Familienunternehmen:Regieren, nicht streiten

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Familiengeführte Firmen fordern für die Politik mehr Respekt ein - und Mut. Die angeschlagene CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer bedankte sich mit einem besonderen Versprechen: weniger Sozialleistungen.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Die Familienunternehmen befürchten, dass der Bundesrepublik das politische Spitzenpersonal ausgeht - mit drastischen Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung. "Gute Politiker wachsen nicht auf Bäumen und müssen sich entwickeln können", sagte Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen am Freitag in Berlin. Kritik müsse sich immer an der Sache orientieren. "Wir müssen wegkommen von der permanenten Demontage unseres politischen Spitzenpersonals". Kirchdörfer sagte der Koalition Unterstützung zu, "bei allem, was sie in dieser Legislaturperiode noch positiv für Deutschland umsetzen kann".

Die Worte waren aufmunternd gedacht für die nachfolgende Rednerin, CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Sie gilt nach sechs Monaten im Amt als angeschlagen. Sie bedankte sich mit dem Versprechen, die Unternehmer nicht zu vergessen; für ein stärkeres Europa sowie mehr Wettbewerb zu sorgen - und den Ausbau der Sozialleistungen zu stoppen.

Nach 24 Minuten Redezeit kam Kramp-Karrenbauer auf das Thema zu sprechen, das vor allem von jungen Menschen mit Nachdruck eingefordert wird: den Schutz des Klimas. Die CDU-Chefin machte deutlich, dass von der Union keine revolutionären Klimaschutzmaßnahmen zu befürchten seien. Die Antwort auf den "riesigen Transformationsprozess" könne "nicht sein, dass wir alles mögliche verbieten". Statt dessen forderte sie Kreativität. Deutschland nehme über energiebezogene Steuern und Abgaben heute mehr als 70 Milliarden Euro ein. "Bevor wir über weitere Steuern reden, sollten wir erst mal gucken, ob diese 70 Milliarden Euro so ausgegeben werden, dass sie CO₂ vermeiden".

Kramp-Karrenbauer gestand auf Nachfrage ein, dass die Union bei jungen Menschen nicht wirklich Begeisterung auslöse. Aber das ändere sich im Laufe des Lebens. "Es dauert immer ein bisschen, bis man die Liebe zur CDU entdeckt. Aber dann sollte man sie halten."

Ausdrücklich plädierte die CDU-Chefin für weniger Sozialleistungen und mehr Eigenverantwortung - in Europa als auch in Deutschland. Es gehe nicht darum, eine europäische Arbeitslosenversicherung oder einen über alle Länder gleichgezogenen Mindestlohn einzuführen. Man müsse das Gefälle zwischen den Ländern verringern, indem man andere Staaten in die Lage versetze, besser zu wirtschaften, "um gemäß unseres deutschen Modells Wohlstand für alle zu erreichen".

Kramp-Karrenbauer warnte, mit sozialen Wohltaten stiegen auch die Ansprüche der Menschen an den Staat. "Einzelfallgerechtigkeit" herzustellen, sei aber nicht Aufgabe des Staates. Stattdessen müssten die Menschen in die Lage versetzt werden, selbst mehr Verantwortung zu übernehmen. Der Staat müsse sich darauf konzentrieren, allen Kindern den Zugang zu guter Bildung zu ermöglichen. Und sich darüber hinaus um die existenzielle Absicherung, vor allem pflegebedürftiger Menschen, kümmern.

Zuvor hatte Stiftungsvorstand Kirchdörfer heftige Kritik an ausufernden Sozialleistungen geäußert. Als Ludwig Erhard Wirtschaftsminister gewesen sei, im Jahre 1962, seien 24 Milliarden Euro für Sozialleistungen ausgegeben worden, im Jahr 2000 waren es 100 Milliarden Euro, im Jahr 2023 könnten es insgesamt fast 200 Milliarden Euro werden. Man dürfe nicht vergessen, dass jeder Euro zuerst einmal erwirtschaftet werden müsse.

Was die Familienunternehmen vom zwei-Prozent-Nato-Ziel der Bundesregierung halten, war am Freitag nicht zu erfahren. Kramp-Karrenbauer allerdings distanzierte sich auffällig von der Linie der Bundesregierung, bei den Rüstungsausgaben eher auf Sicht zu fahren. Deutschland müsse das Versprechen einhalten, es sei im eigenen Interesse, es gehe auch um Glaubwürdigkeit. "Wir haben den Ruf, dass wir halten, was wir versprochen haben." Auch die deutsche Wirtschaft sei darauf angewiesen, dass sich beim Welthandel alle an die Zusagen hielten.

Kirchdörfer hatte am Ende noch ein paar freundliche Worte für die CDU-Chefin. "Wir wünschen Ihnen alles, alles Gute", sagte er. "Dass die Koalition dieses Jahr überlebt. Und erst recht, dass Sie in der nächsten Koalition eine ganz, ganz dominierende Rolle spielen." Welche Rolle genau, blieb offen.

© SZ vom 29.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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