Familienunternehmen:Ein Haus mit Tradition

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Christian und Dory Ottenbacher führen in vierter Generation den Gastronomie- und Hotelleriebetrieb Adler in Asperg. Auch die örtlichen Bankvorstände sind regelmäßig zu Gast.

Von Dagmar Deckstein

Als Christian und Christiane Pauline Ottenbacher anno 1897 das Haus im Ortszentrum Aspergs einem Metzgermeister abkauften und ihre eigene Schlachterei nebst Gaststube eröffneten, hatten die beiden damaligen Jungunternehmer vermutlich auch allerlei weitergehende Wünsche für die Zukunft. Ob dazu wohl auch gehört hat, dass ihr dereinstiger Urenkel Christian Ottenbacher das Erbe seiner Ahnen bis ins 21. Jahrhundert hinein pflegen und mehren würde? Schwer zu sagen, aber genauso ist es gekommen.

Christian Ottenbacher, 49, und Frau Dory führen seit 2008 das renommierte Viersternehaus Adler in inzwischen vierter Generation. Gerade in der Hotellerie und Gastronomie, die immer wieder neuen, zeitgeist- und geschmacksabhängigen Trends unterliegt, ist es nicht gerade an der Tagesordnung, dass sich solch ein Traditionsbetrieb über vier Generationen hinweg in Familienhand halten lässt. Oder, wie Christian Ottenbacher viele Pleiten und Verkäufe in dieser Branche erklärt: "Wer nicht innerlich brennt, wer nicht mit Herzblut herangeht an diese Dienstleistungsaufgabe am Gast, der bringt es in unserer Branche kaum auf einen grünen Zweig."

Das altehrwürdige Haus an der Ecke Stuttgarter und Eglosheimer Straße in Asperg, nur wenige Kilometer östlich Ludwigsburgs gelegen, hat sich mit den Nachkommen der Gründer ebenso erneuert wie die Familie selbst. Inzwischen gehört auch ein Hotel mit 70 Zimmern zum "Adler", das Gourmetlokal "Schwabenstube", das legerere Bistro "Aquila" und das Mittagslokal "RichardZ". Neuerdings haben Ottenbachers auch die "Schubart-Stube" auf der Festung Hohenasperg unter ihre Adler-Fittiche genommen. Die Festung war ein seit dem 16. Jahrhundert berüchtigtes Gefängnis Württembergs, in das eingekerkert zu werden sich einer der berühmtesten Beinahe-Insassen, der schwäbische Dichter Friedrich Schiller, 1782 durch seine Flucht nach Mannheim entzog.

Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: N/A)

Alles lange her - der Asperger Adler erfreut sich guten Zuspruchs der Gäste, die sich heute ganz freiwillig in die steinernen Fachwerkmauern zum Essen und Schlafen begeben. Ob Uschi Glas oder Richard von Weizsäcker, ob der Regisseur Nico Hofmann oder der Schauspieler Götz George, der im Adler die Abschlussparty nach den Dreharbeiten für den Film "Mein Vater" feierte. Auch Ferdinand Piëch und seine Frau Uschi logierten im Adler, wenn der ehemalige Aufsichtsrats-Chef von Porsche und VW zu Gremiensitzungen ins Schwäbische reiste. Und auf Youtube kann man noch den begeisterten Empfang besichtigen, den die Asperger der Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Staatspräsidenten François Hollande bereiteten, als sie am 22. September 2012 zum Mittagessen mit Maultaschensüpple und glacierter Kalbshaxe im Adler einkehrten. Sie kamen gerade aus Ludwigsburg von einer Veranstaltung zum 50. Jahrestag der deutsch-französischen Freundschaft.

Ein Erbe wie das der Ottenbacher-Familie anzunehmen, das müsse man natürlich wollen, sagt Christian Ottenbacher. So wie es seine Großeltern Richard und Hedwig Ottenbacher schon wollten, seine Eltern Richard und Martha Ottenbacher, so wollten es der Gründer-Urenkel Christian und sein Bruder Michael auch. Beide machten nach dem Abitur eine Kochlehre. Christian Ottenbacher verbrachte seine Lehr- und Meisterjahre in Paris, Wien und New Orleans. Bruder Michael gehört nach seinem Studium an der School of Hospitality Management in Miami und nach seiner Promotion an der Universität of Otago in Neuseeland 2003 heute zur kleinen Schar der renommierten Gastronomiewissenschaftler im deutschsprachigen Raum. Er unterrichtet seit 2008 Hotel- und Restaurantmanagement an der Hochschule Heilbronn, wo er sich auch habilitierte. Er forscht und bildet weltweit angehende Hotel- und Restaurantmanager aus. "Es reicht nicht mehr, ein guter Koch und ein guter Gastgeber zu sein, um Erfolg zu haben", meint Michael Ottenbacher. Gastronomen müssten heute wissen, was die Kundschaft erwartet und welche Konzepte zum Erfolg führen.

Auch Christian Ottenbacher hat seit der Übernahme des Familienbetriebs längst erkannt, dass das Geschäftsmodell der Eltern nun auch eine Erneuerung erfahren muss: "Da kamen die Stammgäste halt regelmäßig des Sonntags zum Mittagessen in den Adler."

Solche Selbstläufer gibt es schon länger nicht mehr. Dafür muss man dem anspruchsvoller gewordenen Publikum eben nicht nur Sterneköche wie derzeit den jungen Philip Rümmele, 30, präsentieren, sondern auch Hotelzimmer der Viersternekategorie, Konferenzräume und Sonderveranstaltungen wie etwa Küchenfeste oder Weinverkostungen.

Gastronomie ist ihre Leidenschaft: Dory und Christian Ottenbacher und ihr Sohn Ricardo. (Foto: oh)

Christian und Christine Pauline Ottenbacher hätten sich 1897 sicher nicht träumen lassen, was ihr Urenkel dereinst aus ihrem mit mühsam erspartem Geld erworbenen Eigentum anstellen würde. Erst 2012 hat Ottenbacher den Hoteltrakt erweitert und renoviert - für 700 000 Euro. Und vor Kurzem kaufte er für 1,5 Millionen Euro ein benachbartes Grundstück - das Gelände eines ehemaligen Kindergartens - dazu, um weitere Gäste- und Konferenzzimmer zu errichten. "Standortsicherung ist wichtig", sagt Ottenbacher. "Es wäre sicher nicht in unserem Sinne, wenn jemand das Grundstück kaufte und darauf etwas baut, das unseren Betrieb beeinträchtigt." Einen Betrieb mit immerhin 60 Angestellten und vier Millionen Euro Jahresumsatz.

"Natürlich kommen auch die örtlichen Bankvorstände regelmäßig zum Essen zu uns."

Da sind solche Investitionen natürlich alles andere als ein Pappenstiel. Christian Ottenbacher und Frau Dory wissen es zu schätzen, dass sich die örtlichen Institute kooperativ zeigen und - darauf legt Ottenbacher auch großen Wert - auch Sondertilgungen ermöglichen. Es ist indes in einem menschenzentrierten Dienstleistungsgeschäft wie der örtlichen Gastronomie und dem örtlichen Bankfilialgeschäft ganz handelsüblich, dass man sich gegenseitig zielsicher im Blick hat. Oder, wie Christian Ottenbacher sagt: "Mit unseren Banken hatten wir schon seit eh und je ein sehr vertrauensvolles Verhältnis. Unsere Bilanzen haben wir ihnen schon immer offengelegt." Aber nicht nur die Bilanzen. "Natürlich kommen auch die örtlichen Bankvorstände regelmäßig zum Essen zu uns", schmunzelt Ottenbacher, "da können sie sich gleich an Ort und Stelle über unsere neuen Geschäftskonzepte informieren, in die wir investieren."

In die Zukunft investiert haben die Ottenbachers neuerdings auch, indem sie im mittlerweile heftig personalsuchenden Gastronomiebereich vier Ausländern aus Syrien, Afghanistan, Griechenland und Spanien einen Ausbildungsplatz als Koch oder Hotelfachmann angeboten haben.

Ob es der Adler auch in die fünfte Ottenbacher-Generation schaffen wird? "Das wissen wir natürlich noch nicht sicher", sagt Christian Ottenbacher. Aber die Chancen stehen durchaus nicht schlecht: Dory und Christian Ottenbachers Sohn Ricardo, 18, will nächstes Jahr sein Gastronomie-Studium aufnehmen. Seine Ur-Ur-Großeltern würden das sicher goutieren.

© SZ vom 10.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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