Faire Textilien:Weniger Anspruch, mehr Partner

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Einzelhandel, Hersteller und Modeindustrie machen nun wohl doch mit beim Textilbündnis.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Als Gerd Müller das erste Mal über sein "Textilbündnis" nachsann, da waren die Ziele noch hehr. Gemeinsam sollten Industrie und Einzelhandel ihren Teil dazu beitragen, die Bedingungen von Textilarbeitern etwa in Fernost zu verbessern: mit gemeinsamen Standards, Kontrolle, und am Ende einem "grünen Knopf". Der sollte künftig an Kleidern für Fairness und gute Arbeitsbedingungen stehen - so stellte sich das der Entwicklungsminister von der CSU vor. Er bekam viel Applaus dafür.

Im ersten Anlauf für das Textilbündnis waren viele dieser Ziele sogar schwarz auf weiß nachzulesen, in einem fast 50-seitigen Anhang zum gemeinsamen "Aktionsplan". Ausdrücklich bezog sich der Plan auf diese "detaillierte Beschreibung der Bündnis-Standards". Nur fehlten die Firmen, die sie hätten umsetzen können. Als Müller sein Bündnis im vorigen Oktober vorstellte, waren die wichtigsten Partner nicht dabei: Einzelhandel, Hersteller, Modeindustrie. Zwar hätten sie nichts gegen eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, erklärten sie seinerzeit. So detailliert wollten sie sich aber nicht darauf verpflichten - schon gar nicht alleine. Schließlich könnten sie gegenüber ausländischen Wettbewerbern ins Hintertreffen geraten.

Die Verbände wollen besssere Arbeitsbedingungen, sich aber nicht im Detail verpflichten

Jetzt sieht es so aus, als würden sie doch noch mitmachen, schon ihres Rufes wegen. Ende März machten die fünf federführenden Verbände einen Verhandlungsvorschlag. "Nur im Schulterschluss aller Mitglieder wird das Textilbündnis in die Lage versetzt, in den Produktionsländern die Arbeitssituation der Menschen vor Ort nachhaltig zu verbessern", schrieben die Verbände. Nur müsse man für diesen Schulterschluss den Aktionsplan noch einmal überarbeiten. Das Ergebnis: Dem breiten Schulterschluss steht nun nichts mehr im Wege - nur ist der Anspruch auch nicht mehr ganz so hoch.

So soll es künftig stärker darauf ankommen, ob Ziele wie etwa bessere Arbeits- und Umweltbedingungen von den Firmen überhaupt verfolgt werden. Unabhängige Dritte sollen überprüfen, ob die Unternehmen auch wirklich etwas tun. Ob sie die Ziele dann auch erreichen, zählt erst an zweiter Stelle. Welche Ziele das konkret sein sollen, darüber wollen sich die Bündnispartner noch unterhalten, in einem "verbindlichen Arbeitsprozess". Nach Möglichkeit sollen sich auch ausländische Unternehmen zu den Zielen bekennen. Die Rolle des Anhangs jedoch, der viele Einzelziele schon festlegt, wurde geschwächt; ganz weggefallen ist er aber nicht. Auf dieser Basis, so erklärten die fünf Verbände am Mittwoch, könnten sie ihren Mitgliedsunternehmen "eine Mitgliedschaft empfehlen". Ob die dem folgen, bleibt freilich deren Sache. Bislang hat das Bündnis 70 Mitglieder.

Müller selbst ist erst einmal erleichtert. "Das Bündnis ist einen entscheidenden Schritt vorangekommen", sagte er am Mittwoch. "Zwei Jahre nach dem Einsturz der Textilfabrik in Rana Plaza setzen wir in Deutschland ein wichtiges Zeichen für eine faire Textilproduktion." Auch die Opposition sieht durchaus Fortschritte. Zwar fehlten nun die detaillierten Vorgaben aus dem Anhang, bemängelte die Grünen-Verbraucherschutzpolitikerin Renate Künast. Andererseits solle es aber nun immerhin jeweils konkrete Umsetzungsschritte mit Zeitvorgaben geben, samt Verbesserungen in den Produktionsländern und Transparenz für die Verbraucher . "Der warmen Worte sind genug gesprochen und geschrieben", sagte Künast. "Die Menschen in den Produktionsländern wollen jetzt Taten sehen."

© SZ vom 23.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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