchanan sammeln das Geld vermögender Unternehmerfamilien ein, um es wiederum in mittelständische Firmen zu investieren. Sie setzen darauf, dass Unternehmer, die ihre Nachfolge regeln wollen, eher einem Investor vertrauen, der die Besonderheiten des Mittelstandes aus eigener Erfahrung kennt.

Reiche Familien

Einige große Familien gehen nicht den Umweg über Unternehmerfonds, sondern investieren auf eigene Faust. So prüft die Familie Werhahn, bekannt beispielsweise durch die Messer-Marke Zwilling, derzeit Zukäufe im Mittelstand. Thomas und Andreas Strüngmann sind seit dem Verkauf ihres Pharmaunternehmens Hexal an Novartis genauso als Investoren unterwegs wie die Tchibo-Erben, die Familie Herz, die beispielsweise beim Modehersteller Escada einstiegen.

Hedge-Fonds und Sanierungsspezialisten

In den vergangenen Jahren haben sich mehrfach auch Hedge-Fonds in deutsche Mittelständler eingekauft. Anders als Beteiligungsgesellschaften erwerben diese Finanzinvestoren eine Firma in der Regel nicht auf einen Schlag ganz. Häufig kaufen sie zunächst Kredite und Anleihen eines Unternehmens. Gerät die Firma in Zahlungsverzug, tauschen die Hedge-Fonds ihre Schuldverschreibungen häufig in Aktien und gewinnen so die Kontrolle über die Firma. So war es beispielsweise bei dem Autozulieferer Kiekert, der an die Hedge-Fonds Blue Bay und Silverpoint fiel. Andere Finanzinvestoren schleichen sich nicht über den Kauf von Schulden an, sondern steigen wie die Münchner Firma Orlando direkt bei angeschlagenen Firmen ein.

Mezzanine-Anbieter

Eine Mischung aus Eigenkapital und Fremdkapital bieten Mezzanine-Investoren Mittelständlern an. Sie ergänzen damit häufig das Übernahmeangebot einer klassischen Beteiligungsgesellschaft. "Weil der Schuldenanteil bei Übernahmen kleiner wird und Finanzinvestoren die Lücke nicht vollständig mit mehr Eigenkapital füllen wollen, kommen sie verstärkt zu uns und fragen Mezzanine-Kapital nach", sagt Robert von Finckenstein von dem Mezzanine-Spezialisten European Capital.

Spacs

Special Purpose Acquisition Company heißt das neue Vehikel, mit dem Roland Berger und Arcandor-Chef Thomas Middelhoff deutsche Mittelständler einfangen wollen. Dahinter verbirgt sich ein leerer Firmenmantel, der über einen Börsengang Geld einsammelt, mit dem dann eine Firma übernommen werden soll. Diese Firma wird mit dem Spac verschmolzen und notiert fortan an der Börse. In den USA schlichen sich so bereits mehrere Dutzend Firmen an die Börse.

© SZ vom 10.07.2008/sueddeutsche.de/jpm/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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